Trinkwasserschutz mit Europäischer Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“, weil GAP in die Sackgasse führt

Sind Trinkwasserschutz und Ökolandbau die Verlierer beim so genannten „Systemwechsel“ der Europäischen Agrarpolitik? Ende Juni kam es nach 3-jährigen Verhandlungen zu einer Einigung im bei den GAP-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission. Die Ergebnisse werden von der Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet (IAWR) und den wasserwirtschaftlichen Verbänden hart kritisiert. Da Gewässer und der Trinkwasserschutz bedroht sind, rufen die Wasserwerker jetzt zur Unterstützung der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ auf. Diese läuft bis zum 30. September 2021 – es wird knapp für Bienen, Bauern und das Trinkwasser. Wenn es nicht klappt, drohe ein Rückschritt beim Ökolandbau und höhere Wasserpreise, da die Wasserschutzgebiete bedroht sind.

Rückschritt statt Fortschritt bei den Umweltleistungen

„Statt des von der Bundesregierung verkündeten „Systemwechsels hin zu höheren Umweltleistungen“ entpuppt sich die Agrarreform bei genauem Hinsehen als eklatanter Rückschritt beim Schutz des Grund- und Trinkwassers, aber auch des Klimas und der Biodiversität und geht letztlich auch zu Lasten der Landwirte“, bringt IAWR-Präsident Prof. Dr. Matthias Maier in einer Pressemitteilung die Kritik auf den Punkt. Die IAWR hat daher einen offenen Brief an die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und weitere zuständige Bundesminister/-innen übersandt. Inhalt ist ein bitteres Fazit zur EU-Agrarreform (Gemeinsame EU-Agrarpolitik, GAP, Zeitraum 2023-2027) und deren Umsetzung in Deutschland.

Der notwendige Umbau zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft, dem Ökolandbau, werde demzufolge nicht nur verpasst, sondern er erhalte durch doppelte Mittelkürzungen sogar einen Riegel vorgeschoben: Umstiegswillige Landwirte würden damit vom Umstieg auf Ökolandbau abgehalten und sogar Finanzanreize für eine Rückumstellung von Ökolandbau auf konventionelle Landwirtschaft vorgegeben. Mit diesen Mittelkürzungen wirke die Bundesregierung ihrem offiziell genannten Ziel zum Ausbau des Ökolandbaus auf 20 % bzw. dem Ausbauziel der EU auf 25 % bis 2030 massiv entgegen, so die IAWR.

Offener Brief an die Bundesministerin Julia Klöckner

In dem mir vorliegenden Brief an die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner adressiert die IAWR die Details: Durch einen fundamentalen Konstruktionsfehler der GAP 2023-2027, die in der Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft geprägt worden sei, würden die Gelder für bestehende Ökobetriebe und den Ausbau des Ökolandbaus enorm gekürzt. Dies erfolge, so die IAWR, sogar auf zweifache Weise: In der sogenannten ersten Säule der GAP (Direktzahlungen) könnten Ökobetriebe wegen des Verbots von Doppelförderung nicht an allen Eco Scheme-Fördermaßnahmen („Ökoregelungen“) partizipieren. Dies führe zu einer Kürzung der Direktzahlungen für Ökolandwirte um bis zu 25 %. Hinzu kommt die 19 %-ige Kürzung der zweiten Säule, aus der Ökolandbau finanziert werde.

Ausstieg aus dem gewässerverträglichen Ökolandbau sei zu befürchten

Die Kürzungen würden auch nicht durch die in Deutschland geplante Umschichtung von Mitteln der ersten in die zweite Säule kompensiert. Statt einem Aufbruchssignal für eine zukunftsfähige Landwirtschaft dürfte die Schlechterstellung des Ökolandbaus im Fördergefüge der ersten und zweiten Säule als auch die unzureichende Mittelausstattung in der zweiten Säule zahlreiche umstiegswillige Landwirte vom Umstieg auf Ökolandbau abhalten, befürchtet die IAWR in ihrem Schreiben an die Ministerin.

