Weshalb sich die Wasserwirtschaft mit ihrer ESG-Nachhaltigkeit befassen sollte

„Nachhaltigkeit“ ist in der Wasserwirtschaft nicht ein Thema für das gute Gewissen, sondern in vielerlei Hinsicht von Bedeutung für ihre Zukunftssicherung. Deshalb sollten sich die Unternehmen zeitnah damit auseinandersetzen. Das „Warum“ und „Wie“ beschreibt dieser Beitrag.

Nachhaltigkeit sollte als Chance verstanden werden

Bei “ESG” geht es im folgenden nicht um einen europäischen Gesangswettbewerb, bei dem Deutschland regelmäßig letzter wird, sondern wie und warum sich Unternehmen der Wasserwirtschaft zukunftsfähig machen und dies transparent darstellen sollten. Es geht um die Transformation in eine nachhaltige und sichere Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge. Das ist in Zeiten des Klimawandels wichtiger denn je. Der Beitrag beschreibt die Gründe und Herausforderungen, aber auch sich bietende Hilfestellungen bei der Bewältigung einer Aufgabe, der sich letztendlich kaum eine Unternehmen wird entziehen können.

Die ESG-Konformität („Environmental, Social, Governance“) ist in vielen Wirtschaftssektoren schon ein Top-Thema. Diese wird auch für die Unternehmen aus der Wasserwirtschaft immer wichtiger. Ungeachtet dessen, dass die Branche per se nachhaltig mit der Ressource Wasser umgehen muss, geht es bei ESG um weit mehr als das. Umwelt, Sozialfaktoren und unternehmerische Verantwortung, dieser Themenkanon geht weit über die Ressource Wasser hinaus. Es geht nicht nur um Strategiepapiere und Planungen, die letztendlich in den Schubladen landen und ein gutes Gewissen machen, die Nachhaltigkeit wird künftig die bisherige “nicht-finanzielle Berichterstattung” ersetzen und Teil der Jahresabschluss-Veröffentlichung sein, so will es die EU mit der CSRD-Richtlinie (die sich in einen Umsetzungsfragen noch in der Abstimmung befindet). “Transparenz” wird künftig auch in der Wasserwirtschaft anders definiert werden. Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr. “Greenwashing” löst Fremdschämen aus. Weil Kommunen sich immer stärker ESG-nachhaltig ausrichten, werden sie das auch von ihren Beteiligungen, Eigenbetrieben und Konzessionsnehmern fordern. Der alleinige Blick auf die rechtlichen Anforderungen und die dortige Suche nach der “Nicht-Betroffenheit” führt in eine Sackgasse. Die Beachtung der ESG-Regeln und die Berichterstattung über deren Einhaltung wird künftig nicht allein unmittelbar durch die Gesetze bestimmt, sondern von der Einflussstärke der Stakeholder. Darunter ist immer einer der genau hinschauen muss. Auch die Geldgeber selbst müssen ihrerseits Rechenschaft über Investitionen und Beteiligungen ablegen. Schon heute werden Unternehmen, die nicht ESG-konform sind, von einigen Fonds kategorisch abgelehnt.

Das Einzige, was die Wasserwirtschaft zum Greenwashing beitragen sollte, ist das Wasser.

Treiberkräfte und Kommunikationskanäle für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Wasserwirtschaft (Abb.: Gendries)

ESG-Transparenz stärkt das Spitzen-Image der Wasserwirtschaft

Aber auch aus Eigeninteresse wird es ohne ESG nicht mehr lange gehen. Die Wasserwirtschaft kämpft gegen die Überalterung der Belegschaft. Die Nachwuchsgeneration sucht verstärkt nach “sinnhaften Tätigkeiten”. Sie will ihre aktiv Zukunft mit gestalten; die natürlichen Lebensräume werden ihr zunehmend wichtiger. Sie misst ihr Engagement und ihr Involvement am Impact. Die Wasserwirtschaft schützt und nutzt die aquatische Umwelt. So hat sie bei der Generation Z und Generation Y eigentlich einen “Standortvorteil”. Dieser muss mit Transparenz und Glaubwürdigkeit verstärkt werden. Das gleiche gilt für die Einbindung von Frauen in die Unternehmen. Das Themenfeld “social” macht den Betrieb interessanter für Nachwuchs- und Spitzenkräfte, denn es verleiht der Unternehmenskultur ein positives Image. Dabei ist das Image der Wasserwirtschaft schon jetzt Spitze. Das bestätigt auch der führende Marktforscher, Dr. Uwe Pöhls vom I.E.S.K. Seit 15 Jahren befragt der Düsseldorfer für den VKU und viele Wasserversorger die Verbraucher zu Wasserthemen. “Die Wasserwirtschaft hat schon seit jeher Spitzenwerte beim Image. In diesen unsicheren Zeiten, wo viele Institutionen an Glaubwürdigkeit verlieren, ist sie ein Rettungsanker des Vertrauens”, beschreibt der Experte die Gemütslage der Deutschen, “wenn die Wasserwirtschaft transparenter wird, kann sie wenn es um Nachwuchskräfte oder Preisakzeptanz geht, davon profitieren.”

„Wasser-Stress“ in Deutschland wird für internationale Investoren wichtiger

Wasser hat eine Risikodimension. Immer intensiver schauen Kapitalgeber und Investoren zumal mit internationalen Wurzeln auf die qualitativen, quantitativen und regulatorischen Risiken beim Wasser – auch in Deutschland. Wie DER SPIEGEL in seiner Titelstory soeben berichtete, war Deutschland bisher ein “Garant der Wasserverfügbarkeit”. Das wandelt sich schrittweise. Daher wird der Blick von aussen kritischer. Institutionen wie GDP Water, hinter denen globale Finanzinstitutionen stehen und die die von der NGO die Welt nach Investitionsrisiken ausloten lassen, oder das World Ressource Institute, das mit seinem WaterRiskAtlas die Wasserrisiken von Algorithmen ermitteln lässt, ebenso der WWF mit seinem WaterRiskFilter, machen die Veränderungen beim Wasserrisiko in Deutschland für den Finanzmarkt und die Öffentlichkeit transparent.

