Dem „Day Zero“ ist Kapstadt stand vor zwei Jahren knapp entgangen. Die Wasservorräte in den Speicherseen lagen auf historisch geringem Level. Eine drastische Steigerung der Wassertarife, die Wasserrationierungen für die Bürger und die Wirtschaft sowie Aufklärungskampagnen lösten wahre Wassersparwellen aus, so dass der für Mai
2018 prognostizierte „Day Zero“, der Tag an dem die Wasservorräte in den Stauseen erschöpft gewesen wären, verhindert werden konnte.
Wassersparen, das wichtigste Mittel, um die Reserven nachhaltiger zu nutzen
Auf dem Höhepunkt der Krise und nur Tage bevor die Stauseen leer zu laufen drohten, wurde der Wasserverbrauch limitiert. 50 Liter täglich pro Person wurden den Kapstädtern zugestanden. Zum Vergleich: in Deutschland sind es rund 125 Liter, die für Kochen, Trinken, Reinigung und Körperhygiene täglich verbraucht werden. Wäre der „Day Zero“ eingetreten, hätten die Kapstädter das Wasser sich von Ausgabestationen abholen müssen, rationiert sogar auf nur noch 25 Liter pro Person. An vielen Ecken gleichzeitig setzte die Regierung die Hebel an. Ein wichtiges Instrument waren die Wassertarife. Die Preise für das Trinkwasser wurden nicht nur drastisch erhöht, sondern auch an den Vorratsmengen in den Stauseen gekoppelt. Je geringer die Vorräte, desto teurer das Wasser. Ausgenommen waren lediglich sozial Schwache in den Townships. Bis zu 6.000 Litern war für die dortigen Haushalte das Wasser kostenlos.
Wasserkrise scheint überwunden. Die Speicher sind wieder voll.
Jetzt ist die Krise sichtbar überwunden, Die Wasserstände in den Stauseen rund um Kapstadt liegen bei 100,8 Prozent. Anhaltende Regenfälle und kollektives Wassersparen führten zu dem deutlichen Anstieg der Vorräte. Dafür mehrt sich jetzt Kritik an der Höhe der Wasserpreise. Diese sanken zwar angesichts der Staffelung mit steigenden Vorratsniveaus, aber nicht so stark, dass sich dies in Haushaltsbudgets der Kapstädter bemerkbar machten. Viele halten die Preise nunmehr für überhöht. Da die Anreize zum Wassersparen nicht mehr erforderlich seien, müssten die Preise gesenkt werden, lautet eine Forderung.
„Day Zero“-Preise bestraften zu hohen Wasserverbrauch
Hier lohnt ein Blick auf die Systematik: Vor der Krise hatte Kapstadt ein völlig unspektakuläres Preissystem bestehend aus einem Verbrauchspreis und einem fixen Preis. Dann kam 2018 die Krise und man erkannte die Anreizwirkung der Wasserpreise. Um diese richtig wirken zu lassen, wurden die Preise nicht nur einfach erhöht, es wurden auch progressive Staffeln für „Vielverbraucher“ eingeführt. Betrug bei einem Verbrauch von bis zu 6.000 Liter jährlich der Wasserpreis im „50%-Water-Saving-Tariff“ für einen Vierpersonen-Haushalt im Krisenjahr 2018/19 ca. 24 Rands je Kubikmeter (umgerechnet 1,23 Euro), musste angesichts der Progression für das Überschreiten des “Vielverbraucher“-Schwellenwertes von 35.000 Litern rund 345 Rands (17,64 Euro), also das 14-fache, gezahlt werden.
Eine Kapstädter Besonderheit war, dass sich diese Preisstruktur mit den Vorratsständen in den Stauseen veränderte. Mittlerweile veränderten sich daher diese Preislevels auf das niedrigste Niveau. Von dem restriktiven Preislevel 5, als „Day Zero“ drohte und die Nicht-Sparer quasi bestraft wurden, sanken in den nunmehr entspannten Level 1. Somit sind im aktuell geltenden „10-Percent-Reduction-Tariff“ für mehr als 35.000 Liter nur noch 79 Rands zu zahlen, statt 345 Rands, und nur noch 17 für die 6.000 Kubikmeter, statt 24 Rands.
Schon im Oktober 2018 waren viele Restriktionen gelockert worden, das „Krisen-Wasserpreissystem“ blieb aber weiterhin gültig. Es kann daher nicht überraschen, dass die Bürger nun geringere Preise fordern, schließlich wurden die mit den Anreizen verbundenen Sparziele erreicht (zunächst einmal).
