Wie gut ist Deutschlands Wasserwirtschaft auf Extremwetter wie in Texas vorbereitet?

Während wir die extreme Winterkälte schon wieder vergessen haben, litt die Bevölkerung im US-Bundesstaat Texas unter den Folgen einer „Eiszeit“. Weil der Südstaat derartige Temperaturen nicht kennt, waren die dortigen Infrastrukturen nicht vorbereitet – mit fatalen Folgen für die Menschen. Eine Woche später sind immer noch über 200 Landkreise ohne Wasser. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erklärt, warum deutsche Wasserversorger besser vorbereitet sein könnten.

1.500 Versorger mit Betriebsstörungen sorgen für Wassernotstand bei fast 15 Millionen Texanern

Die arktische Kälte in weiten Teilen der USA hatte vor allem den warme Temperaturen gewohnten Bundesstaat Texas hart und völlig unvorbereitet getroffen. Die Stromversorgung brach zusammen, weil die Nachfrage zum Heizen massiv anstieg und es zugleich Probleme bei der Energieproduktion gab, unter anderem wegen eingefrorener Rohrleitungen. Von den Stromausfällen waren auch die Wasserversorger betroffen. So meldeten am Samstag, den 20. Februar, 1.445 öffentliche Wasserversorger „wetterbedingte Betriebsstörungen“ und Wasserrohrbrüche. Davon waren fast 14,4 Millionen Texaner betroffen, das ist nahezu jeder zweite Bewohner des Staates. Vielerorts – nicht nur in Texas – führten diese Störungen zu zeitweiligen Ausfällen in den Wasserwerken und somit zu Unterbrechungen der Versorgung mit Trinkwasser. In Folge dessen fiel der Wasserdruck, woraufhin das Trinkwasser in den Netzen stagnierte. Darauf reagierten die Behörden weil sie wegen der Rohrbrüche und Stagnationen ein Eindringen von Bakterien in die Leitungen und die Kontamination des Trinkwassers befürchteten. In 190 Landkreisen wurden so genannte „Boil Water Notices“ angeordnet. Das sind Abkochanordnungen, die erforderlich werden, wenn das Leitungswasser beeinträchtigt sein kann oder kontaminiert ist. Am vergangenen Sonntag wurden 64 Anordnungen aber schon wieder aufgehoben.

Zentrale Notversorgung mit Flaschenwasser

Wenn das Wasser aus den Leitungen nicht mehr fließen kann, sind die Haushalte auf flaschenwasser angewiesen. Die Regale in den Supermärkten waren aber in kürzester Zeit leer gefegt. Daher wurden die Verteilung von Flaschenwasser durch die Behörden im Rahmen des Krisenmanagements übernommen. Daher dürfte der Staat Texas der größte Abnehmer von Flaschenwasser gewesen sein. Insgesamt 5,5 Millionen Flaschen wurden bereitgestellt, von denen bis Freitag bereits 2,1 Millionen verteilt worden waren. An den zentralen Ausgabestellen bildeten sich Kilometerlange Autoschlangen.

Wasserrohrbrüche in nicht winterfesten Wohnhäusern warten auf überlastete Installateure

Nicht nur die öffentlichen Wasserleitungen waren betroffen. Viele Rohrbrüche ereigneten sich bei den Hausbesitzern. Die Leitungen sind und en Südstaaten der USA regulär nicht gegen Frost gesichert. Anders als wir es kennen, sind die die Leitungen an den Häusern nicht durch Einbauten oder das Erdreich geschützt. „Die meisten Texaner machen ihre Häuser nicht winterfest. In den heißen Monaten, die wir haben, wäre dies kontraproduktiv. Wir wissen also, dass es dort draußen viele Rohrbrüche gibt„, erklärte Nim Kidd von der Texas Division of Emergency Management während einer Pressekonferenz. Auf schnelle Hilfe konnten nur wenige der Betroffenen hoffen, denn die Installateure und anderen Handwerker waren wegen Überlastung auf Wochen ausgebucht.

Krankenhäuser ohne Wasser

Eine besonders vulnerable Gruppe bei Strom- und Wasserausfällen sind bekanntermaßen Krankenhäuser. COVID-19 überlagert zwar die Probleme des Gesundheitssektors, durch die Wasserkrise kamen neue Probleme hinzu. Diese brachten einige Krankenhäuser an den Rand der Betriebsfähigkeit. Den Verlautbarungen und Presseberichten zufolge sind Kliniken in Texas mit vielfältigen Problemen konfrontiert, von geplatzten Wasserleitungen bis hin zu Unterbrechungen der Lieferkette aufgrund des strengen Winterwetters im gesamten Bundesstaat, erklärte die Sprecherin der Texas Hospital Association am Freitag. Nur wenige konnten auf Wasservorratsbehälter zugreifen, mit denen der Ausfall überbrückt werden konnte. In den Medien zeigten sich einige Kliniken glücklich, die auf Poolwasser aus ihrem Wellnessbereich zurückgreifen konnten.

