Wohnungsnot steigt, weil Wasserknappheit Neubauprojekte ausbremst

Neue Wohnungen werden in England dringend gebraucht. Aber wegen der Wasserknappheit stehen geplante 60.000 neue Wohnhäuser in Süd-England auf der Kippe. Damit sind die ambitionierten Wohnungsbauziele der Regierung gefährdet. Vorschläge für wassereffizientes Wohnen finden immer mehr Zuspruch.

  • Weshalb die Wasserknappheit in England den Neubau dringend benötigter Wohnungen behindert
  • Weshalb die Wasserversorger mit neuen Anlagen den Bedarf nicht decken können
  • Weshalb Water Smart Homes die Lösung sein könnten
  • Welche Akzeptanz das Wasserrecycling und die Regenwassernutzung in England haben

Wasserknappheit gefährdet wohnungsbaupolitische Ziele

Wasserknappheit könnte die wohnungsbaupolitischen Ziele von Englands Labour-Regierung gefährden. 370.000 neue Wohnungen sollen nach dem im Dezember 2024 verkündeten Fünf-Jahresplan gebaut werden. Allerdings sind die Städte und Gemeinden im Osten und Südosten Englands in ihren Entwicklungsvorgaben von der Wasserknappheit stark betroffen. Schon in den vergangenen Jahren mussten mehrfach Wassernutzungen eingeschränkt werden.

Ungeachtet dieser Probleme hatte die Regierung die Ziele für den Wohnungsbau erhöht. Die rückläufigen Wasserressourcen infolge sinkender Niederschläge treffen auf eine wachsende Bevölkerung und steigende Temperaturen. Während England in früheren Zeiten für seinen häufigen Regen belächelt wurde, stöhnen die Briten immer häufiger unter anhaltenden Trockenphasen und Niedrigwasser in den Flüssen und Bächen.

Das hat Auswirkungen auf die Schaffung von neuem Wohnraum, denn wo gebaut wird und künftig mehr Menschen wohnen, muss auch genügend Wasser zur Verfügung stehen. Die englischen Wasserunternehmen sind – wie in Deutschland – gesetzlich verpflichtet, neuen Wohnraum mit Wasser zu versorgen. Wenn sie dies nicht können, müssen sie die zuständige Behörde darüber informieren. Dadurch werden die Neubauvorhaben zunächst ausgebremst.

Neue Konzepte zum sparsamen Umgang mit Wasser werden dringend benötigt

Früher hatten die Verbraucher in England wenige Anreize, mit Wasser sparsam umzugehen. Die Zähler, mit denen der Wasserverbrauch gemessen und berechnet wird, werden erst seit einigen Jahren zur Standardausstattung – und auch noch nicht überall. Erst 60 Prozent der Haushalte verfügen über Wasserzähler (in Deutschland sind es 100 Prozent). Somit gab es keine preislichen Anreize.

Die Trockenheiten und die daraus resultierenden Nutzungseinschränkungen haben einen Bewusstseinswandel bewirkt. Der Wasserverbrauch liegt im Vereinigten Königreich bei durchschnittlich nur rund 140 Litern pro Person täglich (121 Liter in Deutschland) und soll bis 2050 auf 110 Liter gesenkt werden. Um das zu erreichen – und auch damit wieder Neubauten zu ermöglichen, gibt es mehrere Alternativen.

Die englischen Wasserunternehmen sind dafür verantwortlich, Wasser sparende Geräte (wie z.B. Perlatoren, WC-Spülstopp-Vorrichtungen oder Regentonnen) bereitzustellen und ihre Kunden über deren Nutzung zu informieren. In vielen Fällen bieten die Wasserunternehmen diese Geräte kostenlos oder zu einem subventionierten Preis an. Die Kosten dürfen auf die Wasserpreise aufgeschlagen werden.

