Wie wenig Wasser den deutschen Europa-Wahlkampf bewegt

In den EU-Wahlprogrammen der führenden deutschen Parteien findet auf den ersten Blick kein anderes Thema von gesellschaftspolitischer und ökologischer Relevanz so wenig Beachtung wie „Wasser“. Kein Zweifel, zurecht dominieren Sicherheit, Soziales, Umweltschutz oder Finanzen die Agenda. Dessen ungeachtet dürfte die kommende Legislaturperiode auch wasserpolitisch einige wichtige Weichenstellungen mit sich bringen. Diese daher in den Programmen wiederzufinden, wäre der Bedeutung der Wasserversorgung als zentrales Element der Daseinsvorsorge und seiner Bedeutung für das Leben sicher angemessen. Zudem würde jene beruhigen, die sich in Zukunft vom Europäischen Parlament und der neuen EU-Kommission mehr erwarten, als die Vergangenheit gebracht hat. So liegen Defizite ganz sicher auch auf Seiten der Bundesregierung beispielsweise soweit es die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie anbelangt. Aber ohne Frage gibt es bei der Wasserrahmenrichtlinie und bei der längst überfälligen Novellierung der Trinkwasserrichtlinie Nachholbedarf in Brüssel. Bei der 2014 angestoßenen Konzessionsvergaberichtlinie war die Wasserwirtschaft nach massiven Protesten u.a. von der ersten europäischen Bürgerinitiative right2water vom Geltungsbereich zunächst ausgenommen worden. Gerade hier sorgen sich Bürger und Initiativen vor einer Hintertür für die Privatisierung der Wasserwirtschaft. Für Deutschland steht die kommunale Gestaltungsfreiheit in der Wasserwirtschaft und bei der Konzessionsvergabe im Vordergrund. Dies ist auch im Rahmen der Freihandelsabkommen zu beachten. Aus dem Blickwinkel des vorsorgenden Gewässerschutzes wie auch der Trinkwasserqualität erwarten sich viele Bürger vom neuen EU-Parlament mehr Konsequenz in der Agrarpolitik soweit es die Strukturen betrifft, mindestens aber eindeutige Grenzen bei der Gülleausbringung und beim Einsatz von Pestiziden.

CDU – ?

Im EU-Wahlprogramm der CDU spielt der Begriff ‚Wasser’ lediglich im Zusammenhang mit den ‚Wasser’straßen eine Rolle. Daseinsvorsorge, Infrastruktur oder die Ressource Wasser? Fehlanzeige in den 26 Seiten der Christdemokraten! Nachhaltigkeit lautet das Stichwort unter dem die Ökologie mit der Ökonomie verbunden werden soll. Insoweit soll angestrebte qualitative Wachstum in der EU ressourcenschonend erreicht werden.

SPD – Rekommunalisierung stärken, Privatisierung verhindern

Anders dagegen die Auseinandersetzung der SPD mit dem Wasser. Sie lehnen in ihrem Programm die Bereitstellung öffentlicher Güter, wozu auch die öffentliche Infrastruktur wie die Wasserversorgung und Wasserentsorgung zählen, durch den Markt ab. Ebenso abgelehnt wird die Liberalisierung weiterer Dienstleistungsmärkte und das damit verbundene Absenken von Beschäftigtenschutz- und Qualitätsstandards. „Die öffentliche Daseinsvorsorge sichern und fördern wir“, erklären die Sozialdemokraten, und weiter führen sie aus: „Jeder und jede muss gleichberechtigten, solidarischen und räumlichen nahen Zugang zu qualitativ hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen haben. Dazu zählen wir insbesondere den Zugang zu Wasser und bezahlbarem Wohnraum. Wir wenden uns dagegen, dass privatwirtschaftliche Konzerne in ganzen Regionen den Zugang zu sauberem Trinkwasser kommerzialisieren. Dazu müssen die EU-Vergaberegeln neu gewichtet werden, durch die auch Tariftreue und die Einhaltung der Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker berücksichtigt werden. Die Möglichkeit interkommunaler Zusammenarbeit und Inhouse-Vergaben müssen grundsätzlich aus dem Wettbewerb herausgehalten werden. Rekommunalisierungen werden vereinfacht. Auch qualitative Ziele beinhaltet das EU-Programm der SPD. Darin betont sie die Forderung nach „sauberem Wasser, einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt sowie gesunde Lebensmittel – und zwar für die heutige wie für alle zukünftige Generationen“ als Ziel ihrer EU-Umweltpolitik. Zudem betont die SPD, dass Verbraucherinnen und Verbraucher dadurch nicht einseitig belastet werden dürfen sowie dass „die Zukunft der Landwirtschaft eine wichtige Rolle“ spiele. Die SPD macht damit klar, dass die Trinkwasserversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge in der öffentlichen Hand verbleiben muss, diese sogar gestärkt werden soll. Eindeutig ist die Absage an die Neuregelung der Vergabe der Trinkwasserversorgung im Zuge einer etwaigen Änderung der Vergaberegelungen, wie sie von der EU-Kommission 2012 vorgesehen war und vermutlich 2020 erneut auf der Agenda stehen werden. Mit dem Zugang zu Wasser greift sie eine Forderung von right2water auf und stellt sich eindeutig hinter diese erste europäische Bürgerinitiative.

