Der Sommer 2020 kommt. Wie sich Deutschlands Talsperren vorbereiten

Nur wenige denken jetzt schon an den Sommer 2020, anders die Wasserversorger und Talsperrenbetreiber. Ihre Vorräte könnten bei der nächsten Hitzewelle wieder „heiß begehrt“ sein. Aber Deutschland ist geteilt. Während einige beruhigt auf ihre Wasservorräte schauen und sich über Regen freuen, wird es anderen Regionen eng. Die Harzwasserwerke, einer großen Vorlieferanten von Stadtwerken, zeigen Handlungsbedarf auf. In Südsachsen hat sich schon der Umweltminister eingeschaltet. Da fehlt noch einiges, um sich auf die Sommerzeit zu freuen.

Fernwasserversorger diskutieren über angespannte Situation und was zu tun ist

Heute und morgen treffen sich die Fernwasserversorger und Talsperrenbetreiber zum Forum Fernwasserversorgung in Hildesheim, dem Sitz der Harzwasserwerke. Es ist Christoph Donner, deren Geschäftsführer, der heute zum Thema „Fernwasserversorgung – Rollen-Aufwertung durch Klimawandel“ spricht. Die Themen liefert ihm in diesen Tagen das Wetter: Trockenheit und zu geringer Regen sowie ausbleibender Schneefall.

Das Wetter kann der Geschäftsführer nicht ändern, da hilft auch sein Name nicht weiter. Donner wird berichten, dass anders als im Vorjahr, als zum gleichen Zeitpunkt starke Regenfälle den Negativtrend deutlich stoppten, der Niederschlag im Einzugsgebiet der Talsperren der Harzwasserwerke anhaltend zu gering ist. Schon in der letzten Woche hatte er die Öffentlichkeit informiert. Denn die Monate November und Dezember hatten nur unterdurchschnittlichen Regen geliefert. Auch der zu warme Januar habe kaum Regen zu bieten gehabt, teilte der Versorger, von dem 2 Millionen Menschen über Stadtwerke ihr Wasser beziehen, mit. Die Füllstände im Westharz lägen mit aktuell 55% deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 72%. Es fehlen demnach 20 Millionen Kubikmeter Wasser im Vergleich zum Vorjahr. Im Vergleich zum Vorjahr ergäbe sich ebenfalls ein Defizit von rund fünf Millionen Kubikmetern. Noch gäbe es keinen Grund zur Sorge. Bleiben aber die Niederschläge im Harz weiter aus, werden an den Talsperren Vorsichtsmaßnahmen getroffen, teilen die Harzwasserwerke mit.

Blick auf die Granetalsperre (Foto: Gendries)

Angespannte Situation im Westharz und in Sachsen

Die Versorgungssicherheit ist weiter gesichert, dennoch ist die Situation insgesamt angespannt. Wenn man es mit einer Ampel vergleicht, stehen wir bei Gelb“, erklärte Dr. Donner in einer Pressemitteilung die Situation im Westharz.

Deutlich dramatischer noch zeigt sich die Situation in Sachsen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, habe sich auch schon die Landespolitik eingeschaltet. „Die Sorge um Folgen des Wassermangels in Sachsen wächst. Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) beschrieb die Lage am Freitag bei einem Besuch der Talsperre Cranzahl im Erzgebirge als „sehr ernst“: „Helfen würden nur überdurchschnittliche Niederschläge in den kommenden Wochen. Bleibt es weiterhin so trocken, haben wir spätestens im Frühsommer eine Niedrigwassersituation, die noch kritischer als 2018 oder 2019 ausfallen kann“, so die Süddeutsche Zeitung (siehe auch Tweet unten). Was passieren kann, erleben gerade die Menschen in Südsachsen. Wie die Freie Presse berichtet, zeige sich in der Talsperre in Cranzahl ein erschreckendes Bild. Der Füllstand läge bei nur 53 %. „Am Donnerstagabend hat die Landestalsperrenverwaltung sinnbildlich die Reißleine gezogen und den Abfluss aus der Talsperre gestoppt.“ Bei einem nicht als solches bezeichnetes Krisentreffen mit dem Umweltminister wurde mit Versorger und Talsperrenbetreiber über Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung diskutiert.

Versorgungssicherheit darf sich nicht allein auf’s Wetter verlassen

Die Versorgungssicherheit darf auf gar keinen Fall gefährdet sein. Schon jetzt gibt es Verteilungskämpfe um die knapper werdende Ressource Wasser – auch in Deutschland. Da ist Niedersachsen auch wegen des Wasserbedarfs der Landwirte und der Industrie keine Ausnahme. Auch die Natur wird im nächsten trockenen Sommer ihren Anteil fordern. Daher müssen die Harzwasserwerke alle Nutzer im Blick haben. Sie treffen daher Vorbereitungen, um die Trinkwasserversorgung auch im Falle eines Dürre-Sommers weiter gewährleisten zu können. Anhand von Wettervorhersagen, historischen Datenreihen und Langzeit-Modellen wird untersucht, wie die Talsperren auf die Entwicklungen angepaßt werden können.

