Wasserwirtschaft holt zum politischen Rundumschlag aus

Das war definitiv kein Aprilscherz. Am gestrigen 1. April übergab Prof. Dr. Uli Paetzel stellvertretend für die DWA der Politik ein Hausaufgabenheft mit sechs Seiten voller Forderungen zur Umwelt- und Wasserpolitik. Womöglich auch damit die Empfänger, das Bundesumweltministerium und Mitglieder des Umweltausschusses des Deutschen Bundestags, nichts vergessen, wird das Papier „Politikmemorandum“ genannt. Kurz gefasst, fordert die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), deren Präsident Paetzel ist, die Politik auf, die Wasserwirtschaft dabei zu unterstützen, den dicken Katalog an Herausforderungen zu bewältigen. Svenja Schulze hat als Bundesumweltministerin den kooperativen Ansatz betont. Nach zwei Wochen mit wasserpolitischen Dialogen, dem „Spurenstoffdialog“ am 19. März und den beiden „Nationalen Wasserdialogen“ am 27. und 28. März, bekommt die Bundespolitik es jetzt „schwarz auf weiß“, wo die Wasserwirtschaft steht und wo sie hin will. Das Ziel ist klar: mehr Gewässerschutz und Verursachungsgerechtigkeit. Jetzt soll die Politik mitmachen und die Leitplanken bauen, wo der „Treibstoff“ fehlt, soll sie nachlegen. Im Mai sind Europawahlen, der Wahlkampfmodus könnte „Flügel verleihen“.

Verursachungsgerechtigkeit bei der Vermeidung und bei der Kostenbeteiligung

Nitratbelastungen des Bodens und Grundwassers durch die Landwirtschaft, multiresistente Bakterien, anthropogene Spurenstoffe in der Umwelt, Einleitungen in die Gewässer, Digitalisierung, Agrarwende und der kaum zu leugnende Klimawandel – der Katalog könnte noch länger sein. An diesen Aufgaben will die Wasserwirtschaft in Deutschland arbeiten – aber nicht alleine. Schon gar nicht kann sie das finanzieren. Warum sollte sie auch, schliesslich sind die Verursacher weitgehend bekannt: Landwirtschaft, Industrie und Verbraucher. Alle werden dazu beitragen müssen und die Politik muss den Rahmen dafür schaffen. Dabei fordert die Wasserwirtschaft in dem Papier auch eine stärkere Verankerung des Verursacherprinzips bei der Verhinderung der Probleme und bei der Finanzierung der Beseitigung.

Was beim Lesen des Memorandums auffällt? Fast alles ist bekannt! Warum, so mag man sich fragen, wird nicht schon längst daran gearbeitet? Die Antwort liefert Paetzel: „Zu vielen umweltpolitischen Fragestellungen haben wir in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Warum hört man nicht auf die Stimme der Vernunft? Auch hierfür mag die Antwort vorliegen: „Die Anliegen der Wasserwirtschaft müssen deutlich stärker öffentliche Berücksichtigung finden.“

Agrarpolitik gewässerfreundlicher gestalten und Landwirte an den Kosten beteiligen

Die DWA fordert eine Agrarwende. Richtig so! Wir können nicht so tun, als gäbe es keine Problem mit den Nitraten. Die DWA fordert daher, „zusätzliche Beiträge der Landwirtschaft sind nötig, damit die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden können.“ In einigen Bundesländern müssen die Brunnen der Wasserversorger tiefer gebohrt werden, weil ansonsten die Nitratwerte zu hoch wären. In manchen Dörfern machen die Landwirte den Nachbarn die Eigenbrunnen unbrauchbar. Daher ist es nur konsequent, wenn die DWA eine konsequentere Umsetzung der Düngeverordnung fordert. Aus den Niederlanden werden in beträchtlichem Umfang Wirtschaftsdünger nach Nordrhein-Westfalen verbracht, fast 1,5 Millionen Tonnen in 2016. Nicht nur, dass hier der „freie Warenverkehr in der EU“ falsch verstanden wird, häufig stehen die Transporte auch mit mindestens fragwürdigem Handeln in Verbindung. So berichtete in 2018 das NRW-Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz nach Auswertung des „Digitalen Dossiers“ der Niederlande, dass rund ein Drittel der Lieferungen von Wirtschaftsdünger falsch dokumentiert gewesen seien. Und dagegen soll nichts getan werden können?

