Bundesminister Seehofer will die Trinkwassernotversorgung in Krisenzeiten stärken

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig gut aufgestellte Strukturen und eine gut vorbereitete Bevölkerung sind. Das gilt nicht nur die Pandemie, sondern auch in Anbetracht des drohenden Klimawandels und dessen Folgen wie Dürren, Waldbrände, Hochwasser oder Stürme. Diese Krisen gefährden die Menschen direkt, aber auch die Kritischen Infrastrukturen insbesondere Trinkwasserversorgung. Um den Bevölkerungsschutz zu stärken, hat Bundesinnenminister Seehofer gestern eine Neuausrichtung des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) angekündigt und konkrete Maßnahmen auch für die Trinkwassernotversorgung vorgestellt. Ausgangspunkt sind vom BBK im Auftrag des BMI erarbeitete Vorschläge zur Stärkung des Risiko- und Krisenmanagements im Bevölkerungsschutz. Die gesetzliche Grundlage, das „Wassersicherstellungsgesetz“, steht ebenfalls zur Überarbeitung an.

Auf einen Blick: Worum es in diesem Beitrag geht (wortwolke.com)

COVID-19 hat die Verwundbarkeit der Gesellschaft sichtbar gemacht

Die Bedrohung unserer gesamten Gesellschaft und unser Leben durch Krisen war nahezu eine Generation lang ein abstraktes Szenario, das nur durch Kriege in anderen Weltreligionen ein realitätsnahes Erscheinungsbild in unserem Bewusstsein besaß. Mit COVID-19 wurde uns allen bewusst, wie schnell aus einem theoretischen Bedrohungsszenario plötzlich Realität werden kann. Dabei sind es nicht nur Pandemien, die uns bedrohen, unsere Überlebensfähigkeit und die dafür erforderliche Leistungsfähigkeit der kritischen Infrastrukturen ist auch bedroht durch den Klimawandel und dessen Folgen, durch Cyberangriffe, Terrorismus oder einen Zusammenbruch der Energieversorgung, dem Blackout, der erst vor wenigen Wochen in Texas Realität wurde und am 8. Januar in Deutschland verhindert werden konnte. Diese exemplarische Darstellung der vielfältigen Herausforderungen und Risiken zeigt die Notwendigkeit für eine umfassende und breit angelegte Stärkung des Bevölkerungsschutzes in Deutschland.

Heimatschutzminister Seehofer beauftragte BBK-Konzept zur Stärkung der Resilienz

Bundesminister Seehofer beauftragte im Herbst 2020 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), konkrete Vorschläge zur Stärkung des Risiko- und Krisenmanagements im Bevölkerungsschutz vorzulegen. Am 17. März 2021 wurde dieser Maßnahmenkatalog unter dem Titel „Stärkung des Bevölkerungsschutzes durch Neuausrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ vorgestellt. Ein essentieller Punkt ist die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung mit Hilfe sogenannter Notbrunnen.

Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel für den Menschen. Über 6.500 Trinkwasserversorgungsunternehmen stellen in Deutschland die jederzeitige Verfügbarkeit des Trinkwassers sicher. Es gibt keinen Wasserversorger, bei dem nicht das Thema „Versorgungssicherheit“ an erster Stelle stünde. Selten gibt es längere Versorgungsunterbrechungen. Zumeist sind es technische Probleme, wie der Bruch einer wichtigen Transportleitung in der Stadt Kreuztal vor drei Jahren. Wenn es dann wirklich kritisch wird, stellt auf kommunaler Ebene der öffentliche Wasserversorger zumeist gemeinsam mit der Feuerwehr eine Notversorgung über Tankfahrzeuge zur Verfügung. Aber auch dieses Notsystem könnte ausfallen, zumal großräumig und längerfristig. Daher hat der Staat die Verantwortung, eine Absicherung durch eine so genannte Trinkwassernotversorgung in Form einer ständigen Verfügbarkeit einer Mindestmenge Trinkwassers vorzuhalten.

