Den ersten Beitrag des neuen Jahres möchte ich etwas Positivem widmen. Trotz der global-ökonomischen Verwerfungen dürfte „Nachhaltigkeit“ für die Wirtschaft ein immer wichtiger werdender Wettbewerbs- und Akzeptanzfaktor werden – auch für die Wasserwirtschaft. Um „Greenwashing“ zu verhindern und die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, hatte die EU mit der sogenannten CSRD-Richtlinie eine sehr umfassende Berichterstattung für die Nachhaltigkeit geregelt. Auch davon ist die Wasserwirtschaft per se betroffen. Allerdings halten Industrie und mittlerweile auch die Bundesregierung den damit verbundenen Aufwand für unvertretbar. Vier Bundesminister haben sich daher am 17. Dezember mit einem Schreiben an die EU gewandt, um eine Vereinfachung bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erreichen. Ungeachtet dessen dürften kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die als quasi „verlängerter Arm“ ihrer berichterstattungspflichtigen Stakeholder berichten müssen, von einer neuen Regelung, die ebenfalls kurz vor Weihnachten kam, profitieren. „Hilfe zur Selbsthilfe“ kommt auch aus der Wasserwirtschaft selbst. Eine verbändeübergreifende Arbeitsgruppe arbeitet sei mehr als einem Jahr an einem Leitfaden für die Wasserwirtschaft. Die am 20. Februar stattfindende wasserökonomische Konferenz, die Mülheimer Tagung, kann vielleicht schon Reaktionen aus Brüssel vermelden. Spannend dürfte aber neben Stimmen und Stimmungen aus der Wasserwirtschaft auch der Vortrag zum besagten Leitfaden sein.
Auch im Jahr 2025 dürften mir die Themen für LebensraumWasser nicht ausgehen. Bleiben wir also weiterhin „gesund und zuversichtlich“.
Nachhaltigkeitsberichterstattung ist kein neues Thema
Zwar wird das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung schon seit mehr als drei Jahren intensiv diskutiert, mit fortschreitender Konkretisierung der Berichterstattungsstandards und Anforderungen wurde die Belastung der Wirtschaft sichtbar. Davon ist auch die Wasserwirtschaft nicht ausgenommen.
Die Beratungsdienstleister haben sich bereits auf den massiven Unterstützungsbedarf der Wirtschaft eingestellt, Nachhaltigkeitsmanager stoßen auf lukrative Arbeitsplatzangebote. Für die globale wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas bleibt die im Januar 2024 in Kraft getretene CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainablity Reporting Direktive) allerdings nicht folgenlos bleiben. So kommt die Folgenabschätzung der CSRD für die nationale Umsetzung auf Zusatzkosten in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für deutsche Unternehmen. Dabei zielt das Bürokratieentlastungsgesetz auf eine Kostensenkung ab. Nach massiver Kritik aus der deutschen Wirtschaft an dem sich abzeichnenden „Bürokratiemonster“ hatte der ehemalige Bundesjustizminister Marco Buschmann im September 2024 die Verhandlungen über die europäischen Regeln für Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen aufgenommen, um Entlastungen bei der Erfüllung durch die Wirtschaft zu erreichen.
Bundesminister schlagen Optionen zur Vereinfachung vor
Nach dem „Aus der Ampel“ haben die Bundesminister Wissing, Kukies, Habeck und Heil das Thema wieder aufgenommen und in einem Schreiben an die zuständigen EU-Kommissare kurz vor Weihnachten fünf Optionen zur Vereinfachung vorgeschlagen:
- Aufschiebung der Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für „große“ Unternehmen um zwei Jahre.
- Anhebung der Schwellenwerte für das Größenkriterium der „großen“ Unternehmen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung.
- Vermeidung der Einführung schwerfälliger sektorspezifischer Standards (ESRS Set 2); stattdessen sollte ein geeigneterer und sinnvollerer Ansatz gewählt werden entwickelt.