„Alles gut“? (Foto Gendries)

Erst Fordern, dann Fördern. Auch letzteres greift die DWA auf: „Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik auf europäischer Ebene sollten die Ziele stärker in Richtung Nachhaltigkeit formuliert werden, künftig nur landwirtschaftliche Maßnahmen aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, die im Einklang mit den Vorgaben zum Gewässerschutz stehen.“

Es geht nicht um das Fördern, sondern um das Bezahlen. Beim Wasserentnahmeentgelt – wenngleich Sache der Länder – müssten die Befreiungen der Landwirtschaft abgeschafft werden. Der Trinkwasserkunde zahlt in NRW 5 Cent je Kubikmeter für die Lieferung vom Wasserwerk, der Landwirt entnimmt dem Bach oder Brunnen kostenlos. Noch zu viele, nicht alle (!) Landwirte nutzen und verschmutzen, warum sollen sie dann nicht auch für die Wiederherstellung des guten Gewässerzustandes zahlen müssen?! Damit wird der Finanztopf größer, womit die Schäden beseitigt werden können. Jetzt müssen diese Finanzen noch an die richtigen Stellen gelangen und nicht – wie in NRW – im Landeshaushalt versickern.

Anthropogene Stoffe, Mikroplastik und resistente Bakterien im Wasserkreislauf reduzieren

Wir leben nicht auf der „grünen Wiese“. Unser Handeln ist umwelt- und gewässerrelevant. Damit daraus nicht Lasten und Kosten werden, fordert die DWA eine konsequentere Umsetzung des Vermeidungsgrundsatzes. „Stoffe aus der Herstellung und Verwendung pharmazeutischer und kosmetischer Produkte, durch die Anwendung von Industriechemikalien, über atmosphärische Wege sowie aus der landwirtschaftlichen Anwendung gelangen in unsere Gewässer. Zu den Spurenstoffen in unseren Gewässern zählen auch Plastikpartikel und antibiotikaresistente Bakterien. Notwendige Konzepte zur Vermeidung oder Verminderung von Stoffen im Gewässer müssen zuerst an den Eintragspfaden ansetzen, zum Beispiel durch Stoffsubstitution, Anwendungsbeschränkungen, Verbraucherinformation und umweltgerechte Entsorgungswege. Einträge von Stoffen in die Umwelt, die zu Antibiotikaresistenzen führen, müssen durch Maßnahmen bei deren Entstehung reduziert werden. Reserveantibiotika müssen der Humanmedizin vorbehalten bleiben. Das Verursacherprinzip muss Geltung erlangen.“ Damit schliesst sich der Kreis: Der Verursacher soll vermeiden, damit nicht alle anderen leiden und bezahlen. Wohl auch deshalb fordert die DWA keine flächendeckende Nachrüstung der 4. Reinigungsstufe bei den Kläranlagen, sondern nur dort, „gewässer- und nutzungsbezogene Handlungsbedarf besteht.“ Sonst müssten nämlich alle Gebührenzahler für die Eintrage weniger aufkommen.

Klimawandel ernst nehmen

Das Aufgabenbild der Wasserwirtschaft ändert sich im Zuge des Klimawandels. Hochwasser und Niedrigwasser, beides muss gemanaged werden. Die Harzwasserwerke, der größte Wasserversorger Niedersachsens wird nicht müde, auf die diese geänderten Herausforderungen hinzuweisen. Diesen Ball greift auch die DWA auf: „Schwere Hochwasser sowie regional auftretende intensive Starkregenereignisse, aber auch das extrem trockene Jahr 2018 stellen die Wasserwirtschaft in Deutschland und Europa vor große Herausforderungen und erfordern eine bessere Anpassung an den Klimawandel. In Gebieten mit dichter Besiedelung kommt es häufiger zu Sturzfluten infolge von Starkregenereignissen. Der Wasserwirtschaft kommt bei der Bewältigung des Klimawandels eine Schlüsselrolle zu, beispielsweise beim Aufbau eines Starkregenrisikomanagements.“

Weitere Themen

Weitere Themenfelder, zu denen die DWA sich äußert, sind die EU-Wasserrahmenrichtlinie und die EU-Kommunalabwasserrichtlinie („jetzt fortentwickeln“), die Abwasserabgabe („reformieren und vereinfachen“), Digitalisierung und deren Herausforderungen für die Wasserwirtschaft, Klärschlämme („nachhaltig, kostenverträglich und sicher entsorgen“). Details enthält das DWA-Politikmemorandum.

So, liebe Politiker, jetzt wird in die Hände gespuckt … Packen wir es an!

Download des DWA-Politikmemorandums

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