Im wasserknappen England reicht Wassersparen schon nicht mehr aus. Daher kommen neue Lösungen für alternative Wasserressourcen ins Spiel. Bei Neubauten wird daher auf das „Water Smart Housing“ (i.S.v. wassereffizientes Wohnen) gesetzt. Mit dem Konzept soll der Wasserverbrauch in neuen Wohnbauprojekten durch innovative Bauformen und Technologien minimiert werden. Dies ist Teil einer breiteren Initiative zur Förderung der nachhaltigen Wassernutzung und zur Anpassung an die Herausforderungen der Wasserknappheit, die durch Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Urbanisierung verstärkt werden.

Regionen, in denen die Neubauziele am stärksten durch Wasserknappheit bedroht sind (Q: EWSC)

Online-Umfrage bestätigt hohes Interesse an „alternativen Wasserressourcen“

Für dieses Konzept macht sich die Enabling Water Smart Communities (ESWC), eine Interessenvertretung von lokalen Behörden, Wasserunternehmen und Universitäten, stark. ESWC will Smart Water in den Kommunen etablieren. Eine vom ESWC in Auftrag gegebene Studie unter dem Titel The Case for Water Smart Housing zeigt die Handlungserfordernisse und Potentiale zur Problemlösung auf.

So wollen die Initiatoren „Water Smart Housing“ in die bevorstehende Novelle des Bau- und Planungsrechts in England einbringen. In Folge dessen sollen bei Neubauvorhaben diverse Formen wassersparender Applikationen wie Regen- oder Gebrauchtwassernutzungsanlagen zulässig sein oder gar in den Bauleitplanungen verankert werden.

In einer anonymen Online-Umfrage im Auftrag der ESWC unter mehr als 4.000 Personen in ganz Großbritannien wurde die Einstellung zur Wasserwiederverwendung und zur Wasserknappheit im Allgemeinen erforscht. Ziel war es herauszufinden, welchen Stellenwert das Thema Wasserknappheit im Verhältnis zu anderen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, aber auch im Verhältnis zur Wohnungsknappheit hat. Überraschend aus meiner Sicht ist die überragende Bedeutung der Wohnungsknappheit (siehe Grafik).

Grafik zu den Befragungsergebnissen zur Akzeptanz von Smart Water Housing in England
Welche Probleme treffen UK am stärksten – Befragungsergebnisse zur Akzeptanz von Smart Water Housing (Q: ESWC)

Zugleich sollte herausgefunden werden, wie sich die Art der Wasserwiederverwendung, der Standort der Befragten, ihr Wasserverbrauch und die Wasseraufbereitung auf die Einstellung der Öffentlichkeit auswirken. Auch sollte herausgefunden, welche Arten von Botschaften rund um die Wasserwiederverwendung am effektivsten und am wenigsten effektiv sind.

Die Umfrage ergab, dass die Öffentlichkeit sehr bereit ist, Wasser in ihren Haushalten wiederzuverwenden. 75 Prozent wären bereit, Regenwasser oder Grauwasser (Wasser aus Waschbecken, Duschen, Bädern, Waschmaschinen) beispielsweise für die Toilettenspülung zu verwenden. Dabei spielt die Art der Wasserwiederverwendung eine Rolle: Die Befragten zeigten sich sehr offen, Regenwasser wiederzuverwenden, stehen aber dem Konzept des wiederverwendeten Toilettenwassers ablehnend gegenüber. Der früher in der Wissenschaft verwendete Claim „from toilet to tap“, der jedem Marketingexperten die Nackenhaare hoch stehen lässt, wird auch in dieser Studie als ungeeignet erklärt. Ungeachtet dessen zeigten sich die Befragten bereit, recyceltes Wasser für die Toilettenspülung und für Außenanwendungen wie Bewässerung und Reinigung zu verwenden.