Die hierfür vorgesehene Wassermenge pro Person und Tag beträgt dabei 15 Liter. Darüber hinaus muss Trinkwasser für Krankenhäuser und andere vergleichbare Einrichtungen, Betriebswasser für überlebenswichtige Betriebe, sowie auch Wasser für Nutztiere bereitgestellt werden.

Gesetzliche Grundlage aus der Zeit des „Kalten Krieges“

Gesetzliche Grundlage der Trinkwassernotversorgung ist das Wassersicherstellungsgesetz (WasSG) aus dem Jahr 1965. Mit dem „Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft für Zwecke der Verteidigung“, so der Titel des Gesetzes, dessen Ursprung aus den Zeiten des „Kalten Krieges“ der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, überdeutlich werden lässt, soll die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland u.a. mit überlebensnotwendigem Trinkwasser im Verteidigungsfall eines Krieges sichergestellt werden. Das Bundesinnenministerium hat ein Notfallkonzept als Konzeption Zivile Verteidigung erarbeitet. Das Bundeskabinett hatte 2016 eine „Konzeption Zivile Verteilung“ beschlossen. Die Fronten, um bei dieser militärischen Terminologie zu bleiben, haben sich aber durch COVID-19 vervielfältigt. Es sind mittlerweile ehedem Viren – biologische und digitale – die uns zunehmend bedrohen. Daher beginnt das Bundesinnenministerium mit einer Neuaufstellung des BBK und seiner Befugnisse. Eine Überarbeitung des Wassersicherstellungsgesetzes dürfte aber zumindest nicht abwegig erscheinen und wird auch vom Bundesinnenminister als erforderlich angesehen. Zumindest in dieser Legislaturperiode dürfte daraus nichts mehr werden.

Die Grundsätze und Veranlassung des Wassersicherstellungsgesetzes
http://www.gesetze-im-internet.de/wassig/__1.html

BBK soll die Trinkwasser-Notversorgung resilienter gestalten.

Das BBK wird die auf der Grundlage des Wassersicherstellungsgesetzes (WasSiG) basierende Trinkwassernotversorgung zur Bewältigung von zukünftigen Krisen überprüfen und resilienter ausgestalten. Die für eine Trinkwassernotversorgung erforderliche Vorsorge- und Standortplanung ist jedoch nicht (mehr) aktuell. Sie entstammt einer Zeit im Fokus eines möglichen Verteidigungsfalls im Ost-West-Konflikt. Neue Rahmenbedingungen bzw. veränderte Bedrohungslagen müssen berücksichtigt werden. Daher wurde das 18-Seiten-Papier Stärkung des Bevölkerungsschutzes durch Neuausrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erarbeitet, das gestern vorgestellt wurde. Darin befasst sich ein Kapitel mit der Trinkwasser-Notversorgung und den dafür erforderlichen Maßnahmen. Zur Sicherstellung einer resilienten Wasserversorgung der Bevölkerung wird das BBK nach dem Willen des Bundesinnenministers:

  1. das Trinkwassernotbrunnensystem insbesondere in den neuen Ländern sanieren und dort, wo es nötig ist, ausbauen. Hierzu hat das BBK im Jahr 2020 rund 25 Mio. € in bauliche Maßnahmen und zur Verbesserung der Notstromversorgung investiert. Im Jahr 2021 wird dieser Prozess fortgesetzt und ein Betrag in Höhe von ca. 38 Mio. € investiert.
  2. das Gesamtkonzept Trinkwasserversorgung überprüfen und an die geänderte Bedrohungslage anpassen. Dabei werden Aspekte des Klimawandels, z.B. Trinkwasserversorgungsengpässe durch anhaltende Dürren, ebenfalls berücksichtigt.
  3. die Beratung zur Steigerung der Resilienz der Bevölkerung (Was kann jeder selbst tun?) intensivieren. Parallel dazu werden Vorschläge unterbreitet, mit welchen Maßnahmen die Betreiber die Ausfallsicherheit von kritischen Infrastrukturen im Bereich der Wasserversorgung erhöhen können.