- Gezielte Maßnahmen zur Verringerung des Trickle-down-Effekts in der Wertschöpfungskette.
- Erhebliche Reduzierung der Datenpunkte und Inhalte des ESRS.
Schon Anfang November hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Verordnung angekündigt, mit der die bestehenden und künftigen ESG-Berichtspflichten gebündelt werden sollen. Dabei hatte sie unter anderem eingeräumt, dass die Masse der Datenpunkte für die Nachhaltigkeitsberichte oft redundant und überlappend seien. Bereits im ersten Halbjahr 2025 sollten demzufolge „konkrete Vorschläge zur Reduzierung der Berichtspflichten um mindestens 25 Prozent“ vorliegen. Gleichwohl betonte sie dass, dass die Inhalte der Richtlinien und Verordnungen im Kern erhalten bleiben sollen.
Am 17. Dezember 2024 legte die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), die die Europäischen Kommission, bei der Ausgestaltung der Berichterstattung berät, einen vereinfachten Standard für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung durch nicht kapitalmarktorientierte Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor, den sogenannten „VSME“-Standard, vor. Dieser könnte für all jene bedeutsam sein, die nicht qua Gesetz, aber durch Anforderungen ihrer Stakeholder, welche dagegen dem Gesetz gemäß der EU-Richtlinie folgen müssen, freiwillig Berichte erstellen (müssen), gewissermaßen eine „KMU-light“-Version.
„Wasser“ ist in vielen Unternehmen ein wesentliches Thema für die Berichterstattung
In Abhängigkeit von einem auf unterschiedlichen Schwellenwerten basierenden mehrstufigen Prozess sollen die Unternehmen verpflichtet werden, über Nachhaltigkeitsaspekte zu berichten. Dabei spielt aus zwei Blickwinkeln auch das Wasser eine wichtige Rolle. So müssen Unternehmen, die die Schwellenwerte überschreiten und bei denen Wasser eine wesentliche Bedeutung für ihre unternehmerischen Aktivitäten oder für die Umwelt hat, im Rahmen der jährlichen Berichterstattung detailliert darüber berichten, welche Chancen und Risiken sie ausgesetzt sind und wie sie damit strategisch umgehen wollen. Zum anderen sind Wasserversorgungsunternehmen ebenfalls ab bestimmten Schwellenwerten zur Berichterstattung verpflichtet. Zwar ist der Kreis der Berichterstattungspflichtigen angesichts der Kleinteiligkeit der deutschen Wasserwirtschaft nicht zu groß, aber die verbleibenden Unternehmen trifft es hart. Um diesen Hilfestellung zu geben, hatte sich im vergangenen Jahr eine verbändeübergreifende Arbeitsgruppe innerhalb der Wasserwirtschaft gebildet, um den Unternehmen mit einem Leitfaden Hilfestellung zu geben. Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) von Unternehmen war 2022 verabschiedet worden und trat im Januar 2024 in Kraft. Es änderte den bisherigen Rahmen der EU für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen durch Unternehmen, die nicht im Finanzsektor tätig sind. Damit wurde ein breiteres Spektrum von Unternehmen in den Geltungsbereich der Vorschriften aufgenommen. Die Umsetzung der Vorschriften soll über einen Zeitraum von zwei Jahren erfolgen. Kleinere Unternehmen sollen 2027 erstmals über ihre Aktivitäten von 2026 berichten.
Deutsche Wasserwirtschaft bereitet sich auf Berichterstattungspflichten systematisch vor
Das Vorgehen der deutschen Wasserwirtschaft dürfte sich ungeachtet des Ausgangs der Initiative der Bundesminister auf Dauer auszahlen. Denn damit sich die künftigen Anforderungen für die Unternehmen der Wasserwirtschaft gut bewältigen lassen, haben sich BDEW, DVGW, DWA und VKU in einer verbändeübergreifenden Arbeitsgruppe zusammengefunden und erarbeiten einen gemeinsamen Leitfaden. Dieser soll den wasserwirtschaftlichen Unternehmen eine Hilfestellung liefern, sowohl wenn sie direkt nach CSRD und Taxonomie berichterstattungspflichtig werden, also auch für solche Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten ungeachtet einer gesetzlichen Verpflichtung auf Anfrage von Kapitalgebern, Auftraggebern oder der öffentlichen Hand ebenfalls offenlegen müssen. Ziel der verbändeübergreifenden Arbeitsgruppe ist es daher eine praxistaugliche Handlungsorientierung zur Umsetzung der verbindlich vorgeschriebenen ESRS zu geben, an welcher sich jedes einzelne Unternehmen individuell orientieren kann.
