Gräben und kleine Bäche an Ackerflächen sind wichtige Schadstoffsenken im Wasserkreislauf

Wassergraben zwischen Feld und Straße
Feld-Wassergraben Foto: Gendries

Häufig unbeachtet, aber ökologisch bedeutsam: Wassergräben und kleine Bäche am Rand von landwirtschaftlichen Flächen haben eine wichtige Funktion für die Nitratreduktion und die Grundwasseranreicherung. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine bemerkenswerte Studie. Wassergräben und kleine Bäche fördern mit ihren darin lebenden Mikroorganismen den Abbau von Nitraten und verbessern so den Stickstoffgehalt in Flüssen und Seen. Wissenschaftler konnten jetzt zeigen, dass das Bachwasser in einem intensiven Austausch mit dem umgebenden Grundwasser steht, wodurch die Mikroben stimuliert werden. Dies hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Tillmann Lüders an der Universität Bayreuth jetzt erstmals nachgewiesen. Auf meine telefonische Nachfrage erläutert mir Prof. Lüders die Einordnung der Gräben als natürlicher Ökosystemdienstleister, den es durch Politik und Landwirtschaft zu schützen gilt.

Multifunktionale Gräben: Grundwasseranreicherung und Nitratabbau

Die häufig vom Menschen neu geschaffenen oder umgestalteten Wassergräben und Bäche am Rand von Äckern sammeln bis zu 70 Prozent des Wassers in landwirtschaftlichen Einzugsgebieten ein. Sie sind damit eigentlich ein rein funktionales Element. Aber das ist ein weit verbreiteter Trugschluss, denn die Gräben und Bäche können mehr. „Der Anteil, den diese Bäche an der Reinigung des Wassers haben, ist von der Forschung bisher deutlich unterschätzt worden. Man hat diese kleinen Fließgewässer bislang hauptsächlich als reine Drainagen angesehen, die das aus landwirtschaftlichen Nutzflächen stammende Wasser auffangen und abfließen lassen, ohne die Wasserqualität nennenswert zu beeinflussen. Unsere Studie widerlegt nun diese Sichtweise. Wie wir zeigen konnten, ist das Bachbett dieser Gewässer dicht mit Mikroorganismen besiedelt, die Nitrat abbauen: Sie reduzieren umweltschädliches Nitrat zu gasförmigem Stickstoff. Überraschenderweise haben wir dabei lokal grundlegende Unterschiede in der Besiedlung gefunden: In einigen Abschnitten des Bachbetts fanden sich klassische Denitrifizierer, in anderen Abschnitten dagegen noch weniger bekannte, sogenannte chemolithoautotrophe Nitratreduzierer“, erklärt Prof. Dr. Tillmann Lüders, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Ökologische Mikrobiologie innehat.

Die Besiedlung der Wassergräben mit Organismen, die schädliches Nitrat abbauen, steht in engem Zusammenhang mit einem weiteren Phänomen, das die Forscher jetzt in Zusammenarbeit aufzeigen konnten: Die kleinen Fließgewässer nehmen nicht nur Wasser aus der Landschaft auf, sondern geben gleichzeitig auch wieder Wasser an das umgebende Grundwasser ab. Umgekehrt kann dieses Grundwasser stromabwärts auch wieder dem Bach zuströmen. Dadurch können auf einer Fließstrecke von wenigen 100 Metern mehr als 80 Prozent des im Graben fließenden Wassers ausgetauscht werden. Alle diese Prozesse sind abhängig von den lokalen Geländeeigenschaften und beeinflussen ihrerseits die Besiedlung des Bachbetts durch nitratreduzierende Mikroorganismen.

Wassergräben aktiv gestalten und erhalten, um ihre Ökosystemleistung zu sichern

Wir sind hier auf ein bisher unbekanntes Ineinandergreifen von Hydrologie und Mikrobiologie gestoßen, dem die ökologische Landschaftsgestaltung künftig mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Der sehr viel bessere Erkenntnisstand zu größeren Fließgewässern darf nicht zu einer nachrangigen Betrachtung solch kleiner, landwirtschaftlich geprägter Bäche und Gräben führen. Diese haben einen nicht zu unterschätzenden Anteil an den Selbstreinigungskräften eines gesamten Wassereinzugsgebietes“, sagt Zhe Wang, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ökologische Mikrobiologie.

Grundwassermesspegel im Schönbrunnen, dem in der Studie untersuchten Fließgewässer bei Tübingen (c) Tillmann Lüders