Kurzfristig kann in Abstimmung mit der Talsperrenaufsicht die Regulierung die Niedrigwassers angepasst werden. Denn die Wasserabgabe der Talsperren versorgt auch die angeschlossenen Flüsse konstant mit Wasser und schützt damit das aquatische Ökosystem und die Flüsse vor Austrocknung. Auch angrenzende Industriestandorte oder Kläranlagen erhalten so benötigtes Wasser für Kühl- und Arbeitsprozesse. Eine weitere Maßnahme zur Sicherung der Trinkwasserversorgung ist die Steuerung der Talsperren im Verbundsystem, die über Gräben und Stollen miteinander verbunden sind. Ähnliche Maßnahmen wurden bereits im Dürre-Jahr 2018 getroffen.

Entspannte Lage im Ostharz und „Punktlandung“ beim Ruhrverband

Anders als bei den Harzwasserwerken im Westen, ist die Lage auf der anderen Seite des Harzes eher entspannt. „Im Ostharz sieht es nicht so dramatisch aus wie im Westharz. Zwar sind die Talsperren hier auch nicht voll, aber die Füllstände geben noch keinen Grund zu Besorgnis. Mit rund 81 Mio. m³ (Stand heute früh) ist die Rappbodesperre zu etwa 75 Prozent gefüllt. Das ist ausreichend für ein komplettes Trinkwasserjahr, selbst wenn es wieder sehr trocken wird. Wir gehen aber natürlich von weiteren Zuflüssen aus, aktuell regnet es ja auch schon schön“, erklärt mir die Pressesprecherin der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz, Jana Arnold, prompt und treffend auf meine Anfrage.

Das Ruhrgebiet hängt an den Talsperren. Hier ist der Ruhrverband für die Talsperren und deren Wassermanagement zuständig. Dank gut gefüllter Vorräte ist die Lage dort ebenfalls entspannt. Mit 82% durchschnittlichem Füllstand bei den Wasserreservoirs entlang der Ruhr (3.2.2020), verfügt man dort in den Talsperren wie Möhnesee, der Sorpe-, Biggetalsperre & Co. über beruhigende Reserven. Besser noch, Britta Balt, stellvertretende Pressesprecherin des Ruhrverbandes, erklärte auf meine Anfrage „Bei unseren Talsperren haben wir mit 100,1 % eine Punktlandung zum langjährigen Mittel“. Das bedeutet für die 4,6 Millionen Menschen entlang der Ruhr, dass sie sich keine Sorgen über das Trinkwasser machen müssen. In Freude versetzen wird dies auch die Wasserversorger entlang der Ruhr. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Das wird auch die Wasserversorger entlang der Ruhr in Freude versetzen. Einer von denen ist die RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft in Mülheim an der Ruhr. Deren Pressesprecher Ramon Steggink kann schon mal für deren Kunden Entwarnung geben: „Auch wenn der Sommer 2020 wieder heiß und trocken wird, wie in den Vorjahren werden sich unsere Kunden beim Trinkwassergebrauch nicht einschränken müssen. Wir sind auf der sicheren Seite. Wasserverschwendung sollte natürlich trotzdem nicht sein.“

In den Rohren kann es schon mal eng werden

Das sind nur wenige Beispiele für Maßnahmen, um die es heute beim Fernwasser-Forum in Hildesheim gehen wird, um die Versorgungssicherheit und Leistungsfähigkeit der Fernwasserversorger sicherzustellen. Aber auch auf die Spitzen kommt es an. Selbst wenn die Talsperren gut gefüllt sind, Engpässe kann es dennoch geben. Dann ist weniger die Menge, als vielmehr die kurzfristige Abnahme das Problem. Denn die Leitungen und Wasserwerke sind auf so manche Spitzenverbräuche schlicht nicht vorbereitet. Darauf weisen auch die Wasserversorger immer wieder hin. Wenn alle im Sommer abends zur gleichen Zeit den Wasserhahn aufdrehen und die Gärten oder Felder bewässern, dann sind die Versorgungsanlagen schon mal an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Dann ist der „Flaschenhals in den Trinkwasseranlagen“ zu eng und es kann schon mal der Druck fehlen. Aber noch sind das hierzulande Ausnahmeerscheinungen. Wer wissen will, wie es aussieht, wenn es richtig eng wird, der sollte die Geschichte von Kapstadts (ausgefallenen) „Day Zero“ lesen…

Weiterführendes/ Quellen

  • Beitragsfoto: Möhnesee im Sommer 2019

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