Die geplanten Rahmenbedingungen böten sogar ganz konkrete Finanzanreize zum Ausstieg aus Ökolandbau und zur Rückumstellung auf konventionelle Landwirtschaft. Mit diesen Mittelkürzungen wirke die Bundesregierung ihrem offiziell genannten Ziel zum Ausbau des Ökolandbaus auf 20 % bzw. dem Ausbauziel der EU auf 25 % bis 2030 massiv entgegen. Damit ende der Weg zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft auf halber Strecke.

Deutscher Bauernverband begrüßt Abschluss

Der Deutsche Bauernverband begrüßt dagegen die Einigung, weil sie insgesamt einen langwierigen Prozess zum Abschluss bringe und Planungssicherheit böte. “Dieser Kompromiss ist schwierig, aber auch notwendig, weil er eine mittelfristige Planungsgrundlage für die Jahre 2023 bis 2027 ermöglicht”, sagte Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, gegenüber EURACTIV Deutschland. “Die Einigung bringt eine deutlich stärkere Umweltorientierung, eine geringere Einkommenswirkung der Förderung und mehr Antragsbürokratie für die Bauern,” fügte er hinzu.

Wird staatliche Pflicht zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung vernachlässigt?

Die Wasserwerker am Rhein hatten bereits in ihrem „GAP-Appell“ vom Dezember 2020 auf die steigenden Bedrohungen der Trinkwasserqualität hingewiesen. Die zu hohen Einträge von Pestiziden, Gülle, mineralischem Stickstoffdünger und Antibiotika aus der konventionellen Landwirtschaft müssten mit der GAP verhindert werden. Nur durch ein Umsteuern der EU-Agrarpolitik könne präventiver Gewässerschutz erreicht werden, hieß es. Wasserschutzgebiete bräuchten dringend eine Umstellung auf Ökolandbau. „Die rückwärts gewandte Agrarreform wird nicht ohne Folgen für das Grundwasser bleiben und verstärkt zur Schließung von Brunnen und zum Einbau kosten- und energieintensiver End-of-Pipe-Aufbereitungstechniken in Wasserwerken führen. Darüber hinaus ist ein Durchbruch persistenter und mobiler Pestizid-Abbauprodukte ins Trinkwasser zu befürchten.“, erläutert Wolfgang Deinlein, IAWR-Geschäftsführer. „Es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass künftig ein gesundheitliches Risiko beim Genuss von Trinkwasser in Kauf genommen wird. Der Staat muss hier für den nötigen Gesundheitsschutz der Bevölkerung sorgen. Hier steht die Politik in der Pflicht gegenüber der Bevölkerung. Mit der Agrarreform wird dies jedoch vernachlässigt. Aus diesem Grund wurde der Offene Brief auch Gesundheitsminister Spahn gesandt.“

Unterzeichnung der Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“

Als verbleibende Option können europäische Bürgerinnen und Bürger vor dem 30.09.2021 die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Bienen und Bauern retten!“ unterzeichnen und weiterempfehlen. Damit kann noch ein Politikwechsel der EU-Agrarpolitik gefordert werden, denn die abschließende Entscheidung des EU-Parlaments zur GAP-Reform steht noch aus. Sie wird nach bisher vorliegenden Informationen für November 2021 erwartet. Eine erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative wäre auch ein bedeutendes Signal zur Unterstützung des European Green Deals, der einen schweren Rückschlag erleiden würde, wenn die EU-Agrarreform endgültig beschlossen würde. Schon einmal war eine Europäische Bürgerinitiative beim Wasser erfolgreich: eine Forderung von „right2water“ hat sich in der Anfang des Jahres beschlossenen EU-Trinkwasserrichtlinie niedergeschlagen. Der „Zugang zu hochwertigem Wasser“, einer der zentralen Forderungen von „right2water“, die übernommen worden ist, darf jetzt nicht durch die Hintertür aufgeweicht werden.


Dieser Link führt zur Europäischen Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ (bis 30.09.2021) und ihrer Unterschriftenaktion

Gemeinsame Agrarpolitik: Unterstützung der von den Mitgliedstaaten zu erstellenden und durch den EGFL und den ELER zu finanzierenden Strategiepläne ***I

Beitragsfoto von Hans Braxmeier auf Pixabay

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