Wasserknappheit hatte Pläne für European Silicon Valley gestoppt

Wer nach Beispielen sucht, wo es in England bereits zu Planungsstopps kam, wird unter anderem in der Region der Elite-Universität Cambridge fündig. Die dortige Wasserknappheitsorgte in den letzten Jahren für besonders viel Wirbel. Die englische Regierung hatte Pläne, den Standort als „European Silicon Valley“ auszubauen. Im Rahmen der Cambridge 2040-Vision der Regierung sollten bis zu 250.000 zusätzliche Wohnungen gebaut werden. Der Plan drohte allerdings wegen fehlender Wasserressourcen unerreichbar zu werden. Dazu zählt auch ein Projekt mit 4.500 Wohnungen im Dorf Waterbeach bei Cambridge. Dieses neue Siedlungsgebiet, ein ehemaliger Militärstandort, war aufgrund von Wasserengpässen von den Umweltbehörden drei Jahre lang gestoppt worden. Rest im Dezember 2024 bekam das Projekt die endgültige Genehmigung.

Projekte zur Erweiterung der Ressourcen verlaufen schleppend

Die englischen Wasserunternehmen planen auf Druck der Regierung bereits erhebliche Investitionen in die Verbesserungen ihrer Infrastruktur und Erweiterungen der Wasserreservoirs. Die britische Regierung will über 100 Milliarden Pfund bereits stellen, um zusätzliche Wassertransfersysteme und neue Wasserleitungen zu schaffen (Überlegungen, die wir mittlerweile auch aus Deutschland kennen). Denn die sprunghaften Wasserpreisanstiege sind bei unseren Inselnachbarn bereits zu einem gefährlichen Politikum geworden. Anders in Deutschland sind dort die Wasserpreise staatlich reguliert. Die englischen Wasserversorger planen nicht nur neue Reservoirs und unterstützen die Verbraucher zudem beim Wassersparen, sie reduzieren zudem ihre Wasserverluste – eine Achillesferse der englischen Wasserwirtschaft.

Eine weitere Parallele, die auch deutsche Unternehmen beklagen: Die Projekte sind schon seit vielen Jahren in der Planungsphase, ohne dass Ergebnisse absehbar wären. Es gibt auch in England viele administrative und planungsrechtliche Hürden. Da entsteht ein Dilemma, angesichts dessen der Druck auf die Wasserversorgung bestehen bleibt. So wird das erste nach 1992 neu geplante Wasser-Reservoir in England voraussichtlich erst im Jahr 2031 eröffnet – fast vierzig Jahre später. Der Bau eines weiteren großen Reservoirs durch Thames Water in Oxfordshire wird nicht vor 2039 abgeschlossen sein.

Für viele der neu geplanten Wohngebiete kommen diese Anlagen natürlich viel zu spät. Da sind die Wasser-Spar- und Effizienzsteigerungsmaßnahmen zwar alternativlos, aber womöglich bestenfalls ein „Tropfen auf dem heißen Stein“.

Wohnungsmangel und Wasserknappheit als Treiberkräfte für Smart Water Innovationen im Wohnungsbau

Die Diskussion über Wasserknappheit und deren Auswirkungen auf den Wohnungsbau zeigt, dass ein umfassender und nachhaltiger Ansatz zur Wasserversorgung und -nutzung unerlässlich ist, um die Herausforderungen der steigenden Nachfrage durch den Wohnungsbau und die wachsende Bevölkerung zu bewältigen. Es bedarf es eines integrierten Wassermanagementsystems, dass die wohnungswirtschaftlichen und wasserwirtschaftlichen Belange in der Planung und Politikgestaltung in ihren Wechselbeziehungen berücksichtigt. Die Verfügbarkeit von Trinkwasser ist ein entscheidender Faktor in der Bauleitplanung. Wasserknappheit oder sich abzeichnende Engpässe führen zu Verzögerungen oder sogar zum Stopp von Bauprojekten. Die Untersuchungen in England belegen, wie hoch die Akzeptanz von Smart Water Systemen im Wohnungsbau sind.

Beitragsfoto: Freepik

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