EU-Kommission stoppt eigene Initiative für die Widerstandsfähigkeit der Wasserressourcen

Irgendwie scheint der Dauerregen die Brisanz des Themas Wasser zu mildern. Dieser Eindruck wird durch den Stopp der „EU-Initiative für die Widerstandsfähigkeit der Wasserressourcen“ vermittelt. Scheinbar ist dieser Vorstoß von der Agenda der EU-Kommission geflogen. Ungeachtet der Bedrohung durch Klimawandel und Übernutzung der Ressourcen, scheint sich die Sorge vor den Wahlen und den Lobbyisten überwogen zu haben. Der Aufschrei bei Umwelt- und Wasserverbänden ist groß.

Ursula von der Leyen kündigt Wasserinitiative an

Ein Blick zurück: Im Herbst 2023 kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Teil ihres European Green Deals die Wasser-Resilienz-Initiative (Initiative for water resilience – non-legislative) für das 1. Quartal 2024 an. Am 12. März sollten Inhalte vorgestellt werden. Bisher wurde hinter verschlossenen Türen gearbeitet. So war von verschärfter Regulierung, Wasserbewirtschaftung, Nutzungspriorisierungen und Finanzierung der Infrastrukturen zu hören. Bis heute gibt es keine öffentlichen Informationen, welche Inhalte konkret mit der Initiative geplant waren. Dann kam das „Aus“ – direkt aus dem Umfeld der Kommission.

Das Thema der Initiative befand sich nicht mehr auf der Agenda der wöchentlichen Kommissionssitzung, wie in einem Video eines Pressebriefings zu erfahren war. Meine Anfrage bei der Pressestelle der EU-Kommission wurde ebenfalls nur mit dem lapidaren Hinweis auf das Video beantwortet.

Das „warum“ ist noch nicht bekannt, jedenfalls wurde vor wenigen Tagen die Wasser-Resilienz-Initiative abgeblasen. Vielleicht gingen der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Vorschläge angesichts der EU-Parlamentswahlen und der sich abzeichnenden Proteste insbesondere der Landwirte zu weit.

Commission Work Programme of the European Union, 17.10.2023 (Q: European Union)

Verbände sind empört

Wir haben Wasserstress in Europa. Spanien und Portugal trocknen aus. Italien und Griechenland werden überschwemmt. Die Wasserressourcen schwinden. Für die Erhaltung der Infrastrukturen fehlen die Mittel. Die Natur leidet. Während die Konflikte und Kriege in der Welt die Aufmerksamkeit und die finanziellen Mittel absaugen, trocknet Flüsse und Seen aus. In diesen Zeiten von Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden ausgerechnet Politikmaßnahmen zum Schutz unserer wichtigsten Ressource nicht anzugehen, zeugt nicht eben von weiser Voraussicht. Das jedenfalls beklagen Organisationen wie der WWF und EurEau, der europäische Verband der nationalen Verbände der Wasserwirtschaft. EurEau zeigte sich „zutiefst besorgt“. In Zeiten, in denen immer mehr Regionen damit zu kämpfen haben, den Wasserbedarf der Gesellschaft zu decken, sei dies „ein negatives Signal an Landwirte, Industrie, Tourismus, Wasserversorger und nicht zuletzt an die Natur selbst“. Auch von der deutschen Wasserwirtschaft wurde die Terminabsage mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. So seien die Veranstaltungen, die zur Meinungsbildung der EU beitragen sollten, gut besucht gewesen. Viele Teilnehmer wird die Hoffnung motiviert haben, dass sie zu einer Initiative werden beitragen können, mit der die aquatische Umwelt und der Umgang mit Wasser in Europa einheitlich auf die Bedingungen des Klimawandels ausgerichtet werden können. Die Hoffnung war, die Vielzahl der Richtlinien und Einzelinitiativen zusammengeführt werden und einen einheitlichen Rahmen für die Nachhaltigkeit im Wassersektor schaffen.

