Was über die Grundwasserstress-Studie des BUND nicht in den Zeitungen stand

Die Studie zu Grundwasserstress in deutschen Landkreisen, die der BUND Mitte Juni veröffentlicht hat, sorgte für Schlagzeilen – doch nachfolgende Kontroversen, Kritik von Experten sowie Richtigstellungen und Einigungen blieben in den Zeitungen später unerwähnt. Ich habe recherchiert was die Debatte ausgelöst hat und was daraus zu lernen ist. (Lesezeit 10 Minuten, Beitrag #913)

Die Kurzfassung der Ereignisse

Für einen medialen Sturm sorgte die vom BUND am 16. Juni 2025 veröffentlichte Überblicksstudie zu Grundwasserstress in Deutschland. Bereits kurz nach der Veröffentlichung gab es methodische Kritik vom DVGW, dem Fachverband der Wasserwirtschaft. Kritik kam aber auch vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), dieses hatte die Studie im Auftrag des BUND erstellt. Dem ISOE mißfiel die unzutreffende Kommunikation des BUND und distanzierte sich daher davon. Denn aus einer Vorwarnung mit Hinweisen auf Wasserstress in den Grundwasserkörpern wurde die Botschaft, es herrsche weit verbreitete Wasserknappheit in Deutschland.

BUND-Meldung zur Grundwasserstudie: „Wasserknappheit“ (Q: BUND, 16.6.2025; Abruf 31.7.2025)

Am Ende gibt es womöglich noch ein Happy End. Denn nicht nur hat der BUND die Studie an einigen Stellen korrigiert und seine Kommunikation angepasst. Am 30. Juli 2025 haben die Verbände zudem eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht und wollen sich künftig enger austauschen. Die verunglückte Kommunikation des BUND allerdings dürfte Spuren hinterlassen.

Was war passiert?

BUND veröffentlicht die Grundwasserstress-Studie

Am 16. Juni veröffentlicht der BUND „seine“ Grundwasserstress-Studie. Darin heißt es: „In immer mehr Regionen Deutschlands wird das Grundwasser knapp. (…) Die Untersuchung, die das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) im Auftrag des BUND durchgeführt hat, zeigt: In 201 von 401 Landkreisen wird mehr Grundwasser entnommen, als sich durch Niederschläge neu bilden kann.“ (Hinweis: die obige Textpassage in farbiger Schift wurde später vom BUND korrigiert).

Den Zeitpunkt der Veröffentlichung könnte man unter Wahrnehmungsgesichtspunkten als gelungen bezeichnen. Mitte Juni herrschten hochsommerliche Temperaturen und seit mehreren Wochen erließen die Landkreise Allgemeinverfügungen zu Wasserentnahmeverboten. Daher nicht überraschend, dass die Aussage: „Jeder zweite Landkreis von Wasserstress betroffen“ zur Spitzenmeldung in den Print-, Online- und anderen Medien wurde. Hinzu kamen Formulierungen wie die „systematische Übernutzung der Grundwasserreserven“ und die „Zunahme akuten Grundwasserstresses“.

Studie des BUND

Verständlicherweise war die Öffentlichkeit besorgt über die Darstellungen und über die Aussichten bei der Entwicklung des lokalen Wasserdargebots. Es dürfte nicht überraschen, dass in Ministerien und Wasserbehörden die „Telefone heiß liefen“. Denn fast durchgehend herrschte zum Veröffentlichungszeitpunkt sommerliches Wetter mit Spitzentemperaturen und ausbleibendem Regen.

DVGW kritisiert fachliche Unzulänglichkeiten in der Studie

Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung meldete sich der DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., ein technisch-wissenschaftlicher Fachverband der deutschen Wasserwirtschaft, zu Wort. Er sah einige „gravierende Mängel“ bei der Erstellung der Studie und den daraus abgeleiteten Aussagen. Zwar begrüßte der DVGW in seiner Meldung vom 24.06.2025 „grundsätzlich alle Bemühungen, auf den Wert des Wassers und mögliche Risiken für eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Wasserressourcen aufmerksam zu machen„. Gleichwohl kritisierte er die „Auslegung und Interpretation bestehender Bewertungsparameter, die im Ergebnis zu falschen und nicht haltbaren Aussagen eines Grundwasserstresses in Deutschland führen. So sei

  • So sei der etablierte Wassernutzungsindex falsch interpretiert worden, in dem ausschließlich auf Niederschläge bei der Grundwasserneubildung abgestellt wurde, das Oberflächenwasser in Flüssen und Bächen aber unberücksichtigt geblieben sei. Diese ganzheitliche Betrachtung sei aber international und nach Stand der Wasserwirtschaft üblich.
  • Zudem bemängelte der DVGW die Orientierung an Verwaltungsgrenzen (Landkreise), was zur Bilanzierung für Einzugsgebiete von Grundwasserfassungsanlagen ungeeignet sei.
  • Auch sei es unangemessen, so der Verband, bei der Grundwasserbilanzierung nur auf die obersten Grundwasserleiter und deren Neubildung durch Niederschlag zu betrachten. Notwendige Grundlagen einer Bilanzierung seien aber die Parameter nutzbares Dargebot und Entnahmen in den zu betrachtenden Grundwasserleitern; dabei sei zwischen den verschiedenen Grundwasserleitenden Ebenen zu unterscheiden.

