Natürliche Mikroflora in Gewässern durch Chemikalien und Lichtverschmutzung gestört

Jetzt ist die Weihnachtsstimmung auf der Zielgeraden. Weihnachtsbeleuchtungen haben jetzt Hochkonjunktur. Allerdings hat diese Stimmung eine Schattenseite: Lichtverschmutzung stört das Leben in Gewässern. Zu viel künstliche Beleuchtung bei Nacht verändert die Artzusammensetzung der Mikroorganismen unter Wasser. Dies ist das Ergebnis der vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) durchgeführten „Citizen-Science“-Projekts unter dem Titel „Tatort Gewässer“. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Mikroorganismen in Gewässern stark von menschlichen Einflussfaktoren, allem voran der Verschmutzung von Licht- und Chemikalienverschmutzungen beeinflusst werden.

Bürgerwissenschaftler brachten es ans Licht

BürgerwissenschaftlerInnen beprobten mehr als 600 Flüsse, Bäche, Seen und Teiche in ganz Deutschland. Die Proben wurden von Forschenden unter Leitung des IGB ausgewertet. Auf diese Weise entstand ein einzigartiger Datenschatz, der drei deutschlandweite Trends belegt:

  1. die Mikroorganismen im Sediment zeigen in ihrem Erbgut Zeichen von chemischem Stress und Antibiotikaresistenzen.
  2. durch zu viel künstliche Beleuchtung bei Nacht verändert sich die Artzusammensetzung der Mikroorganismen unter Wasser.
  3. alle untersuchten Gewässer stoßen Treibhausgase aus.

Auf den ersten Blick scheinen die drei skizzierten Trends nicht viel gemein zu haben. Und doch: Sie alle haben mit Mikroorganismen zu tun. Kleinstlebewesen wie beispielsweise Bakterien zersetzen organisches Material. Sie tragen damit zur Selbstreinigung von Gewässern bei. Gleichzeitig können dabei aber auch die Treibhausgase Kohlendioxid und Methan gebildet und freigesetzt werden.

Forschende des IGB wollten deshalb mithilfe der von BürgerwissenschaftlerInnen erhobenen Daten herausfinden, wie sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft in Gewässersedimenten unter Licht- und Chemikalienverschmutzung verändert und ob das wiederum die Treibhausgaskonzentrationen beeinflusst.

Antibiotikaresistenzen unter den Bakterien im Sediment weit verbreitet

Da Treibhausgaskonzentrationen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Aktivitäten der Mikroorganismen stehen, wollten die Forschenden auch wissen, wie ausgeprägt chemischer Stress und Antibiotikaresistenzen bei den Kleinstlebewesen vorkommen. Dafür analysierten sie zwei spezifische Gensequenzen (IntI1, blaOX58), die zum einen Rückschlüsse auf anthropogenen Stress, also den menschlichen Einfluss auf unsere Umwelt, zulassen und zum anderen einen ersten Hinweis geben, wie weit Antibiotikaresistenzen in unseren Gewässern verbreitet sind. Der genetische Marker für den anthropogenen Stress wurde an 85 Prozent der Standorte gefunden, besonders häufig in städtischen Bächen und Flüssen.

An immerhin 45 Prozent dieser Standorte mit menschengemachtem Stress fanden sich auch Antibiotikaresistenzen. „Dies verdeutlicht den allgegenwärtigen menschlichen Einfluss durch Rückstände von Pharmaka wie Antibiotika und anderen Spurenstoffen in Gewässern selbst auf die kleinsten Organismen“, sagt Ko-Autor Dr. Christian Wurzbacher von der TU München. „Inwieweit ein gestresstes Mikrobiom die Funktion der Gewässerökosysteme und unsere Gesundheit beeinträchtigt muss in weiteren Studien geklärt werden.“

Bei „Tatort Gewässer“ haben viele Leute mitgeholfen, wichtige Proben zu nehmen. | Foto: Sibylle Schroer, IGB

Lichtverschmutzung verändert die Zusammensetzung der Mikroorganismen

Anhand des Abgleichs von Geodaten der Bürgerwissenschaftler*innen und Satellitenaufnahmen konnte das Team zudem den Grad der Lichtverschmutzung ermitteln. Von zu viel künstlicher Beleuchtung bei Nacht waren demnach 75 Prozent der untersuchten Standorte betroffen, vor allem in städtischen Gebieten entlang von Flüssen. Die Studie verdeutlicht, wie stark Mikroorganismen in Gewässersedimenten von menschlichen Stressoren beeinflusst werden. Interessanterweise wirkten sowohl chemische Schadstoffe als auch Lichtverschmutzung in fließenden Gewässern stärker auf die Mikroorganismen als in stehenden Gewässern. „Das kann damit zusammenhängen, dass Fließgewässer im Vergleich zu ihrer Fläche über mehr Uferlinie verfügen als stehende Gewässer. Die Effekte von Lichtverschmutzung, Abwässern und städtischen Gebieten könnten daher ausgeprägter ausfallen“, erklärt Franz Hölker.

Lichtverschmutzung in den Kommunen sollte verhindert werden

Auch wenn die Ergebnisse aufschlussreich sind, stellt sich doch die Frage, welche Schlussfolgerungen oder Forderungen daraus abgeleitet werden sollten. Ich fragte daher bei Frau Dr. Sibylle Schroer, der Wissenschaftlichen Koordinatorin für Nachhaltigkeitsforschung beim IGB, nach. Das IGB sehe sich mit den Ergebnisse bei der Forderung an die Politik, eine konsequentere Durchsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie umzusetzen, bestätigt, erklärt mir die Wissenschaftlerin.

Um dies zu verdeutlichen, verweist sie auf den Policy Brief des IGB „Biologische Vielfalt in Binnengewässern – bedrohte Lebensgrundlagen von Natur und Mensch besser schützen“ als Forschungsbasierte Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Gewässerpolitik. Darin wird kritisiert, dass es zwar bereits gesetzliche Grundlagen für viele Maßnahmen gebe, jedoch ein erhebliches Umsetzungsdefizit herrsche und es ebenso an objektiven Erfolgskontrollen mangeln würde. 

Auch fordert das IGB die Politik auf, „Druck auf die Kommunen auszuüben, Lichtverschmutzung allgemein zu reduzieren und vor allem direkte Lichtemissionen auf Gewässser und Uferbereiche zu vermeiden. Das spart nicht nur Energie – endlich werden im Rahmen der Energiekrise ein paar Maßnahmen umgesetzt – sondern hilft auch, den artenreichen Lebensraum zu schützen und für Wildtiere die Stabilität in Ökosystemen zu erhalten.“ Das IGB hat in Zusammenarbeit mit einem Umweltrechtswissenschaftler und dem BfN im Jahr 2019 den Handlungsleitfaden für Kommunen „Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen: Anforderungen an eine nachhaltige Außenbeleuchtung“ herausgegeben.

Beitragsfoto: Johann-Jaritz CC-BY-SA-3.0 AT via Wikimedia Commons

1 Kommentar

  1. Es wäre interessant zu sehen zu welchem Anteil die Lichtverschmutzung für den anthropogenen Stress verantwortlich gemacht wird. Diese marginal, temporäre Beeinflussung ließe sich durch ein reduzieren der Lichtquellen einfach beseitigen, während pharmazeutische und chemische Spurenstoffe mittlerweile weltweit nachgewiesen werden und sich teilweise nicht natürlich abbauen lassen.

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