Weil sie Gesundheitseinrichtungen ohne grundlegende Wasserversorgung nutzen oder dort arbeiten müssen, sind rund weltweit 1,8 Milliarden Menschen einem erhöhten Risiko für COVID-19 und andere Krankheiten ausgesetzt, warnen die WHO und UNICEF. Betroffen sind wieder einmal die ärmsten Länder. Bezogen auf 47 weltweit am wenigsten entwickelten Länder kostet es für die dort betroffenen 1,1 Milliarden Menschen nur 1 US-Dollar je Einwohner und Jahr, um in Gesundheitseinrichtungen wie Kliniken oder Arztpraxen eine Versorgung mit Trinkwasser und angemessene hygienische und Sanitärbedingungen vorzuhalten. Berechnungen von WHO und UNICEF zufolge „zahlt“ sich dies nicht nur humanitär, sondern auch ökonomisch aus. Für jeden eingesetzten US-Dollar steigt die volkswirtschaftliche Wohlfahrt um 1,50 US-Dollar, die an Gesundheitskosten und Produktivitätsverlusten vermieden werden könnten. Gäbe es dafür Finanzprodukte, die Investoren würden sich um derartige Investments prügeln. Aber bedauerlicherweise hat der Krieg in der Ukraine die Prioritäten gerade wieder in Richtung militärischer Aufrüstung verschoben. Die weltweiten Militärausgaben sind laut SIPRI 2021 erstmals über die Marke von zwei Billionen Dollar gestiegen. Da ist es nicht schwer sich vorzustellen, welche Wahrnehmung das Thema Wasser und Hygiene in Gesundheitseinrichtungen erhält – ungeachtet der Corona-Pandemie.
Kranke, Ärzte und Pflegepersonal werden dauerhaften Risiken ausgesetzt
„Die Arbeit in einer Gesundheitseinrichtung ohne Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene ist vergleichbar mit der Entsendung von Krankenschwestern und Ärzten zur Arbeit ohne persönliche Schutzausrüstung„, erklärte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, WHO-Generaldirektor, bei der Veröffentlichung einer Studie zur Betroffenheit und den Kosten für die Herstellung vertretbarer Bedingungen. Aber die Betroffenheit geht über diese Länder hinaus, denn, so der WHO-Generaldirektor weiter, „Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen und Hygiene in Gesundheitseinrichtungen sind von grundlegender Bedeutung, um COVID-19 zu stoppen“. Der Bericht „Global progress report on water, sanitation and hygiene in health care facilities: fundamentals first“, kommt, da COVID-19 wichtige Schwachstellen in den Gesundheitssystemen aufdeckt, einschließlich unzureichender Infektionsprävention und -kontrolle, zum richtigen Zeitpunkt, denn Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene (WASH) sind für die Sicherheit von Gesundheitspersonal und Patienten von entscheidender Bedeutung, aber die Bereitstellung dieser Dienstleistungen wird nicht ausreichend priorisiert.
Weltweit hat
- eine von vier Gesundheitseinrichtungen keine Wasserversorgung,
- eine von dreien keinen Zugang zu Händehygiene, wo Pflege geleistet wird, und
- eine von zehn keine sanitären Einrichtungen.
Die Situation ist am schlimmsten in den 47 weltweit am wenigsten entwickelten Ländern. Dort hat jede zweite Gesundheitseinrichtung kein Trinkwasser, jede vierte keine Händehygieneeinrichtungen an den Versorgungsstellen; und drei von fünf fehlt es an grundlegenden sanitären Einrichtungen.
Der humanitäre und volkswirtschaftliche Mehrwert der Maßnahmen rechtfertigt die Kosten
Aber das muss nicht so sein. Die vorläufigen Schätzungen des Berichts deuten darauf hin, dass es etwa 1,00 US-Dollar je Einwohner und Jahr kosten würde, allen 47 am wenigsten entwickelten Ländern die Einrichtung einer grundlegenden Wasserversorgung in Gesundheitseinrichtungen zu ermöglichen. Neben den investiven Kosten, werden im Durchschnitt etwa 0,20 USD US-Dollar je Einwohner und Jahr, um die Wasser-, Sanitär- und Hygieneeinrichtungen zu betreiben und aufrechtzuerhalten. Schätzungsweise 6,5 bis 9,6 Milliarden US-Dollar im Zeitraum von 2021 bis 2030 sind erforderlich, um eine vollständige Abdeckung grundlegender WASH- und Abfalldienste in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen in den am wenigsten entwickelten Ländern zu erreichen
Dem Bericht zufolge haben sofortige, inkrementelle Investitionen in WASH „große Renditen“, wie es heißt: Die Verbesserung der Hygiene in Gesundheitseinrichtungen ist ein „Best Buy“ zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen. Es reduziert die Gesundheitskosten, weil es krankenhausbedingte Infektionen (deren Behandlung kostspielig ist) reduziert. Es spart Zeit, da das Gesundheitspersonal nicht nach Wasser für die Händehygiene suchen muss. Eine bessere Hygiene erhöht auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen. All dies summiert sich zu einer „humanitären Rendite“ von 1,5 USD für jeden investierten Dollar. Jennifer Sara, Global Director for Water bei der Weltbankgruppe, legt die ökonomische Dimension dar: „Es ist wichtig, dass die Finanzierung weiter fließt, um Wasser- und Sanitärversorgung für diejenigen bereitzustellen, die an vorderster Front gegen die COVID-Krise kämpfen. Die Finanzierung von WASH in Gesundheitseinrichtungen gehört zu den kostengünstigsten Investitionen, die Regierungen tätigen können„.