Dafür hatte sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bereits im Dezember 2023 stark gemacht, in dem er sich für einen ergänzenden „Blue Deal” eingesetzt und gefordert hatte, dass die kommende EU-Kommission Wasser zu einer eigenständigen Priorität macht. „Es gibt keinen echten Grünen Deal ohne eine parallele Wasserstrategie, und es ist höchste Zeit, dass dies in der europäischen Klimastrategie berücksichtigt wird“; so untermauerte Oliver Röpke, EWSA-Präsident, die Forderung nach einem Blue Deal in einem Interview mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR).

Ausgetrockneter See im Hohen Atlas-Gebirge in Marokko
(Foto: Gendries)

Kritik kommt auch vom NABU: „Indem die EU-Kommission ihre Wasser-Resilienz-Initiative auf unbestimmte Zeit verschiebt, versäumt sie es, wichtige Leitlinien für den europäischen Umgang mit Wasser zu setzen. Offensichtlich scheut sie die Auseinandersetzung mit dem Agrarsektor, wie die Reaktionen auf die jüngsten Proteste von Landwirt*innen zeigen. Paradoxerweise hängt die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft jedoch genau von diesem Wandel in der Wasserbewirtschaftung ab.“ Damit zeigt der NABU treffend auf, dass die Lobbyisten der Landwirtschaft den Bäuerinnen und Bauern in Europa gerade einen Bärendienst erweisen, denn die unklaren Verhältnisse und die unsichere Ressourcenentwicklung könnte diesen Aufschub zu einem Pyrrhussieg werden lassen.

Wasserwirtschaftliche Infrastrukturen müssen gesichert werden

Den überfälligen Handlungsbedarf beim „Wert des Wassers“ betonte auch Pál Belényesi von der global agierenden Kanzlei Dentons, selber im Vorbereitungsprozesse einiger „optimistischer nationaler Wasserreformen“ involviert war, auf meine Anfrage. Auch er zeigt sich enttäuscht von dem offensichtlichen Moratorium, bezeichnet es aber nur als eine Frage des Timings. Er hätte sich gewünscht, dass „der wirtschaftliche Wert von Wasser stärker in der Nutzung und seiner Preisgestaltung zum Ausdruck kommt„. Wasser müsse den „wahren Wert“ erhalten und obwohl es sich um ein grundlegendes Menschenrecht handelt, müssten im Preis alle externen Kosten enthalten sein. Die Wasserpreise „reflektieren nicht den Wert einer endlichen Ressource“ und es finde zu wenig Kontrolle bei der Wassernutzung statt. Es bedürfe einer groß angelegten Investitionsförderung in Wasserverteilungsnetze und eine Finanzarchitektur mit Anreizen sowie begleitenden Verhaltensstrafen für Wassernutzer sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, dazu war und ist weiterhin auf Arbeitsebene ein Konsens in Sicht, berichtete er. Die System destabilisierenden Bedrohungen müssten schnellstmöglich angegangen werden, erklärt er mir. „Aber davon sind wir in Europa noch weit entfernt. Zu viele neoklassische Ökonomen und politische Populisten dominieren das Spiel. Die Tragödie des Gemeingutes Wasser geht also weiter.

Unsicher wie es weitergehen wird

Wie es ganz genau weitergehen wird, war bisher nicht zu erfahren. Auf dem Portal der „Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission“ wird weiter für die EU Green Week 2024 mit dem Titel „Towards a water resilient Europe“ geworben. Die Erwartungshaltungen der potenziellen Teilnehmer des Events, das vom 29. – 31. Mai in Brüssel stattfinden wird, dürften gerade auf den Null-Punkt gesunken sein. Auf einer Konferenz am 12. März könnte es erste Erklärungen geben. Diese wird jetzt großer Spannung erwartet, wie mir eine Verbandsvertreterin versicherte. Die belgische Ratspräsidentschaft hat eingeladen zu „Speeding up to a water resilient Europe„. Der Titel könnte angesichts der aktuellen Entwicklungen unpassender nicht sein….

Beitragsfoto: Sven Lachmann / Pixabay

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