Nach Ansicht des DVGW führt die ISOE-Auslegung zu überhöhten Angaben bei der Betroffenheit durch Grundwasserstress und zu „nicht haltbaren Aussagen“ über den tatsächlichen Zustand der Ressourcen in Deutschland. Denn wenn die vom ISOE angewandten Methodik maßgeblich wäre, müssten auf der Grundlage der dann greifenden rechtlichen Beschränkungen gravierende Kürzungen der Wasserrechte vorgenommen werden. Kaum auszudenken, welche Missverständnisse dadurch ausgelöst und welche Kräfte dadurch freigesetzt würden.

Artikel im SPIEGEL, 16.6.2025

Daher nahm der DVGW auch Kontakt zum BUND auf und bat um im Gespräch mit dem Umweltschützern „das Thema fachlich-inhaltlich fundiert anzugehen und haltbare Erkenntnisse zum Thema Bilanzierung des Grundwasserhaushaltes in Deutschland abzuleiten.“ Auf die Kritik des DVGW reagiert daraufhin nicht nur der BUND, sondern auch das ISOE.

ISOE distanziert sich von der BUND-Kommunikation

Das dürfte eine Seltenheit sein: die Autoren der Auftragsstudie für den BUND, das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), distanziert sich von der Kommunikation des BUND.

So erscheint bereits am 2. Juli 2025 eine Stellungnahme auf der Website des Instituts, in der es heißt: „Bedauerlicherweise ist das Ausmaß der Übernutzung der Grundwasserressourcen in Deutschland nach der Veröffentlichung der Grundwasserstudie sowie einer begleitenden Pressemitteilung des BUND vielfach falsch dargestellt worden: Die Formulierung in der Pressemitteilung des BUND vom 16.06.2025, dass in der Hälfte aller Landkreise in Deutschland mehr Wasser entnommen würde, als sich nachbilden könne*, entspringt weder der Studie noch ist es das Ergebnis der Studie. Berichte über diese extreme Form der Übernutzung, die die Neubildung von Grundwasser übersteigt, sind sachlich falsch, denn es wird lediglich die Nachhaltigkeitsschwelle von 20 Prozent überschritten.“

Stellungnahme des ISOE vom 2. Juli 2025 (Q: Website – Aufruf 31. Juli 2025)

ISOE rechtfertigt sein fachliches Vorgehen

Erst danach setzt sich das ISOE mit der inhaltlichen Kritik auseinander. In „Eigener Sache“ rechtfertigen die Autoren am 8. Juli 2025 die Methodik und räumen eine Überbewertung der Ergebnisse für eine Detailbetrachtung ein. Zugleich stellt das Institut klar, dass mit „Wasserstress“ nicht „Wasserknappheit“ gemeint sei. Wörtlich heißt es dort, „Die am 16.06.2025 veröffentlichte Überblicksstudie des ISOE hat zum Ziel, mit öffentlich verfügbaren Daten ein Gesamtbild zum Grundwasserstress in Deutschland zu erzeugen. Grundwasserstress ist dabei nicht gleichbedeutend mit Grundwasserknappheit, sondern ist als Vorwarnung zu verstehen, dass in den identifizierten Regionen bei steigender Grundwasserentnahme und/oder klimatischen Veränderungen mit Ökosystemschäden zu rechnen sein kann. In diesem Sinne zeigen unsere Ergebnisse strukturellen und/oder akuten Grundwasserstress in 201 von 401 Landkreisen an. Für diese Regionen empfiehlt die ISOE-Grundwasserforschung Detailstudien, wie sie teilweise auch schon durchgeführt werden.“ 

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass „Wasserstress“ ein Indikator für eine drohende Übernutzung der Wasserressourcen darstellt. Wenn 20 % oder mehr des erneuerbaren Wasserdargebots genutzt werden, wird in internationalen Vergleichen von Wasserstress gesprochen. In Deutschland liegt der Wert seit Jahren deutlich niedriger, aber in einigen Regionen ist das nicht der Fall.

BUND reagiert auf Kritik und korrigiert Kommunikation

Nachdem das ISOE Kritik an der Kommunikation geäußert hat, reagiert der BUND. Trotz der bestätigenden Rückmeldungen die der BUND aus der Öffentlichkeit erhalten hatte, gab es schon zu einem frühen Zeitpunkt nach der Veröffentlichung Kritik an der Studie. Daher hat der BUND am 9. Juli auf kritische Stimmen reagiert, die Kommunikation angepasst und auf wichtige Fragen geantwortet. Dazu zählt auch die aus dem Blickwinkel der Medienresonanz wohl bedeutendste Aussage:

