Fördert der Klimawandel das Risiko von Infektionen durch Vibrionen in der Ostsee?

Ostsee

Der Sommer bringt steigende Wassertemperaturen mit sich, aber die möglichen Freuden über die aktuell 22 Grad in der Ostsee könnten getrübt werden. Denn mit den steigenden Temperaturen nimmt für Badegäste mit Vorerkrankungen ein bisher nur wenig bekanntes Infektionsrisiko zu: Vibrionen. Das sind Bakterien, bei denen Infektionen – wenn auch selten – einen tödlichen Ausgang nehmen können. Sie treten in schwach salzhaltigem Meerwasser bei steigenden Temperaturen vermehrt auf. Die Gesundheitsministerien Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns sensibilisieren aktuell für diese auch bei Ärzten wenig beachtete Erkrankung.

Vorerkrankte und andere Risikogruppen sollten achtsam sein

Pünktlich zum Beginn der Sommerferien ist die Wassertemperatur in der Ostsee und in den Binnenseen gestiegen. Das klingt nach ungetrübten Badefreuden, zumal für Mecklenburg-Vorpommern (MV) die Behörden zunächst einmal eine sehr gute Wasserqualität verkünden. An den etwa 500 ausgewiesenen Badestellen sei das Baden uneingeschränkt möglich, erklärt das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS). Und dennoch: bei Wassertemperaturen ab etwa 20 Grad Celsius muss in der Ostsee mit einem vermehrten Vorkommen an Vibrionen gerechnet werden. Vibrionen sind stäbchenförmige, salztolerante Bakterien, die in Meeresgewässern und Fluss- mündungen (Brackwasser, Bodden/Lagunen) weltweit verbreitet sind. Gewässer mit Süßwasser sind in der Regel nicht betroffen. Diese Bakterien können in seltenen Fällen schwere Infektionen verursachen.

Dem Robert-Koch-Institut wurden laut eigenen Angaben jährlich bis zu 20 Fälle an deutschen Küsten zwischen den Jahren 2002 und 2019 bekannt. Allerdings gibt es erst seit 2020 eine Meldepflicht für die Erkrankung, so dass die Gesundheitsbehörden von einer Untererfassung ausgehen.

Die Gefahr zu erkranken bestehe im wesentlichen für Personen mit chronischen Grundleiden bzw. mit bestehender Immunschwäche sowie Personen höheren Alters. Einige Patienten starben nach RKI-Angaben an der Infektion. Auch die Gesundheitsbehörde Mecklenburg-Vorpommerns vermeldet für die Badesaison 2020 nur insgesamt acht gemeldete Infektionen. Sterbefälle gab es in vergangenen Jahr demzufolge keine.

Risiken steigen in Folge des Klimawandels – in der Ostsee und Flussmündungen der Nordsee

Das Problem in der Ostsee seien die geringen Salzgehalte, diese würden eine Vermehrung der Bakterien begünstigen. Dort wirke sich das Zusammentreffen mit steigenden Wassertemperaturen kritischer aus, als es beispielsweise in der Nordsee der Fall sei, so die Wissenschaft. Aber auch die Nordsee sei betroffen, nämlich in den Mündungsbereichen von Weser, Ems und Elbe. Dort vermische sich der höhere Salzgehalt der Nordsee mit dem Süsswasser des Flusses und schaffe daher ebenfalls ideale Bedingungen für die Bakterien.

Die globale Erwärmung und die damit verbundenen erhöhten Temperaturen des Meerwassers lassen lauf Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erwarten, dass es weltweit zu einer Zunahme von Vibrio-Infektionen kommen könnte. So steigend die Risiken, sich aufgrund direktem Kontakts von Menschen mit Vibrionen-haltigem Meerwasser zu infizieren. Beim Schwimmen oder Spazieren bzw. Waten am Spülsaum können Vibrionen über kleine, unbemerkte Hautverletzungen aufgenommen werden. Die Klimaerwärmung mit den einhergehenden erhöhten Wassertemperaturen wird möglicherweise zu einer erhöhten Vibrionen-Konzentration führen und dadurch eine Zunahme von Infektionen wahrscheinlicher machen, erklärte das BfR. Auch beim Verzehr von Meerestieren (Miesmuscheln und Garnelen) ist Vorsicht geboten. In der niedersächsischen Nordsee seien bei bakteriologischen Routineuntersuchungen von Lebensmitteln Vibrionen nachgewiesen worden, warnt die niedersächsische Behörde. Zur Vermeidung von Lebensmittelinfektionen aller Art sollten Meerestiere daher nicht roh verzehrt werden. „Auf gutes Durchgaren muss geachtet werden“, heißt es in einem Informationsblatt.

In einem Monitoring-Projekt des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes und der Bundesanstalt für Gewässerkunde konnte im Zeitraum 2009 bis 2011 an insgesamt 285 Wasserproben gezeigt werden, dass die Funde von Vibrionen an der Nordseeküste vor allem im Bereich der großen Mündungsbereiche ins Meer von Ems, Weser und Elbe auftreten. Das Wasser ist in diesen Bereichen durch die Süßwassereinträge aus dem Binnenland im Salzgehalt reduziert. Beruhigend mag sein, dass die Nachweise in den Proben mit rund 7 Prozent relativ gering waren. Allerdings konnte in der Untersuchungsreihe zwischen 2012 bis 2019 bei jeder vierten Probe Vibrionen nachgewiesen werden. An Badestellen, die sehr gering unter Süßwassereinfluss stehen (Ostfriesische Inseln, ostfriesische Küste) wurden dagegen keine Bakterien gefunden.

Empfehlung der Gesundheitsbehörden

Die für den Menschen bedrohlichen Entwicklungen im Lebensraum Wasser könnten durch den Klimawandel weiter verschärft werden. Dieser Beitrag will nicht die Badefreuden verderben, sondern die Risikogruppen frühzeitig aufklären. In meinem Bekanntenkreis hat es vor einigen Jahren einen Todesfall in Folge einer bakteriellen Erkrankung nach einem Bad in der See gegeben. Daher mag man mir die Sensibilität bei den Vibrionen-Bakterien nachsehen.

Wie die Studien und Informationsblätter der Gesundheitsämter zeigen, sind nicht nur Urlaubsreisende, sondern auch Ärzte insbesondere im Binnenland über die Erkrankungssymptome zu wenig informiert. Folgende Empfehlungen geben die Gesundheitsbehörden:

  • Personen mit offenen oder schlecht heilenden Wunden sollten nicht dem Kontakt mit warmem, salzarmen Meerwasser aussetzen insbesondere wenn sie an Vorerkrankungen leiden und ein geschwächtes Immunsystem haben.
  • In Sommermonaten muss bei verdächtigem Krankheitsbild an die Möglichkeit einer Infektion durch Vibrionen gedacht und bei Wundinfektionen nach dem Kontakt mit Meerwasser bzw. nach dem Verzehr von Meerestieren gefragt werden.
  • Wegen des raschen und schweren Krankheitsverlaufs ist eine frühestmögliche Einleitung der antibakteriellen Therapie entscheidend, auch wenn die mikrobiologische Bestätigung noch aussteht.

Quellen / Weiterführendes

Beitragsfoto: Gendries (c)

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