SPIEGEL: Verantwortung für globale Wasserressourcen – Brauchen wir eine Wasserpolitik?

„Das Wasser wird knapp, weltweit nehmen Dürren zu – mitschuldig daran sind Verbraucher, die spanische Erdbeeren kaufen, aber auch Regierungen und Konzerne, die sich an der wichtigsten Ressource der Zukunft bereichern. Sie ist wertvoller als Erdöl.“ Dies ist die Einleitung des Titelthemas „Bis zum letzten Tropfen“ im aktuellen SPIEGEL. Ein bei diesen Temperaturen willkommener Beitrag, auch wenn sich damit die Ähnlichkeit schon erschöpft, denn in weiten Teilen Deutschlands werden derartige Extremsituationen dank der guten Versorgungslage nicht zu befürchten sein. Der 200. Beitrag im Blog LebensraumWasser befasst sich mit der Frage der Konsumentenverantwortung für globale Wasserfragen und einer neuen „Wasserpolitik“.

Am Beispiel von vier „Hotspots“ in Spanien, Kalifornien, Brasilien und Israel beschreiben die Autoren warum Konsumenten und Industrie eine Mitverantwortung an der Wasserknappheit in bedrohten Regionen tragen. Mandeln aus Kalifornien und Erdbeeren aus Spanien sind die beispielhaften Produkte des täglichen Konsums, die aus Regionen stammen deren Wasservorräte schon für die eigene Bevölkerung zu knapp sind. Durch den zusätzlichen Export des „virtuellen Wassers“, also Wasser das im Zuge der Bewässerung und Produktion benötigt wird und bestenfalls als Brauchwasser dem regionalen Kreislauf erhalten bleibt, geht der dortigen Bevölkerung die dringend benötigte Ressource verloren. Wenn wie in Kalifornien auch noch ein lang anhaltende Dürre hinzukommt oder wie in Brasilien Flüsse und Seen zu Kloaken werden, sind Katastrophen kaum abzuwenden. In der Tat stellt sich die auch im SPIEGEL aufgeworfene Frage, wer die Entwicklung stoppen kann. Sind es nationale Regierungen, die Industrie, die

Der Wasserkonsum deutscher Verbraucher im Vergleich
Der Wasserkonsum im Vergleich

Agrarwirtschaft, der Handel oder doch am Ende die Konsumenten? In Wirklichkeit sind es ja mehr als diese vier vergleichsweise prosperierenden Regionen deren Wasser exportiert wird. Auch die Baumwoll-T-Shirts aus Indien, Steaks aus Argentinien, Schnittblumen aus Kenia oder Biodiesel aus brasilianischen Sojabohnen landen in unseren Warenkörben. Aber kann muss sich der Konsument dem Vorwurf aussetzen, verantwortungslos gehandelt zu haben? Das eigentliche Problem ist vielschichtiger.

Informationsasymmetrie behindert verantwortungsvolles Handeln der Konsumenten 

„Konsumenten können als Kollektiv nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch auf das Verhalten von Unternehmen Einfluss nehmen,“ lautet eine Feststellung in dem wirtschafts- und konsumethischen Buch „Die Verantwortung des Konsumenten“ von Heidbrink/Schmidt/Ahaus. „Der Verbraucherseite wächst (…) eine zentrale Rolle bei der nachhaltigen Transformation der Industriegesellschaft zu.“ Kurzum: Die Macht des Konsumenten! Wenn die Industrie der Social Responsibilty nicht nachkommt, muss der Konsument eingreifen. Aber so einfach ist es dann doch leider nicht. „Informationsasymmetrie“ nennt man das Dilemma in dem sich die Verbraucher befinden. Wie soll einem Produkt im Regal angesehen werden können, wie viel Wasser darin enthalten ist und ob es aus Knappheitsregionen stammt. Es fehlt das Informationssystem. Sicher, es gibt die Internetseite waterfootprint.org, die den Wasserverzehr von Produkten ausrechnet, aber sie ist tatsächlich nur in englischer Sprache verfügbar. Auch gibt es informative Broschüren und Websites vom WWF oder VirtuellesWasser.de, aber auch sie helfen nur eingeschränkt. Hier besteht definitiv noch Handlungsbedarf! Es fehlen verlässliche Informationen über die Herkunft von Produkten und die darin enthaltene Menge virtuellen Wassers. Nur so kann der Einzelnen seinen Wasserfussabdruck abschätzen. Und er braucht Alternativen. Aber die gibt es schon. Regionaler und saisonaler Konsum bedeutet zwar beispielsweise den Verzicht auf Erdbeeren zu Ostern, trägt aber ein wenig zur Entschärfung der Wasserstreß-Situation im spanischen Andalusien bei. Auch werden dort dann weniger Pestizide eingesetzt. Damit ist ein verantwortungsvolles Handeln der Konsumenten möglich. Was dann noch fehlt, sind die geeigneten Informationen.