Damit Gräben und Bäche ihre wichtige Ökosystemleistung erbringen können, müssen sie der Natur erhalten bleiben. Vielerorts sind sie aber vom Austrocknen bedroht, so verlieren sie ihre Funktion. „Ja, das ist ein natürlicher Prozess“, beschreibt Prof. Lüders auf meine telefonische Nachfrage die Folgen des Trockenfallens im Sommer, wenn der Regen ausbleibt, „sie ganzjährig vor Austrocknung zu schützen, das werden wir nicht schaffen. Aber wir sollten den Wert der Gräben anders einschätzen.“ Bisher, so Lüders, wären die Gräben an landwirtschaftlichen Flächen nur als effiziente Entwässerungssysteme betrachtet worden. „Wir müssen aber jetzt anerkennen, dass sie nicht nicht nur drainieren, sondern auch infiltrieren und exfiltrieren“, erklärt er mir. Auf meine Frage, was denn getan werden müsse, um ihre Funktion zu erhalten, antwortet der Wissenschaftler, „Wir müssen das Abflussverhalten der Gräben anders gestalten. Wir müssen sicherstellen, dass das Wasser länger in der Landschaft verbleibt. Dadurch können dann die Nitrateinträge reduziert werden.“ Spätestens an dieser Stelle müßten doch auch Landwirte erkennen, dass die Gräben ihnen nicht nur das Wasser von den Feldern abführen, sondern auch die Nitratkonzentrationen reduzieren helfen. „Wir müssen“, so Lüders weiter, „die Gräben mit der Landwirtschaft gemeinsam intelligenter gestalten.“ Daran hätte, so kann man vermuten, die Landwirtschaft doch auch ein vitales Eigeninteresse.

Der hiermit nachgewiesene Stellenwert dieser Kleinstgewässer dürfte jetzt eigentlich auch in politischen Maßnahmen Berücksichtigung finden. Ich schaue dabei auch auf die Nationale Wasserstrategie. Bei der Diskussion in der Arbeitsgruppe „Naturschutz“, an der ich selber teilgenommen hatte, war der Blick auf den Schutz der Gewässerrandstreifen landwirtschaftlicher Flächen gerichtet. Auch in den Wassergesetzen der Länder geht es um die Randstreifen, jetzt sollte der Blick auf die Gewässer und Gräben – auch wenn sie natürlich trockenfallen – gerichtet werden.

Die Studie bietet wichtige Anknüpfungspunkte für eine nachhaltigere Gestaltung von Agrarlandschaften: Die Randgebiete landwirtschaftlich genutzter Flächen mit ihren charakteristischen Wassergräben können möglicherweise gezielt so gestaltet werden, dass Schadstoffbelastungen aus der Landwirtschaft reduziert und vielleicht sogar beseitigt werden. Dadurch werden die folgenden Fließgewässer und auch das Grund- und Trinkwasser besser geschützt.

Wichtig ist es aber in jedem Fall, zu verhindern, dass derartige Gräben verrohrt werden. In den Betonrohren stirbt die Biologie und der Austausch mit dem Boden. Das Regenwasser aus der Felddrainage wird abgeführt und die Nitrate werden zum Problem der Natur und der Trinkwasseraufbereitung. Selbst in meiner Nachbarschaft gibt es einen solchen Drainagegraben einer landwirtschaftlichen Fläche. Diese wollte der damalige Bürgermeister verrohren lassen, um eine Zufahrt zu verbreitern. Das haben wir erfolgreich verhindert. Damals war uns noch nicht bewußt, welchen zusätzlichen Stellenwert dieser Erhalt hatte.

Weiterführendes

Die Forschungsarbeiten, die zu der jetzt in „Water Research“ veröffentlichten Studie geführt haben, wurden exemplarisch in Schwaben, bei Tübingen, durchgeführt. Sie waren eingebettet in den DFG-Sonderforschungsbereich CAMPOS der Universität Tübingen, an dem Prof. Lüders als externer Partner beteiligt war. Sie wurden ebenso begleitet und gefördert durch das Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung (BayCEER) der Universität Bayreuth. Darüber hinaus waren Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung UFZ in Leipzig, des Helmholtz-Zentrums München – Deutsches Zentrum für Gesundheit und Umwelt in Neuherberg sowie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover (BGR) an der Studie beteiligt.

Zhe Wang, Oscar Jimenez-Fernandez, Karsten Osenbrück, Marc Schwientek, Michael Schloter, Jan H.Fleckenstein, Tillmann Lueders: Streambed microbial communities in the transition zone between groundwater and a first-order stream as impacted by bidirectional water exchange. Water Research (2022), DOI: https://dx.doi.org/10.1016/j.watres.2022.118334

Beitragsfoto: Gendries

4 Kommentare

  1. Ich kann es leider nur laienhaft ausdrücken.
    Die Gräben, gehörten bevor sie in ein größeres Gewässer fließen mit „einem Brett“ von Höhe X versehen, damit immer ein Rest Wasser ( bis zur natürlichen Verdunstung/ Versickerung) in Graben verbleibt. Durch die Sperre, die nur eine gewisse Höhe hat, bräuchte man sich nur sporadisch kümmern.
    Das sind meine Gedanken, als absoluter Laie

  2. Für Freunde und Kenner der Aquaristik kommt das gar nicht so überraschend: Dort sind die Bedeutung einer großen Filteroberfläche und eines funktionierenden Bakterienklimas im Bodengrund für den Stickstoffkreislauf seit vielen Jahrzehnten bekannt 😉
    Aber es ist sehr schön und hilfreich das auch in diesem Zusammenhang wissenschaftlich aufgearbeitet zu wissen.

  3. Leider zeigt dieser Beitrag nur einen Teil der Wahrheit. Gräben dienen auch der Entwässerung von Böden. Diese können dann ihre „Schwammfunktion“ (Regenwasserspeicherung) nicht mehr nachkommen. Das gleiche Problem tritt auch in der Forstwirtschaft auf. Auch dort befinden sich seltsamerweise oft viele Entwässerungsgräben.
    Georg Gellert (Landesarbeitskreis Wasser BUND NRW)

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