Studie belegt Risiken für die Trinkwasserversorgung bei Abgrabungen in Wasserschutzgebieten

Wird die Trinkwasserqualität bedroht, wenn ein neues NRW-Landeswasserrecht Kiesabgrabungen in Wasserschutzgebieten nicht mehr verbietet?

Die NRW-Landesregierung beabsichtigt, das bestehende Abgrabungsverbot in Wasserschutzgebieten aufzuheben. Wasserversorger sehen dadurch die Trinkwasserqualität gefährdet. Während die Versorgungssicherheit in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger wird, könnte der Kiesabbau die Wasservorräte beeinträchtigen. Diese Befürchtungen werden durch ein Fachgutachten jetzt bestätigt, teilt der betroffene Wasserverbund Niederrhein (WVN) in einer Stellungnahme mit.

Wasserverbund als Garant für die nachhaltige Versorgungssicherheit am Niederrhein

In der Neufassung des Landeswassergesetzes (LWG) NRW ist die Streichung des Abgrabungsverbotes in Trinkwasserschutzgebieten vorgesehen – Anlass für den Wasserbund Niederrhein (WVN) die potenziellen Risiken zu bewerten.

Der WVN verfügt mit dem Binsheimer Feld in Duisburg Baerl und dem Gindericher Feld in Wesel über zwei ausgewiesene Trinkwasserschutzgebiete. Beide Gebiete haben Geländesenkungen durch Salz- und Kohlebergbau erfahren. Als Folge sind hier dauerhaft Wassermengen zu fördern, die nach den Zielen der Landes-und Gebietsentwicklungsplanung nachhaltig zur Sicherung der Trinkwasserversorgung am linken Niederrhein genutzt werden sollen. Das Binsheimer Feld wird bereits seit 35 Jahren zur Deckung des Trinkwasserbedarfs örtlicher Versorgungsunternehmen genutzt. Zu den Kunden des WVN gehören die ENNI, die Stadtwerke Kamp-Lintfort und die KWW Kommunale Wasserwerke im Kreis Wesel, aber auch mehrere Gemeinden im Kreis Kleve und die Stadtwerke Duisburg. Für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Wasserversorgung am Niederrhein dient das Gindericher Feld als Wasserreservegebiet. 

Wasserschutzgebiete des WVN am Niederrhein (Q.: WVN / Screenshot AppleKarten)

Klimawandel steigert den Bedarf an gesicherten Wasserressourcen

Wie die vergangenen Sommer gezeigt haben, sind ausreichende und gesicherte Wasserressourcen sowie leistungsfähige Leitungsverbünde existenziell für die Lebensqualität und Wirtschaftskraft einer Region. Für den linken Niederrhein hat der WVN diese Aufgabe übernommen. So gehören dort zahlreiche Versorgungsunternehmen zum Gesellschafterkreis des WVN. Von ihnen hängt die Trinkwasserversorgung von rund zwei Millionen Menschen ab. Das unterstreicht auch Thomas Oertel, Geschäftsführer des WVN: „Gerade unter den Aspekten des Klimawandels wächst die Bedeutung von Trinkwasserschutzgebieten und Reservegebieten für die Trinkwassergewinnung. Nur sofern diese Gebiete dauerhaft vor potenziellen Gefährdungen geschützt werden, ist auchdauerhaft die Deckung des Trinkwasserbedarfes in der Region gesichert.“ 

Gutachten soll Risiken für das Trinkwasser durchleuchten

Aber eben jene Sicherheit steht jetzt auf dem Spiel. In den kommenden Wochen wird an einer Änderung des Landeswassergesetzes gearbeitet. Darin ist eine Streichung des Abgrabungsverbotes in Wasserschutzgebieten vorgesehen. Auch die landesweite Wasserschutzgebietsverordnung wird gegenwärtig überarbeitet. Für die anstehende Diskussion über die möglichen Auswirkungen der Änderungen auf die Versorgungssicherheit hat der WVN das IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasser Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH beauftragt, die potenziellen Risiken von Abgrabungen in Trinkwasserschutzgebieten zu untersuchen. Die Ergebnisse hat das Institut heute vorgestellt.

