Steht Fracking auf der Kippe? – Verbot in New York und sinkende Ölpreise

Andrew Cuomo ist der „Robin Hood“ der Fracking-Gegner. Allen bisherigen Erfolgsmeldungen der unkonventionellen Energieproduktion in den USA zum Trotz, wird der Gouverneur von New York der erste Regierungschef eines US-Bundesstaates sein, der ein Fracking-Verbot verhängt. Cuomo kündigte vergangene Woche ein Verbot der umstrittenen Fördermethode an. Damit ist New York ist der erste Bundesstaat mit großen Vorkommen, der diesen Schritt wagt. Der Schiefergas-Boom in den USA erhält damit einen ersten Dämpfer. Vielleicht ist es aber auch der wirtschaftliche Erfolg selbst,  der die Öl- und Gasquellen zum Versiegen bringt. Die einbrechenden Ölpreise drängen die Investments an den Rand der Profitabilität. Aber da ist ja noch das Streben nach energiepolitischer Unabhängigkeit der USA. 

New York scheut die Risiken und entscheidet zugunsten der Umwelt
Weil beim Fracking das Gas und das Öl mit einem Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Zusätzen aus Gesteinsschichten in Tausenden Metern Tiefe herausgebrochen werden, fürchten Umweltschützer und besorgte Bürger um die Lebensqualität, Gesundheit und Umwelt in den Abbauregionen. Offensichtlich zurecht, wie eine Studie der Gesundheitsbehörde des Bundesstaates New York belegt. Man könne die möglichen Folgen nicht abschätzen, sagte Howard A. Zucker, der Vorsitzende der Behörde, auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse: „Wir können es uns nicht leisten, einen Fehler zu machen.“ So zählt das soeben veröffentlichte Gutachten der New Yorker Gesundheitsbehörde akribisch die Risiken der Methode auf: allem voran Trinkwasserverunreinigungen durch Methan, Fracking-Chemikalien und undichte Bohrlöcher sowie Verunreinigungen privater Trinkwasserbrunnen, aber auch Luftverunreinigungen wegen des LKW-Verkehrs und flüchtigen Chemikalien, Klimaeinflüsse wegen austretenden Methans, Erdbeben in Folge des Aufbrechens unterirdischer Schichten und so weiter. Ausschlaggebend waren aber auch die vielen unbeantworteten Fragen und die erkennbaren Risiken. Deshalb endet das 176-seitige Gutachten mit der Empfehlung „Fracking sollte im Bundesstaat New York nicht fortgesetzt werden“. Dem schloss sich der Gouverneur an. Umweltschützer loben das Fracking-Verbot als mutige Entscheidung. Sie befürchten Gefahren für Natur und Gesundheit der Menschen in der Region. Zunächst hatte es nur ein Moratorium gegeben das Fracking temporär untersagte. Nun folgt also das Verbot. Als Grund für seine Entscheidung nannte Gouverneur Cuomo die Risiken der Fördermethode.

Während Umweltschützer und die Liberalen das Fracking-Verbot feiern und den Gouverneur für seine Vorreiterrolle loben, erreicht ihn von den Nachbar-Bundesstaaten Häme und Unverständnis. Sie wollen weiter machen und mit dem unverhofften Energieerträgen ihre öffentlichen Finanz-Haushalte sanieren. Laut US-Magazin Wall Street Journal hat der Fracking-Boom im Nachbarstaat Pennsylvania die Zahl der Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft innerhalb von vier Jahren mehr als verdoppelt. Genauso hoch war auch der Anstieg der Durchschnittslöhne in der Branche. Diese Entwicklung schlug sich auch im Steueraufkommen nieder, das in der Zeit um mehr als 2,1 Milliarden US-Dollar anstieg. Wirtschaftlich betrachtet darf Fracking für einen Bundesstaat, der in Infrastruktur wie Brücken, Wasserversorgung und Strassen investieren muss, als Segen betrachtet werden. Dennoch mehren sich auch auf kommunaler Seite die Widerstände gegen das Verfahren zur Energiegewinnung. Aus Angst um die Gesundheit und die Umwelt sprachen sich Städte wie Denton (Texas), Athens (Ohio) und einige weitere Kommunen in Kalifornien dagegen aus. Die Gegenbewegung bekommt jetzt Unterstützung aus New York. „Niemals zuvor hat ein Bundesstaat mit gesicherten Ressourcen das Fracking verboten,“ kommentierte Deborah Goldberg von der Umweltschutzorganisation Earthjustice, „diese Entscheidung wird anderen Politikern in den USA und anderen Regionen dieser Welt den Mut geben, um zu sagen: Fracking ist zu gefährlich und darf nicht weiterverfolgt werden.“ Inwieweit technologische Weiterentwicklungen wie das wasserfreie Fracking mithilfe von Stickstoff oder das Wasserrecycling ausreichend dabei berücksichtigt wurden, läßt sich im Detail nicht beurteilen. Am Ende ist es eine politische Entscheidung. New York würde gemeinsam mit Ohio, West Virginia und Pennsylvania auf die „Marcellus Shale“ zugreifen, eine Region mit marinem Sedimentgestein, benannte nach dem Dorf Marcellus im US-Bundesstaat New York. „Marcellus Shale“ erstreckt sich über einen Großteil des Appalachen-Plateaus und umfasst damit auch die Nachbarstaaten, die ihrerseits vom Boom profitieren. Der Teil der Marcellus-Formation, der sich im Staat New York befindet, bleibt wegen des Verbots nun wohl unberührt.