Das Beispiel der Wasserwirtschaft zeigt, dass ein branchenintern gemeinschaftlich erarbeiteter Leitfaden und ein abgestimmtes Vorgehen nicht nur viele Anfangsfehler bei den Unternehmen verhindern könnte, sondern die Einheitlichkeit von Definitionen, Kennzahlen und Erläuterungen auch einen „Flickenteppich“ vermeiden kann. Meine Gespräche mit der verbändeübergreifenden Arbeitsgruppe der Wasserwirtschaft und mit Wasser- und Abwasserunternehmen sowie Beratungen machen deutlich, wie groß die Unsicherheit und Befürchtung einer Überlastung angesichts der Berichterstattungspflichten sind. Und das zu einer Zeit, in der die zahlreichen neuen Gesetze und Verordnungen, wie die Trinkwassereinzugsgebiets-Verordnung oder die Kommunalabwasserrichtlinie, um nur zwei zu nennen, sowie die massiven Investitionen und ökonomischen Herausforderungen schon steigende Belastungen erzeugen. Zwar hat sich die Beraterzunft auf die Anforderungen der Unternehmen eingestellt, aber letztendlich werden die Arbeiten in den Unternehmen von dafür – zumeist erst noch einzustellenden – NachhaltigkeitsmanagerInnen bewältigt werden müssen. Das soll nicht heißen, dass grundsätzliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit an der Nachhaltigkeitsberichterstattung bestehen, aber deren Umfang sollte angesichts der herausragenden Rolle der „kritischen Infrastruktur“ in der Abwägung von Nutzen und Aufwand der bestehenden Regeln noch einmal einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Denn noch liegen die so genannten „sektorspezifischen Standards“ der Berichterstattung für die Wasserwirtschaft noch gar nicht vor – sie werden erst 2026 erwartet. Schon allein die Wesentlichkeitsanalyse bringt viele aus der Wasserwirtschaft die Grenzen des Machbaren. Dabei könnte noch einiges auf die ehedem schon von Kosten- und Preisdruck, der Vielzahl neuer Gesetze und Regularien sowie steigenden Personalproblemen gebeutelten wasserwirtschaftlichen Unternehmen zukommen. Es bleibt zu hoffen, dass die EU ein Einsehen hat und die Anforderungen gemildert werden.
Die 4. MÜLHEIMER TAGUNG stellt unter dem Titel „Nachhaltigkeit – Transformator in eine zukunftsfähigere Wasserwirtschaft“ den Themenkomplex in den Mittelpunkt der Wasserökonomischen Konferenz . Am 20. Februar 2025 werden sich daher BranchenvertreterInnen und externe ExpertInnen zum Erfahrungsaustausch treffen. Das wird eine gute Gelegenheit sein, sich mit dem Branchenleitfaden der Wasserwirtschaft vertraut zu machen – der wird dort nämlich vorgestellt. Vielleicht sehen wir uns ja dort.
Quellen und Weiterführendes
- Programm der Mülheimer Tagung 2025
- Weshalb sich die Wasserwirtschaft mit ihrer ESG-Nachhaltigkeit befassen sollte, LebensraumWasser, 2023
- Schwellen für das ESG-Nachhaltigkeits-Reporting werden gesenkt. Damit wird auch die Wasserwirtschaft erfasst, LebensraumWasser, 2022
- Standard für freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung, KPMG, 12.2024
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