In seiner Klarstellung erklärte der BUND am 9. Juli 2025.: „In der Pressemitteilung vom 16.6.2025 hat eine sprachliche Vereinfachung fälschlicherweise nahegelegt, dass in jedem zweiten Landkreis Grundwasser übernutzt wird. Dort hieß es: „In 201 von 401 Landkreisen wird mehr Grundwasser entnommen, als sich durch Niederschläge neu bilden kann.“ Richtig ist, dass in jedem zweiten Landkreis Grundwasserstress herrscht.“

Stellungnahme des BUND vom 9. Juli 2025 (Q: Website – Aufruf 31. Juli 2025)

BUND und DVGW erheben gemeinsame Forderungen für den Schutz des Grundwassers

Rund sechs Wochen nach der Erstveröffentlichung der Studie, mehreren Gesprächen und von den Medien kaum beachteten Stellungnahmen, geben die Verbände eine gemeinsame Erklärung heraus. Darin stellen die beiden Verbände in Aussicht, künftig bei der Frage der Nutzung der Wasserressourcen einen engeren Austausch vornehmen zu wollen. So heißt es in der gemeinsamen Absichtserklärung: „Darüber hinaus haben BUND und DVGW die Absicht, den öffentlichen und politischen Diskurs über die nachhaltige Nutzung unserer Wasserressourcen voranzubringen – etwa durch fachlichen Austausch und gemeinsame wissenschaftliche Studien.“

Die Verbände stellen auch konkrete Forderungen, so heißt es in der Erklärung: „Lösungen und Vereinbarungen sind nur im Konsens von Gesellschaft, Politik, der Wasserversorgung und den weiteren Nutzern tragfähig. Deshalb fordern BUND und DVGW gemeinsam:

  • Eine zügige Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie: Dazu gehören vor allem zügigere Prozesse in den Ministerien und ein belastbares Budget zur Finanzierung der Maßnahmen.
  • Ein regulativer Rahmen, der ermöglicht, die systematische, flächendeckende Datenerhebung von Grundwasserentnahmen, um Grundwasserressourcen besser zu steuern, nachhaltig zu nutzen und schützen zu können.
  • Die akteursübergreifende, gemeinsame Entwicklung von Entnahmeprioritäten bei Wasserknappheit, mit einem Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung vor anderen Nutzungen.
  • Die Überprüfung geeigneter Anreize zum bewussten Umgang mit Wasser, z.B. neue Entgeltmodelle für gewerbliche Nutzung.
  • Die Regulierung von Schadstoffen an der Quelle, für alle umweltschädlichen Substanzen, insbesondere für die Ewigkeitschemikalien PFAS.
  • Eine konsequente und zügige Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und ihrer Tochterrichtlinien.“

Lessons learned

Zunächst das Positive: BUND und DVGW erklären öffentlich ihre Absicht, gemeinsam den öffentlichen und politischen Diskurs über die nachhaltige Nutzung unserer Wasserressourcen voranbringen zu wollen. Das ist ein Erfolg. Denn allzu oft haben die beiden Verbände bisher nicht gemeinsam an den Wasserthemen gearbeitet, die für die Wasserwirtschaft im engeren Sinne d.h. für Natur und Menschen relevant sind.

Das weniger Positive: Das Thema Grundwasserstress hat es zwar in die Schlagzeilen geschafft. Der BUND darf sich als Impulsgeber verstehen. Aber leider hat er zu schnell geschossen. Die Formulierung zur Übernutzung führte zu Missinterpretationen, die teils ungeprüft weiterverbreitet wurden. Viele Journalisten haben nicht die Zeit oder/und den Hintergrund, sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Auch wäre es ratsam für den BUND gewesen, im Vorfeld auf fachlich versierte Institutionen zuzugehen und den Diskurs anzustoßen. Das dürfte auch die Erwartungshaltung der Mitglieder des BUND sein.

Leider folgen Kommunikation und Presseberichterstattung zum Thema Wasser einem immer häufiger auftretenden Muster. Dass knackige Überschriften mediale und öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen sollen, wenn es um weniger beachtete Themen geht, ist verständlich. Aber allzuoft wird die öffentliche „Hab-Acht-Stellung“ bei Wasser von Print-, Online-Medien und Sendern genutzt, um die Aufregung zu instrumentalisieren. Die Klicks und Erwähnungen scheinen ein zunehmend höheres Gut zu sein, als sachlich-fachliche Aufklärung über die Wasserthematik. Zugegebenermaßen sind die hydrologischen, technischen und ökonomischen Zusammenhänge bei Wasser nicht einfach, sie sind zudem sehr komplex. Aber vielleicht gerade deshalb kommt es in der Kommunikation auf die Feinheiten an. So sollte man jedenfalls Wasserkommunikation nicht machen.

In der deutschen Medienlandschaft habe ich vergeblich nach Berichten gesucht, die die zwischenzeitlichen Korrekturen und Richtigstellungen erwähnt haben oder gar inhaltlich darauf eingegangen sind. Erfolglos! Was bleibt, sind die Schlagzeilen der ersten Stunde. Die Richtigstellungen scheinen nicht zu interessieren. Wasser ist zu wichtig, um damit KlickBaits zu erzeugen und Auflagen zu machen!

Quellen und Weiterführendes

Beitragsfoto: Siegfried Gendries

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Was meinen Sie dazu?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.