Bündnis90/Die Grünen – Gemeinsames Europa für den Schutz des Wassers

Bündnis90/Die Grünen wollen weniger Schadstoffbelastete Böden und Gewässer, weniger Summen und Brummen in der Luft – „das sind Anzeichen einer kranken, ausgelaugten und überstrapazierten Natur, die auf den Menschen zurückgehen. Und Anzeichen dafür, dass wir Grenzen überschreiten. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. In einem gemeinsamen Europa können wir mit weniger Dünger, weniger Pestiziden und einem Verbot von Glyphosat Tieren und Pflanzen wieder mehr Lebensraum geben. Mit einer Wasserrahmenrichtlinie, die wir konkretisieren und konsequent umsetzen, verbessern wir die Qualität von Flüssen und Seen. Und mit europäischen Korridoren für Biotope und mehr Wildnisflächen erhalten wir wichtige Lebensgrundlagen. Wir wollen ein gemeinsames Europa, das seine Umwelt und Natur schützt.“

Die LINKE – Wasserversorgung nicht in die Hand von Konzernen

Die LINKE wehrte sich „gegen eine Politik, die wesentliche Bestandteile unseres Lebens, wie Wasser, Luft, intakte Umweltbedingungen und Gesundheit, den Pro Interessen unterordnet.“ Die LINKE kämpft für „eine Versorgung mit Strom, Wärme und Wasser nicht in der Hand von Konzernen, sondern von Bürger*innen, von Kommunen und Genossenschaften. Wir wollen ihre Erzeugung und Verteilung so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig organisieren. Wir werden dafür kämpfen, dass alle bezahlbaren Zugang zu Energie und Wasser haben.“ Das Europa der vielen Menschen, die gegen die Privatisierung des Wassers knapp zwei Millionen Unterschriften gesammelt haben und so erreicht haben, dass die Wasserversorgung in öffentlicher Hand bleibt – sie wissen, dass der Markt keine gleichwertigen Lebensverhältnisse schafft.“

FDP – Digitalisierung als Wasserthema

Im Wahlprogramm der FDP fristet das Stichwort ‚Wasser’ dagegen ein Außenseiterdasein. Auf den 150 Seiten keine Aussagen zum Schutz der Ressource Wasser oder der politischen Ziele zur Bewältigung von Nutzungskonflikten bei Wasser. Die Suche nach Aussagen zur Daseinsvorsorge oder Infrastruktur bleibt ergebnislos. Anders dagegen Themen, die im Kontext mit der Digitalisierung stehen. Im Zusammenhang mit der Cybersicherheit abgeleitet der Digitalisierung dem Kernthema der FDP, spielt die Sicherung der kritischen Infrastruktur Wasserversorgung eine Rolle. So verhält es sich auch mit der Ausbringung von wassergefährdenden Stoffen durch die Landwirtschaft. Die digitale Landwirtschaft soll den Konflikt lösen: nicht politische Regelsetzung oder Regulierung, sondern die künstliche Intelligenz soll dafür sorgen, das Düngemittel und Pflanzenschutzmittel umweltschonender eingesetzt werden. Das kann aber, so die Auffassung der Liberalen, in Europa nur gelingen, wenn die digitale Infrastruktur geschaffen wird und die Daten geschützt sind (Seite 81). Kein Wort dagegen zum Erhalt der analogen Netze und dem Schutz der Ressourcen durch analogen Eingriff der Politik.

AfD will keine Privatisierung

Die AfD greift in ihrem Wahlprogramm die Kritik der „deutschen Wasserwirtschaft (BDEW) (sic!)“ gegen „die von der EU verhandelten Handelsabkommen (JEFTA, CETA)“ auf. Dieser Haltung schließt sich die Partei in ihrer kurzen programmatischen Auseinandersetzung mit Wasser an und erklärt, „Wasser ist keine gewöhnliche Handelsware, sondern ein öffentliches Gut. Wir fordern daher, dass die Wasserwirtschaft nicht zwangsweise durch die EU-Vorgaben privatisiert werden darf.“


Egal, ob mit Wasser in den Wahlprogrammen oder ohne, in den anstehenden Europawahlen entscheidet sich die Zukunft Europäischen Union und somit auch die Europas.

Quellen

  • Wahlprogramme der Parteien hier

1 Kommentar

  1. Politiker sind Lobbyisten und getrieben vom Erhalt der eigenen Macht. Solange trinkbares Wasser nicht so knapp und teuer wird, dass es weh tut, rühren diese Leute sich nicht. Vorausschauendes Handeln im Sinne echter Nachhaltigkeit ist nicht deren Stärke.

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