Vor 17 Jahren kämpfte die bolivianische Bevölkerung gegen die Wasserprivatisierung. Als vorbildlich wurde unlängst das Erreichen der UN-Entwicklungziele in dem Andenstaat gewürdigt. Ende Oktober erklärte Boliviens Regierung sogar das Grundrecht auf Wasserversorgung für alle Menschen. Ein Weg weisender Schritt, angesichts der Vergangenheit! Zu früh gefreut? Der Klimawandel bedroht auch Bolivien. Wasserknappheit sind die Folgen – und das nicht erst seit Kurzem. 1975 wurde ein von Chile angebotener Zugang zum Pazifik abgelehnt. Aber die Probleme nehmen zu. Schon beklagt die Opposition Investitionsstau und nicht-kostendeckende Preise.
Privatisierung scheitert wegen steigender Wasserpreise
1999 hatten die damalige Regierung und die Weltbank internationale Investoren in den Andenstaat geholt. Das Privisierungsmodell erzeugte massiven Widerstand. Der preisgekrönte Kinofilm „Und dann der Regen“ um den Kampf der Bürger von Cochabamba brachte die Aufmerksamkeit des Widerstandes gegen die Privatisierung der Wasserversorgung bis nach Europa und initiierte Solidaritätsbekundungen, die bis heute anhalten. „La guerra del agua“, der Wasserkrieg, markierte den weltweit vielleicht ersten gewalttätigen Konflikt um die Verteilung von Wasser. Die dortigen Preissteigerungen von bis zu 300 Prozent für Wasser, ausgelöst auch durch Investitionen in die damals maroden Netze, waren – zumal in einer sozial schwachen Region – nicht umsetzbar. Nach Monate anhaltenden Protesten und vielen Verletzten zog sich der Investor Bechtel zurück und die Regierung machte die Privatisierung rückgängig. Das Scheitern der Wasserprivatisierung wird zu einem Großteil auch ein Scheitern der Politik bei der sozialen Ausgewogenheit und der Finanzierung der Daseinsvorsorge gewesen sein.
Regierung garantiert den universellen Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung
„Evo Morales, einst Krieger und heute Präsident, hat Millionen Menschen das Wasser garantiert“, schreibt die österreichische Die Presse über den damaligen Wasserkrieg in Bolivien. Das sozialistische Land erholte sich unter Morales nicht nur politisch, Bolivien wurde auch Vorbild wegen der Erreichung der UN-Entwicklungsziele, die 2015 überall erreicht sein sollten. Wie Daten der Organisation WASH belegen, hat
das Land mindestens bei der urbanen Trinkwasserversorgung die Ziele erreicht. Aber es gibt noch mehr Positives aus dem Andenstaat zu berichten. Anläßlich des „Nationalen Tages von Wasser und sanitärer Grundversorgung“ am 29. Oktober garantierte jetzt die bolivianische Regierung den universellen Zugang zu Trinkwasser- und Sanitär-Systemen. Das berichtet das auf Südamerika spezialisierte Online-Nachrichtenportal Amerika21. Damit würden neue Regelungen für den Zugang, die Kosten, die Verfügbarkeit und die Qualität der Wasserversorgung definiert. Durch das verabschiedete Gesetz würden zudem die Transparenz und die Kommunikation sowie die Bemühungen um eine qualitativ gute Wasserversorgung und Abwasserentsorgung definiert. Die Bevölkerung wird dieses Gesetz und seine Umsetzung in die Praxis zu würdigen wissen. Das sagt aber noch nichts über dessen Finanzierung.
Droht der Rückfall durch Klimawandel und Investitionsstau?
Eigentlich sind das gute Aussichten für den Erfolg der politischen Bemühungen um eine sichere und qualitativ hochwertige Wasserversorgung. Dennoch gibt es nach wie vor erheblichen Handlungsbedarf. Auch wenn in den Städten die Anschlussquote der Wasserversorgung bei 99 Prozent liegt, auf dem Lande dienen weiterhin die Flüsse als Trinkwasserquelle; die Anschlussquote liegt dort nur bei weniger als 80 Prozent.
Auch hat der Klimawandel Bolivien fest im Griff. So berichtete der Sender SWR Anfang des Jahres über eine wachsende Wasserknappheit in dem eigentlich wasserreichen Land. Im vergangenen Sommer herrschte die größte Dürreperiode seit 25 Jahren. Um die immer knapper werdenden Wasserressourcen kämpfen die Bergbau-Industrie, wo die Chinesen zunehmend an Einfluss gewinnen, und die öffentliche Trinkwasserversorgung mit möglicherweise ungleichen Waffen. Wer die Entwicklung in Brasilien (siehe auch Beitrag auf Lebensraumwasser dazu) verfolgt, wird in dem westlichen Nachbarstaat einige Parallelen erkennen.
Chile hatte 1975 einen Versorgungskanal zum Pazifik angeboten
Boliviens Präsident Eva Morales eröffnete an diesem Wochenende per Twitter der staunenden Öffentlichkeit, dass der chilenische Diktator Augusto Pinochet im Jahr 1975 Bolivien ein geheimes Angebot unterbreitet hat: einen Zugang zum Pazifischen Ozean. Im Gegenzug erwartete Pinochet eine Allianz gegen Peru. Morales bezog sich dabei auf Dokumente, die der US-Präsident Donau Trump soeben veröffentlicht hatte. Bolivien hatte seinen eigenen Zugang zum Ozean im 19. Jahrhundert im Krieg gegen Chile verloren. Boliviens Regierung hat das Angebot ausgeschlagen und darauf gesetzt, die Probleme ohne Chile lösen zu können.
Documentos desclasificados por Trump revelan que en diciembre de 1975, Chile hizo una oferta secreta a Bolivia: un corredor de 10 kilómetros
— Evo Morales Ayma (@evoespueblo) October 29, 2017
Opposition macht Druck auf die Wasserpolitik der Regierung
Doch nicht läuft nach Plan der Regierung in La Paz. Boliviens Präsident Eva Morales hat reagiert. Der Direktor der Nationalen Wasserbehörde wurde bereits abgesetzt. Die Wasserkrise erhöht jetzt den Druck. Es war bekanntlich Morales‘ Regierung, die Boliviens Wasserversorgung einst verstaatlicht hatte. Dass Wasser ein Grundrecht sei, das nicht private Gewinne abwerfen dürfe, damit machte Morales einst Kampagne und begründet so das neue Gesetz. Daher wirft ihm die Opposition Unfähigkeit vor. Die Wasser-Preise seien künstlich niedrig gehalten worden, nötige Investitionen blieben aus. Um die Investitionsfähigkeit zu sichern und den Ausbau der ländlichen Wasserversorgung der urbanen Leistungsfähigkeit anzunähern, müssen die Wasserpreise angepasst werden. Die Geschichte könnte den Präsidenten daher einholen. Der politische Druck erhöht sich. Aber nicht nur wasserpolitisch. Morales ist in seiner dritten Amtszeit; eigentlich sieht die Verfassung nur zwei vor. Ende vergangenen Jahres ist er mit seinem Versuch gescheitert, sich 2019 eine vierte Regierungsperiode zu verschaffen. Sollte das Gesetz Die Nachhaltigkeit des Erfolgs der bolivianischen Wasserpolitik hängt maßgeblich von den Wasservorräten und der finanzwirtschaftlichen ab. Wie sich die Ereignisse zu ähneln scheinen, denn wegen der investitionsbedingten Preisanpassungen nahm vor der Jahrtausendwende das Drama in Bolivien ihren Anfang….
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