Sind es die niedrigen Ölpreise, die das Fracking unrentabel machen?
Möglicherweise ist es aber der Fracking-Boom selbst, der sich ein Ende bereitet. Die Erschliessung von Schiefergas-Lagerstätten lohnt erst dann, wenn der Preis für das so genannte West Texas Intermediate Öl (WTI) mindestens über 80 Dollar pro Barrel liegt. Wie wir aber alle merken, sinken die Ölpreise seit einigen Wochen auf immer neue Tiefstände. Inzwischen liegt der Kurs an der Nasdaq bei unter 60 Dollar (siehe Chart). Wenn diese Entwicklung anhält, lohnt die Erschliessung der Lagerstätten nicht mehr. Dies könnte den Boom in den USA zum Stocken bringen. Zu diesem Ergebnis gelangt eine ökonomische Fracking-Analyse des Wirtschaftsprofessors Ali Dadpay von der Clayton Universität im US-Bundesstaat Georgia. Er begründet die Entwicklung der unkonventionellen Öl- und Gasförderung mit dem um 2008 und vorher hohen

Ölpreis WTI (20.12.2014) und Break Even Q: NASDAQ / eigene Ergänzungen
Ölpreis WTI (20.12.2014) und Break Even Q: NASDAQ / eigene Ergänzungen

Ölpreisniveau. Dieses lag bei 150 Dollar je Barrel, und damit weit über dem Break-Even in Höhe von 90 Dollar,  also jenem Preis der angesichts der Kosten eine Erschliessung rentabel  macht. Die hohen Renditen zogen immer mehr neue Investoren an, die immer mehr neue – zusätzliche – Lagerstätten erschlossen. Damit wurde ein ganz gewöhnlicher ökonomischer Zustand ausgelöst. Während der Preis sinkt, steigt die Nachfrage und damit die Produktionsmenge. Seit 2011, so Dadpay, stieg die US-Ölproduktion um drei Million Barrel täglich an, bis auf 8,5 Million Barrel in diesem Sommer. Aktuell ist der Preis mit 57 Dollar auf einen Tiefpreis gesunken. Damit wird die Gewinnschwelle des Fracking deutlich unterschritten. Diese würden Umweltökonomen sogar noch höher ansetzen, da sie mit den Externen Kosten rechnen. Hierbei handelt es sich um Umwelt- und Gesundheitskosten, die nicht von den Investoren, sondern von der Allgemeinheit getragen werden müssen, aber eigentlich dem Produkt zugerechnet werden müssten. Damit wäre Fracking volkswirtschaftlich vermutlich schon bei weit über 100 Dollar je Barrel unwirtschaftlich. Trotzdem, so erläutert Dadpay, ist Fracking aus energiepolitischer Sicht unverzichtbar für die US-Wirtschaft. Die durch das Fracking auf dem eigenen Kontinent  gewonnene Unabhängigkeit der US-Energieversorgung von den unsicheren Ölstaaten im Mittleren Osten und insbesondere Russland ist gerade in der gegenwärtigen Spannungslage  für die USA offensichtlich von größerer Bedeutung, als es der Umweltschutz oder die Ölpreise sind. Aber dennoch sind es die einzelnen Investoren für die sich das Engagement lohnen muss. Und davon scheint es immer weniger zu geben, wie aus der Branche zu hören ist.

Was wird Europa machen?
Mit Blick auf den anstehenden Winter und die Abhängigkeit der europäischen Gasversorgung von Russland werden sich wohl einige EU-Staaten wünschen, dass sie wie die US-Amerikaner das Fracking früher vorangetrieben oder sogar nicht auf die Bedenken der Bürger gehört hätten. Allerdings hätten sie sich damit auch über gesundheits- und umweltpolitische Gründe gegen das Fracking hinweggesetzt. Und da die Angst um ihr Trinkwasser die Menschen sogar stärker bewegen mag, als hohe Benzin- oder Gaspreise, bleibt der Widerstand gegen das Fracking in Deutschland und Europa wohl erhalten. Man wird abwarten müssen, ob die politische Lage im Verhältnis zum Gaslieferanten Russland und der nahende Winter die Mehrheitsmeinung ändern können. Vielleicht fällt ein kalter Winter sogar dem Klimawandel zu Opfer und die aufkeimende Unterstützung für das Fracking in Deutschland würde wieder dahinschmelzen. Dann würde sich auch hier ein Kreis schliessen.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Was meinen Sie dazu?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.