Diese Dienste sind besonders wichtig für gefährdete Bevölkerungsgruppen, einschließlich schwangerer Mütter, Neugeborene und Kinder. Die Verbesserung der WASH-Dienstleistungen in Gesundheitseinrichtungen ist besonders wichtig für die Geburt, wenn viel zu viele Mütter und Neugeborene leiden und sterben, auch an vermeidbaren Erkrankungen wie Sepsis. Bessere WASH-Dienste könnten das Leben einer Million schwangerer Frauen und Neugeborener retten und Totgeburten reduzieren.
Der Bericht enthält vier Hauptempfehlungen:
- Umsetzung der nationalen Investitions-„Fahrpläne“ mit einer angemessenen Finanzierung;
- Überwachung und regelmäßige Überprüfung der Fortschritte bei der Verbesserung der WASH-Dienste, -Praktiken und der ermöglichenden Umgebung;
- Entwicklung von Kapazitäten des Gesundheitspersonals, um WASH-Dienste aufrechtzuerhalten und gute Hygiene zu fördern und zu praktizieren;
- Integration von WASH in die regelmäßige Planung, Budgetierung und Programmierung des Gesundheitssektors, einschließlich COVID-19-Reaktions- und Wiederherstellungsbemühungen, um qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu erbringen.
Globale WASH- und Gesundheitspartner haben ihre Unterstützung für die Erfüllung der globalen und ländlichen WASH-Ziele in Gesundheitseinrichtungen erklärt. Bis 2020 hatten über 130 Partner Ressourcen bereitgestellt, von denen 34 dedizierte finanzielle Verpflichtungen in Höhe von insgesamt 125 Millionen US-Dollar eingegangen sind. Im Verhältnis zum Gesamtbedarf ist das natrülich nur eiun Tropfen auf dem heißen Stein. Ein weiteres Problem kommt hinzu: Obwohl die am wenigsten entwickelten Länder die niedrigste Leistungsabdeckung aufweisen, ist der Bedarf anderswo wahrscheinlich größer, wenn man die große Bevölkerungszahl und die Anzahl der betroffenen Gesundheitseinrichtungen in Ländern mit mittlerem Einkommen wie China, Brasilien, Indien, Indonesien und Nigeria berücksichtigt. Wichtiger noch: Es wurden nur bereits existierende Gesundheitseinrichtungen in die Analyse einbezogen, gerade in den Länder mit niedrigem Entwicklungsstand besteht aber noch ein gravierender Bedarf an zusätzlichen, neuen Einrichtungen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Zumindest dürfte erwartet werden, dass hier die Wasser-, Hygiene- und Sanitärstandards ein vergleichsweise hohes Niveau haben werden. Oder ist dies zu optimistisch?.
„Millionen haben keine andere Wahl, als sich von den 50% der Gesundheitseinrichtungen in den Entwicklungsländern behandeln zu lassen, die kein sauberes Wasser auf dem Gelände haben. Das kann nicht so weitergehen. Jeden Tag wird sowohl das Leben von Mitarbeitern im Gesundheitswesen als auch von Patienten gefährdet„, sagte Tim Wainwright, Chief Executive der internationalen Wohltätigkeitsorganisation WaterAid. „Ohne dass Gesundheitspersonal an vorderster Front in der Lage ist, sich die Hände zu waschen, ihre Patienten mit sauberem Wasser zu versorgen oder einen anständigen Ort zu haben, um auf die Toilette zu gehen, ist ein Krankenhaus überhaupt kein Krankenhaus – es ist ein Nährboden für Krankheiten.“ Alle Anstrengungen gegen die Ausbreitung von ansteckenden Krankenheiten könnten daran scheitern, dass es in einigen Regionen der Welt immer wieder zu neuen Ausbrüchen dort kommt, wo jene Menschen sich aufhalten, die den Viren und Bakterien am Nächsten kommen – Kranke und Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen.
Quellen / Weiterführendes
- Estimating the cost of achieving basic water, sanitation, hygiene, and waste management services in public health- care facilities in the 46 UN designated least-developed countries: a modelling study,
- Financing transformative health systems towards achievement of the health Sustainable Development Goals: a model for projected resource needs in 67 low-income and middle- income countries, Karin Stenberg MSc a , Odd Hanssen MSc, The Lancet Global Health, 2017
- DAC List of ODA Recipients Effective for reporting on 2020 flows, List of Least Developing Countries,
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