Schutz des Grundwassers wird durch Abgrabungen bedroht

Bei den am Niederrhein üblichen Nassabgrabungen handelt es sich nach dem Wasserhaushaltsgesetz um unmittelbare Eingriffe in das Schutzgut Grundwasser. Die Fachgutachter machten deutlich, dass die Entfernung der schützenden Deckschichten und das Freilegen des Grundwassers stets ein Risikopotenzial darstellt, das zunimmt, je mehr man sich den Förderbrunnen nähert. Abbauprozesse von im Trinkwasser unerwünschten Substanzen durch im Boden lebende Mikroorganismen finden nicht mehr statt. Der direkte Kontakt von Luft und Wasser erhöht die Eintragswahrscheinlichkeit atmosphärischer Schadstoffe. Die Schaffung eines See-Ökosystems birgt das Risiko von Parasiten, Viren und Bakterien sowie durch Cyanobakterien produzierte Toxinenim Grundwasserleiter. Das den Baggersee durchströmende Grundwasser erfährt ein großes Spektrum an chemischen, physikalischen und biologischen Veränderungen, die dauerhaft sorgfältig zu beobachten sind. Mögliche Folge: Die technischen Anforderungen und damit auch die Kosten der Trinkwasseraufbereitung steigen, was letztendlich in höheren Wasserpreisen mündet oder sogar zur Schließung von Brunnenanlagen zwingen kann.

Risiken von Abgrabungen sind größer als vielfach vermutet

Die Gesamtwertung der vielen Risiken zeigt, dass Abgrabungen in Wasserschutzgebieten generell nicht akzeptabel und daher weitere Kiesgruben neben den bereits bestehenden auch nicht tolerierbar sind“ fasst Dr. Franz Josef Schulte, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wasserverbund Niederrhein GmbH, die Diskussion zusammen. Die Studie hat gezeigt, dass die Risiken größer sind als vielfach vermutet. Das ist umso bedrohlicher, als angesichts des Klimawandels die Herausforderungen für die Trinkwassergewinnung zunehmen. Der WVN will daher im Interesse seiner Kunden und einer sicheren Wasserversorgung die Öffentlichkeit und die Politik über die möglichen Folgen von Abgrabungen in Wasserschutzgebieten aufklären. Soweit die Stellungnahme des WVN.

Hat die Studie Auswirkungen auf die parlamentarischen Beratungen?

Im Koalitionsvertrag hatten sich die NRW-Regierungsparteien auf eine Korrektur des Landeswassergesetzes verständigt, um mit der Aufhebung des Bodenschatzgewinnungsverbots in § 35 Absatz 2 LWG die Erschwerungen für den Rohstoffabbau im Wasserbereich wieder zurückzunehmen. Zukünftig soll die Einzelfallprüfung für Rohstoffgewinnung in Schutzzone III wieder zugelassen werden. Die Wasserwirtschaft sprach sich bei Vorlage des Gesetzesentwurfs im Frühsommer gegen die Aufweichung auf, weil sie Beeinträchtigungen des Wasserschutzes befürchtete. Zu recht, wie das IWW-Gutachten laut WVN dokumentiert.

Die Parlamentarier könnten jetzt in eine Zwickmühle kommen. Die IHK NRW, nicht gerade einer großen Distanz zu wirtschaftlichen Aktivitäten verdächtig, hat in einer Stellungnahme die Streichung des Abgrabungsverbotes in Wasserschutzgebieten begrüßt, „soweit es durch die Gewinnungsmaßnahmen zu keiner Beeinträchtigung der Wasserqualität und Wasserquantität im Sinne der wassernutzenden Unternehmen kommt“. Insoweit darf man gespannt sein, wie mit den Ergebnissen der IWW-Studie in den anstehenden Beratungen um Umweltausschuss jetzt umgegangen wird.

Gegen den Kiesabbau hatten sich auch schon mehrere Bürgerinitiativen, Parteien und Umweltschutzverbände ausgesprochen. Der „Niederrhein Appell“ dürfte angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen in NRW zunehmend Gehör finden – umso mehr mit dieser Studie.

Quellen/Weiterführendes

Beitragsfoto: Gendries

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