Manchmal muss man lieb gewordene Vorurteile aufgeben. So dürfte es einigen Wasserpreisexperten nach dem Lesen der soeben veröffentlichten Studie zu den Zusammenhängen von Privatisierungen und Wasserentgelten gehen. Ein Autorenteam der Universität Leipzig hat jetzt in einer empirischen Studie analysiert, welchen Einfluss private Anteilseigner an der Preisentwicklung in der deutschen Trinkwasserversorgung ausüben. Etwas verklausuliert, aber dennoch deutlich, erklärt die dazugehörige Pressemitteilung: „Dabei wurde deutlich, dass sich ein Einfluss der privatwirtschaftlichen Beteiligung in der Wasserversorgung auf die Gestaltung der Wasserpreise und deren Erhöhung nicht bestätigen lässt. Andererseits kann auch die Gegenthese nicht verifiziert werden, dass privatwirtschaftliches Engagement in einem Wasserversorgungsunternehmen automatisch zu Effizienzgewinnen führt, die sich in geringeren Endverbraucherpreisen niederschlagen.“ Übersetzt bedeutet das: Wasserpreise steigen in Folge der Privatisierung nicht an, sinken tun sie aber auch nicht. Die Auswertung der Entgelte der 100 größten deutschen Städte über sieben Jahre im Zeitraum von 2009 bis 2015 mittels Querschnitts- und Paneldatenanalyse zeigt, dass nicht die Gewinnerwartungen privater Investoren ausschlaggebend für die Höhe der Preise sind. „Basta!“, mag man in Anlehnung an unseren ehemaligen Kanzler ausrufen wollen.
Der Gebührentrick beim Trinkwasser
Aber wenn das Thema schon mal auf der Agenda steht, dann sollte auch ein Blick auf die Wassergebühren erlaubt sein. Hier bestimmen die Kommunen nicht nur allein die Höhe der Entgelte, sie sind auch vor kartellrechtlichen Missbrauchskontrollen geschützt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 7.12.2016 beleuchtet unter dem Titel „Der Gebührentrick mit dem Trinkwasser“ neben „Preise und Private“ auch „Gebühren und Kommunen“ und schreibt: „Immer mehr Kommunen übernehmen die Versorgung mit Wasser selbst. Damit wird es für die Verbraucher aber nicht billiger – im Gegenteil“. Dafür gibt es mittlerweile einige Beispiele in der deutschen Wasserlandschaft. So haben die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) in einem sicher nur zufälligen zeitlichen Zusammenhang mit einem angekündigten Eingreifen des Bundeskartellamtes kurzerhand ihr Wassergeschäft an die Stadt zurückgeben müssen. Diese erhebt seit dem nicht mehr Wasserpreise, sondern Gebühren. Und: Mitnichten wurden die Gebühren daraufhin gesenkt, was die Bundeskartellbehörde eigentlich als notwendig erachtet hatte und für die zurückliegende „Zeit der Preise“ auch verfügen konnte. Nicht wenige Kunden hatten auch Gebührensenkungen erwartet, schliesslich wurde im Rahmen der Rekommunalisierung die private französische GDF SUEZ aus der Wasserversorgungssparte der WSW AG herausgekauft. „Das ist ein harter Schlag für alle Wasserverbraucher“, machte 2013 der Chef des Bundeskartellamtes seinem Ärger Luft über diese auch als „Flucht in das Gebührenrecht“ bezeichnete Rebkommunalisierung. Diese Kritik wurde auch in dem „Kleinen Sektorbericht“ des Bundeskartellamtes aus dem Juni 2016 aufgegriffen und verallgemeinert. „Die Analyse des zweigeteilten Aufsichtsregimes über Wasserentgelte – kartellrechtliche Preismissbrauchsaufsicht über Preise einerseits und kommunalaufsichtsrechtliche Kontrolle der Gebühren und Beiträge andererseits – zeigt, dass Wasserkunden nur unzureichend vor monopolistischen Entgeltüberhöhungen geschützt sind. Aus Sicht des Bundeskartellamtes sollte daher überlegt werden, wie der Schutz der Bürger vor überhöhten Wasserentgelten verbessert werden kann.“ Und dabei ging es nicht um „Preise und Private“. Diesem Wunschdenken der „Bundes-Preiswächter“ hatte allerdings der Gesetzgeber in einer Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausdrücklich einen Riegel vorgeschoben.
Nur auf den Preis zu schauen, ist zu kurz gesprungen
Wer nur auf die Höhe des Wasserpreises schaut, dem bleibt nicht vieles von dem was die Qualität und Versorgungssicherheit beim Trinkwasser ausmacht, verborgen. Jene Wasserkunden und Verbraucher, die sich für ihr Wasser interessieren und die Besichtigungs- und Informationsangebote ihres Wasserversorgers annehmen, stellen fest, dass viele Unterschiede bei den Bedingungen der Wasserversorgung gibt, die natürlich auch zu Preisunterschieden führen müssen. So sind Höhenunterschiede ausschlaggebend dafür, dass Wasser gepumpt werden muss. Aber nur, wenn es nach oben geht. Wer, wie die Stadtwerke München, das natürliche Gefälle nutzen und zudem noch reines Wasser aus den Alpen beziehen kann, erfreut sich bester Bedingungen für die Preisbildung. Das sind die wirklich relevanten Einflussgrößen, wenn es um die Höhe der Wasserpreise und -gebühren geht.
Dr. Oliver Rottmann, Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig, erklärt dann auch zurecht zur Studie: „In der bestehenden Forschungslücke und mit Blick auf eine Versachlichung der häufig rein ideologisch geführten Debatte über öffentliche, gemischt-wirtschaftliche und private Aufgabenerfüllung in der Daseinsvorsorge liefert die Studie wertvolle empirische Indizien.“
Publikation zur Studie:
Hesse, Mario/Redlich, Matthias/Rottmann, Oliver/Starke, Tim (2016): Private Unternehmensbeteiligung als Preistreiber? Eine empirische Vergleichsanalyse am Beispiel der deutschen Trinkwasserversorgung, in: Reichard, Christoph/Papenfuß, Ulf (Hrsg.): Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen (ZögU), Beiheft 48, S. 90-105. (ISBN: 978-3-8487-3273-9)
Siehe auch Beitrag Bundeskartellamt fordert mehr Preistransparenz bei Trinkwasser. „Kleiner“ Sektorbericht veröffentlicht.
Hier geht es zum FAZ-Artikel
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