Und Deutschland? Alles sicher?

Solange die Ursachenforschung und Schadensbewertung noch nicht abgeschlossen ist, erscheint es verfrüht, Schlussfolgerungen zu ziehen. Übertragen auf deutsche Verhältnisse sind sicher einige Bedingungen anders. Unsere Wasserinfrastrukturen sind technisch auf Extremwetterlagen ausgelegt. Anders könnte es aber bei einem „Blackout“ sein. Wenn die Energieversorgung zusammenbricht, würde sehr schnell auch ein „Blueout“ folgen, bei dem die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung ihre Leistungsfähigkeit einbüssen würden. Erst Anfang Januar sind wir einem solchen Ereignis nur knapp entgangen.

Die Kritische Infrastruktur ist gut vorbereitet. Bundesamt BBK zeigt die Unterschiede zwischen Deutschland und Texas auf.

Im Falle Texas kamen zwei Ereignisse simultan zusammen: Großflächiger Stromausfall in Kombination mit strengem Frost bzw. Wintersturm.
Nach aktueller Kenntnislage sind in Folge dessen Wasserpumpen, die nicht notstromversorgt waren, ausgefallen und Rohrleitungen zugefroren bzw. geborsten (gefördert durch eine mangelnde Versorgung von Warmwasser aufgrund des Stromausfalls). Dies hat zu einem verminderten Wasserdruck und einer Mangelversorgung geführt.

Ich wollte es ganz genau wissen und habe beim BBK, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, nachgefragt, um zu erfahren, ob und wie sich die Bedingungen unterscheiden und welche Vorkehrungen hierzulande getroffen werden.

Deutsches Stromnetz ist auch nicht absolut sicher, deshalb fördert der Bund die Resilienz in der Wasserwirtschaft

Ich erhielt auf Anfrage eines Auskunft, die uns im Grundsatz beruhigen kann. So erklärt die Pressestelle: „Bezüglich der Stromversorgung bzw. Ausfallsicherheit ist zu sagen, dass in Deutschland ein großflächiger und langanhaltender Stromausfall als möglich, aber mit einer relativen Eintrittswahrscheinlichkeit zu bewerten ist. Stromausfallereignisse der letzten Jahre (z.B. Berlin im Jahr 2019, Münsterland 2005) zeigen, dass ein solches Szenario als durchaus plausibel anzusehen ist. Jedoch stellt das Stromnetz in Texas ein von dem Rest der USA unabhängiges Netz dar, so dass keine Energiezufuhr von anderen Staaten möglich ist. Ein solch isoliertes und von bundestaatlicher Regulierung unabhängiges Stromnetz liegt in Deutschland nicht vor.

Fakt ist, dass Wasserinfrastruktursysteme ohne Stromversorgung auf Dauer nicht zu betreiben sind. Eine Beeinträchtigung der öffentlichen Wasserversorgung über einen längeren Zeitraum ist wiederum mit erheblichen Folgen für die Bevölkerung verbunden. Über die Notstromversorgung der Wasserversorgungsunternehmen liegen dem Bund zur Zeit keine gesicherten Daten vor. Der Bund befürwortet, fördert und unterstützt jedoch ausdrücklich eine Stärkung der Resilienz der öffentlichen Wasserversorgung. Dies zeigt sich auch durch die finanzielle Förderung von Vorsorgemaßnahmen (u.a. auch die Teilfinanzierung von Notstromaggregaten von Wasserversorgungsunternehmen) im Rahmen des letzten Konjunkturpaketes. Dies geschieht im Sinne des Doppelnutzens hinsichtlich der Vorsorge für den Verteidigungs- und Spannungsfall, wo der Verantwortungsbereich des Bundes liegt. Die generelle Verantwortung und Zuständigkeit bezüglich der Vorsorge auf Ereignisse wie in Texas liegen bei den Unternehmen und Ländern (durch die entsprechenden Wassergesetze auf Länderebene).

Szenario-Betrachtungen offenbaren mögliche Folgen eines Extremwinters

Bezüglich des Szenarios „Strenger Frost“: Bei Temperaturen unter -15 Grad Celsius und Tageshöchstwerte von -5 Grad Celsius besteht auch in Deutschland die Gefahr, dass Wasserleitungen einfrieren. In der Folge platzen schlecht gedämmte oder poröse Rohre. Wenn das gefrorene Wasser in den Rohren wieder auftaut, können ebenfalls erhebliche Wasserschäden entstehen. Betroffen sind hier vor allem Altbauten und unbewohnte Gebäude. Grundsätzlich können auch Ventile etc. einfrieren, sodass ein Abschiebern nicht mehr möglich ist und die Störung sich verschlimmert, da kein ausreichender Druck mehr herrscht. Ein solcher Bruch der Leitung führt dann wiederum ggf. zu erheblichen Störungen im Verkehr (Glatteis). Sind Geräte von anderen Kritischen Infrastrukturen von eine beständigen Wasserversorgung abhängig, hat dies dann wiederum weiterführende Folgen neben der Versorgung mit Trinkwasser (z.B. das Beispiel von manchen Kühlanlagen oder Aufbereitungstechniken in Krankenhäusern).