Politik muss umdenken

Der einfachste Weg wäre ein Umdenken in der Agrarpolitik und in der Wasserverteilung in den weiter entwickelten Staaten. Die Agrarpolitik muss sich daran orientieren, wie viel Wasser genutzt werden kann, ohne eine Katastrophe zu riskieren. Wasserintensive Landwirtschaft sollte nur dort stattfinden, wo ausreichend Wasserressourcen vorhanden sind. Wenn Flüsse nicht genügend Wasser liefern, werden unterirdische Aquifere ausgebeutet, womit nachfolgenden Generationen die Lebensgrundlage entzogen wird. Dies ist dann umso verwerflicher, wenn die Produkte in den Export gehen. Auch sollte Korruption bei der Wasserverteilung und illegale Nutzung von Brunnen konsequent geahndet werden. Eine Aufgabenstellung die je nach Grad der Demokratie unterschiedlich behandelt wird. Aber auch der effiziente Umgang mit den vorhandenen Ressourcen ist ein wichtiger Schritt. Wie schreibt der SPIEGEL: „Wenn ein Land darauf nicht verzichten kann oder will, sollte es zumindest moderne Technologien zum Wassersparen fördern. Und Länder wie Deutschland, die selbst keine Wassernot kennen, sollten den Import von Produkten hinterfragen, welche die Wasserversorgung im Herkunftsland gefährden. Eine Welt, die aus den Fugen gerät, kann auch Deutschland nicht kaltlassen. Es geht, zuallererst, um Menschlichkeit und Verantwortung, um Milliarden, die für Wasser kämpfen müssen, während wir im Überfluss leben. Es geht dann um die Frage, wie sich Wasserkriege und Hungersnöte verhindern lassen, die nächsten Flüchtlingskrisen.“ Kaum vorstellbar, dass wir bei diesem Thema auch über die Vereinigten Staaten von Amerika sprechen, DER globalen Wirtschaftsmacht. Aber wenn das Wasser fehlt, geht auch diese Nation in die Knie. Jetzt denken die Kalifornier über Wasserimporte nach, schaffen sich anreizbasierte Preissysteme, führen Kontrollen und Strafen für Wasserverschwender ein, entwickeln intelligente Zählersysteme, schliessen sich zu Communities für das Social Water Benchmarking zusammen, importieren Tropfenbewässerungsanlagen, bauen Meerwasserentsalzungsanlagen und und und. Die Amerikaner werden darunter leiden, aber die werden es schon schaffen. Wie soll es erst solchen Staaten ergehen, die schon jetzt kaum überleben können? Wer hilft diesen Ländern und den Betroffenen. Sicher, die Verbraucher in den Industriestaaten können ihren Beitrag leisten. Wird das reichen? Vermutlich nicht. Die Interessen der Industrie und des Agrarsektors werden zu stark sein. Es bedarf eines neuen Verständnisses der globalen Wasserpolitik und eines konsequenteren Handelns auf nationaler Ebene. Was in den 80er Jahren die Umweltpolitik war, wird zukünftig die Wasserpolitik sein. Gewöhnen wir uns also an die Bezeichnung „Wasserministerium„. Mindestens dabei ist Indien vielen anderen Nationen schon voraus: Sushri Uma Bharati ist die Ministerin für „Water Resources, River Development and Ganga Rejuvenation“.

  • Beitrag zur Wassersituation und wie die Menschen in Kalifornien damit umgehen: LebensraumWasser
  • Wer sich für die Thematik Virtuelles Wasser interessiert, dem sei der „Blog der Republik“ empfohlen, in dem Professor Morgenschweis das Thema anschaulich beschreibt

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