Wasserstressgebiete in Deutschland gemäß WaterRiskAtlas des WRI (Stand 26.7.2023)
Wasserstressgebiete in Deutschland gemäß WaterRiskAtlas des WRI (Stand 26.7.2023)

Es stellen nicht nur umwelttechnisch problematische Unternehmen ein finanzielles Risiko für Investoren dar, sondern auch solche, die von potenziellen Engpässen bei ihren Kernressourcen bedroht sind oder denen die Behörden ihre Rechte beschneiden. Wenn es so ist, dann müssen die richtigen Strategien her, die zielgerichteten Maßnahmen aufgesetzt und die Vorgehensweise und die Ergebnisse transparent dargestellt werden. Die Wasserwirtschaft kann, besser sollte, mit ihren Berichten aufzeigen, was sie leistet, um mögliche Stressfaktoren beim Wasser zu mindern. Da kommen beispielsweise dem Wasserverlustmanagment und der Brauchwasserbereitsstellung, um nur zwei Beispiele zu nennen, große Bedeutung zu.

Wasserwirtschaft erwartet die Nachhaltigkeitsberichterstattung noch nicht mit offenen Armen

Den Unternehmen der Wasserwirtschaft mangelt es wahrlich nicht an Herausforderungen und Problemen, wohl aber an Fachkräften. Es fehlen die ExpertInnen, die die Daseinsvorsorge am Laufen halten. “Jetzt auch das noch”, höre ich von einem kräftigen Stoßseufzer begleitet, in Gesprächen mit den Unternehmenslenkern. Je kleiner das Unternehmen, umso lauter das Stöhnen. Viele insbesondere mittelständische und kleine Unternehmen sind überfordert bei einem Prozess, der nicht nur für sie, sondern für die gesamte Branche, genau genommen sogar für die gesamt Wirtschaft neu ist. Wer, wie ich, zehn Jahre in der strategischen Planung eines Utilities-Konzerns gearbeitet hat, dem sind die Prozesse und Dynamiken bei der Formulierung strategischer, abstrakter Unternehmensziele und von Maßnahmen zur Zielerreichung sowie das spätere Monitoring nicht fremd. Leider mangelt es vielen Wasserversorgern nicht nur am methodischen Know-how, komplexe Transformationsprojekte anzugehen, ohne das Tagesgeschäft aus dem Blick zu verlieren, sondern insbesondere an personellen Ressourcen.

Aber es gibt Hilfestellungen, denn das Thema Nachhaltigkeit hat in der Politik, der Gesellschaft und in der Wirtschaft allerhöchste Priorität. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) unterstützt die Unternehmen beim Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie und bietet einen Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit Hilfe einer digitalen Plattform werden die Unternehmen von der DNK durch die Anforderungen geführt. Sie erhalten Hilfestellungen bei der Strukturierung der strategischen Prozesse, die zu einer ESG-Berichterstattung führen, die für die Stakeholdererwartungen zu erfüllen. So erstellen Anwender in der Datenbank eine Erklärung zu zwanzig DNK-Kriterien und den ergänzenden nichtfinanziellen Leistungsindikatoren der Nachhaltigkeit.

Fachveranstaltung MÜLHEIMER TAGUNG und DNK bieten Unterstützung

Am 1. Februar 2024 findet die 4. MÜLHEIMER TAGUNG statt. Als Organisatoren ist es gelungen, diese Konferenz zu einem Vordenker-Event für wasserökonomische Fragen zu etablieren. Daher war es nur folgerichtig, auch das Thema Nachhaltigkeit mit den ESG-Facetten aufzugreifen. Mit dem Titel „Nachhaltigkeit – Transformator in eine zukunftsfähigere Wasserwirtschaft“ unterstreicht die MÜLHEIMER TAGUNG, dass sie diesem Selbstverständnis treu bleiben will. Einen ganzen Tag lang werden Experten aus dem Bereich Nachhaltigkeit die Perspektiven der Wasserwirtschaft an den Herausforderungen und Erfahrungen anderer Branchen und Stakeholder bei der ESG-Thematik spiegeln.

Ende Juni “feierte” der DNK den 1.000 deutschen Teilnehmer, darunter weniger als zwanzig Unternehmen aus der Wasserwirtschaft. Aber es werden mehr. Die Branchenverbände begleiten die Standardsetzung der EU, bei der die Anforderungen an die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit definiert werden. Jetzt wurde der 16. Deutsche Nachhaltigkeitspreis 2023 ausgeschrieben. Darunter wurden zehn Unternehmen aus der Wasserwirtschaft nominiert. Von einer Fachjury wurde die Hessenwasser beispielsweise als Vorreiter der Transformation in der Branche Wasserversorgung gewählt. “Basis für die erste Bewertung”, so berichtet der Unternehmenssprecher Hubert Schreiber, “waren unsere veröffentlichten Nachhaltigkeitsinformationen und die Fachexpertise der Juroren”. Die Preisverleihung findet am Donnerstag, dem 23. November 2023, in Düsseldorf statt. Möglicherweise steht auch ein Unternehmen auf dem Siegertreppchen.

Quellen / Weiterführendes

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  1. Count down läuft! Unternehmen müssen über Nachhaltigkeit berichten. Konferenz-Tipp! - LebensraumWasser - Siegfried Gendries

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