Bevölkerung und Wirtschaft klagen über zu hohes Preisniveau
Nicht zuletzt auf den Druck der Bevölkerung und von Wirtschaftsvertretern hin, plant die Stadtregierung nun angesichts der Entspannung für das folgende Jahr eine Änderung der Wassertarife. Das aber dürfte gar nicht so einfach sein – und vielleicht auch gar nicht gewollt. Weil sie aus der Kombination hoher Preise und steigenden Wasserverbrauch zu hohe Gewinne erzielt und vielen einkommensschwachen Bevölkerungsschichten zu hohe Wasserkosten anlastet, wollen viele, dass die Wasserpreise gesenkt werden. Anderseits braucht die Stadt steigende Finanzierungsmittel für die dringend notwendigen Modernisierungsinvestitionen und für den Ausbau der Infrastruktur sowie nicht zuletzt angesichts der starken Zuwanderung indigener Bürger in die Stadt, die das Trinkwasser bis zu einer bestimmten Menge kostenlos erhalten. Daher verweist die Stadt auf den Bedarf, die Einnahmen mindestens hoch zu halten, wenn nicht sogar zu steigern. Würde sie das Preisniveau zu stark absenken, könnten neben den Auswirkungen auf die Investitionsbudgets auch die erreichten Wassersparanstrengungen wieder erlahmen, befürchten die Verantwortlichen. Dem halten Experten entgegen, dass die gesellschaftlichen Gruppen ihren Beitrag geleistet hätten. Der hohe Wasserverbrauch war bekanntlich auch dem schlechten Zustand der Wasserversorgungsanlagen geschuldet, durch die viel Wasser verloren gegangen waren.
Zudem hätten die anhaltend hohen Wasserpreise Teile der Wirtschaft bereits stark getroffen. Der Tourismussektor habe neben den hohen Wasserkosten insbesondere unter der negativen internationalen Medienberichterstattung über den „Day Zero“ gelitten. So seien die Touristikeinnahmen in 2018 im Vergleich zu 2017 um bis zu 30 Prozent zurückgegangen, ermittelte eine Studie. Die Autoren der Studie warnen davor, dass eine neuerliche Krise in der Aussenwirkung moderater kommuniziert werden müsse, um nicht erneut der Wirtschaft im Allgemeinen und dem Tourismussektor im Besonderen zu schaden. Gewarnt werden auch andere Weltregionen, die von den Erfahrungen in Kapstadt lernen könnten, mit einer derartigen Krise weniger dramatisch umzugehen. Das könnte auch Investoren auf Dauer verschrecken.
Jetzt muss das richtige und gerechte Preisniveau für Kapstadt gefunden werden
Die Herausforderung in Kapstadt liegt jetzt darin, das richtige Preisniveau zu finden. Bürgermeister Don Plato beschreibt das Problem: “Sollten die Bürger ihre Sparanstrengungen reduzieren, würde der damit steigende Wasserabsatz die Stadt bei der Kostendeckung unterstützen während diese die Tarife vom zweitniedrigsten auf das geringste Niveau senken könnte.“
Bei der jetzt notwendigen Überarbeitung der Wasserpreise in Kapstadt eine Balance zwischen den vielfältigen Interessenlagen und Erfordernissen zu finden, dürfte angesichts des Damokles-Schwert des Klimawandels und einer neuerlichen Trockenheit nicht einfach sein. Dennoch fordern die Bürger und die Wirtschaft eine Anpassung – sie wollen gerechte Wasserpreise. Darin zeigt sich aber auch das Problem von „anreizorientierten Wasserpreisen“ für die Bevölkerung und für die Planungssicherheit auf Seiten des Versorgers. Reagieren die Kunden im eigentlich gewollten Maße, sinkt nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Erlöse. Die Preise müssen sich dann bewegen können, damit eine Ausgewogenheit bei Erlösen und Kosten entsteht. Die Herausforderung wird am Ende darin bestehen, das womöglich einmal gefundene Gleichgewicht auf Dauer zu halten.
Quellen/Weiterführendes
- Consultations around Cape Town water tariffs under way, EngineeringNews.co.za, 7.10.2020
- City of Cape Town could lower water tariffs soon,
- After nearly running out of water in 2018, Cape Town dams are now overflowing, CNN, 5.10.2020
- What the tourism sector can learn from Cape Town’s drought, eNCA, 27.9.2020
- Residential Water Tariffs Cape Town 2018/19
- Residential Water Tariffs Cape Town 2020/21
- Wasser in Metropolen – Kapstadts Kampf gegen sinkende Wasserpegel, LebensraumWasser, 8.3.2017
- Kapstadts „Day Zero“ fällt aus. Was wir für „unseren Klimawandel“ daraus lernen können, LebensraumWasser, 26.9.2018
Progressive Wasserpreise sind ein spannendes Modell: Wenn jemand seinen Rasen mit Trinkwasser wässern möchte, kostet das mehr. Wenn wenig Wasserdargebot verfügbar ist auch. Eine einfache Logik. Sozial Schwächere müssen natürlich geschützt werden. Aber auch daran wurde gedacht. Bin gespannt, ob wir so etwas in Deutschland auch noch sehen werden…
„Dynamische Preissysteme gekoppelt an digitalen Zählern“ sollten auch in der deutschen Wasserwirtschaft bald zu finden sein. Allerdings sollten die Preiselastizitäten der Nachfrage bei Haushaltskunden nicht überschätzt werden. Zudem stellt sich die Frage, wie „Sozial Schwächere“ definiert werden. Bei Gewerbekunden stellt sich die Problematik weniger herausfordernd dar. Wir haben da so unsere Erfahrungen….