Deutschland ist gut vorbereitet

Somit ist ein solches Ereignis auch in Deutschland denkbar. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit als relativ gering einzuschätzen, da in Deutschland bezüglich der Sicherheit der Stromversorgung und der öffentlichen Wasserversorgung andere Grundvoraussetzungen herrschen, als es in Texas der Fall ist. In Deutschland wird ein hoher Wert auf die Versorgungssicherheit gelegt und dementsprechend Vorsorge betrieben. Der Bund unterstützt hier die Unternehmen und Länder im Rahmen seiner Zuständigkeit. Im Rahmen des Zivilschutzes fördert der Bund gemäß des Wassersicherstellungsgesetzes Maßnahmen zur Härtung der öffentlichen Wasserversorgung und stellt Infrastrukturen zur Nottrinkwasserversorgung (u.a. die Bundesnotbrunnen) zur Verfügung. Des Weiteren untersucht der Bund zusammen mit Partnern die Auswirkungen von Mangelversorgungen auf andere Kritische Infrastrukturen bzw. die Bevölkerung und stellt Handlungsempfehlungen zur Notfallvorsorgeplanung bereit (siehe u.a. Kritische Infrastrukturen-Resilienz als Mindestversorgungskonzept (KIRMIN) und NOtfallvorsorgeplanung der WAsserver- und -entsorgung von Einrichtungen des Gesundheitswesens – organisatorische und Technische Lösungsstrategien zur Erhöhung der Resilienz (NOWATER)“, soweit das BBK.

Alles gut? Versorgungssicherheit gehört auf die Agenda

Am Ende kommt es trotz der umfangreichen Unterstützung durch die Behörden und Institutionen immer darauf an, dass diese von den Wasserversorgern und Abwasserentsorgern auch angenommen werden (können). Vielerorts werden die Risiken einfach noch nicht erkannt oder/und es fehlen die Ressourcen, die Notfallpläne auch umzusetzen und für die Notfälle zu proben. Das Tagesgeschäft – zumal während der Corona-Zeiten – ist für manche schon Krise genug. Es wird also so sein, dass das Thema in den gesellschaftlichen Diskurs gehört und Politiker gleichermaßen wie Verbraucher die ihre Infrastrukturunternehmen dabei unterstützen sollten, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit es zu derartigen Ausfällen wie in Texas in Deutschland nicht kommt. Wir erleben diese Entwicklung gerade auch bei der IT-Sicherheit und der Digitalisierung. Zwar machen bei letztere fast alle mit, den strengen strengen Regularien gesetzlicher Vorgaben können sich 99% der Unternehmen entziehen. Das schützt sie aber nicht vor Cyber-Attacken.

Die Bedrohung der Versorgungssicherheit durch Extremwetterereignisse nimmt in Deutschland kontinuierlich zu. Das ist angesichts des Klimawandels und der gleichzeitigen Energiewende nicht überraschend. Extremwetterereignisse wie in Texas, das haben die vergangenen Wochen in großen Teilen Deutschlands gezeigt, stellen die Energieversorgungs- und Trinkwasserversorgungssicherheit auf die Probe. Auch hier dürfte es in Zukunft kritischer werden. Der Beinahe-Blackout am 8. Januar 2021 ist von vielen gar nicht wahrgenommen worden – es war eben nur beinahe ein Ausfall. Der österreichische Krisenexperte Herbert Saurugg prognostiziert schon jetzt: „Es ist binnen der nächsten 5 Jahre mit einem europaweiten Blackout zu rechnen.“ Eine gesamtstaatliche Blackout-Vorsorge sei deshalb „zwingend erforderlich“, zitiert ihn das Magazin Focus.

„Versorgungssicherheit in Krisensituationen“ ist kein Nischenthema, sondern gehört auf die gesellschaftspolitische Agenda. Während Corona haben die Unternehmen und Betriebe ihr Bestes gegeben und die Leistung uneingeschränkt aufrecht erhalten. Sie brauchen unsere Unterstützung auch für den „Fall der Fälle“. Vielerorts werden Wasserversorgungskonzepte und -strategien erarbeitet, da gehört das Thema hinein. Auch das Bundesumweltministerium erarbeitet eine Wasserstrategie. Wir sind auf die Ergebnisse auch aus diesem Blickwinkel gespannt.

Quellen / Weiterführendes

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