Nationale Resilienzstrategie soll vom BBK koordiniert werden

Die Kontaktstelle beim BBK soll den Umsetzungsprozess in Deutschland und die Erstellung einer nationalen Resilienzstrategie koordinieren Diese Strategie wird Bund, Ländern und Kommunen sowie auch Unternehmen und Einrichtungen Kritischer Infrastrukturen eine Orientierungshilfe geben, warum, wie und auf welchen Wegen Katastrophenvorsorge in Deutschland auf allen Ebenen betrieben werden soll. Über die nationale Resilienzstrategie hinaus wird das BBK speziell für den Bereich der Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) (z. B. in den Sektoren Energie, Wasserversorgung, Ernährung und Transport und Verkehr) u.a. als Berater KRITIS-Betreiber in allen Sektoren ansprechen und Vorschläge zur Steigerung der Resilienz erarbeiten und zur Verfügung stellen. Die Kompetenz des BBK für die Erarbeitung von Musterempfehlungen für das Risiko- und Krisenmanagement sowie von Notfallplänen für Behörden und KRITIS-Unternehmen wird ausgebaut und durch geeignete Kommunikations- und Verteilforen in die Fläche gebracht.

Meine Meinung: Gemeinsam das Unverzichtbare tun, um die Gesellschaft zu schützen

Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer resilienteren Gesellschaft, das BBK mit einer neuen Ausrichtung und neuen Aufgaben zu versehen. Aber ist es das allein? Wir erinnern uns: Der erste bundesweit geplante Warntag, ein gemeinsames Projekt der Länder und des Bundes – und zwar von BMI und BBK, wurde leider ein Flickenteppich. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte in dem Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Christoph Unger, seit 2004 im Amt, den Verantwortlichen ausgemacht und ihn entlassen. Ein Neuaufbau war also dringet erforderlich. Die ausgefallenen Alarmsirenen mögen ein Sinnbild gewesen sein. Jetzt dürfte das neue Konzept für die Resilienz angesichts von COVID-19 auch gerade im Licht der wenig rühmlichen Ergebnisse einem Befreiungsschlag gleichkommen. Und zudem wird kaum jemand bestreiten können, dass wir schon im Wahlkampf sind.

Um nicht falsch verstanden zu werden, die Herausforderungen auf allen Ebenen mit geeinten Kräften anzugehen und dafür die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, ist absolut unverzichtbar. Es ist sogar überfällig. Ein Wassernotversorgungsgesetz, das viele Krisen der heutigen Zeit noch nicht im Fokus hat, muss ebenfalls auf der Agenda stehen. Denn es geht nicht nur mehr um „Panzer und Raketen“. Die heutigen Angriffe kommen als Viren aus der Natur oder über das Internet. Ohne „Krach und Zerstörung“ vernichten Hacker sicher geglaubte Infrastrukturen. Das eigentlich vorgesehene IT-Sicherheitsgesetz des Ministers Seehofer wurde erst vor wenigen Tagen von den sachverständigen Experten wie der AG KRITIS in Bausch und Bogen kritisiert.

Beim BBK agiert der Bundesminister für Heimatschutz zweifellos im Rahmen seiner Befugnisse, wenn er es im Kampf gegen die Krisen stärken will. Niemand wird das nicht wollen. Aber wir brauchen eine grundlegende Überarbeitung des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes in Deutschland. Wir sollten umfänglich aus COVID-19 lernen. Dazu brauchen wir eine Resilienzstrategie, wenn man es so nennen will. Aber es darf kein Alleingang eines Ministers werden. Das Parlament, die Länder und die Kommunen ebenso wie alle anderen gesellschaftlich relevanten Kräfte warten auf einen Startschuss.

Quellen & Weiterführendes

Beitragsphoto: Photo by Cam James on Unsplash

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