Niedrigwasser in Talsperren hat auch Auswirkungen auf den Klimawandel

Talsperren sind nicht nur u.a. Reservoire für Trinkwasser und für die landwirtschaftliche Bewässerung, sie haben auch eine wichtige Funktion für die Speicherung und Freigabe von klimarelevantem Kohlenstoff. Diese scheint bedeutender als bisher angenommen. Denn ging man bisher davon aus, dass Talsperren ungefähr so viel Kohlenstoff speichern, wie sie in Form von Treibhausgasen an die Atmosphäre abgeben, haben Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in einer Studie bewiesen, dass Talsperren bei Niedrigwasserstand zweimal mehr Kohlenstoff freisetzen können, als sie speichern. In Folge dessen könnte das Niedrigwassermanagement der Talsperren einen wichtigen Stellenwert für die Bewältigung des Klimawandels erhalten.

Wasserstand ist ausschlaggebend für die Kohlenstoff-Freisetzung

Ob Laub, Äste oder Algen – Fließgewässer transportieren große Mengen an kohlenstoffhaltigem Material in die Talsperre. Zudem gelangen durch Alterung oder Sturmschäden organische Materialien in das Gewässer. Im Staubereich sinkt das mitgetragene Material nach und nach ab und sammelt sich am Gewässergrund an. „Durch den Sauerstoffmangel laufen die Abbauprozesse dort unten sehr viel langsamer ab. Dadurch wird weniger Kohlendioxid freigesetzt, und der enthaltene Kohlenstoff wird im Sediment der Talsperre längerfristig gespeichert“, erklärt UFZ-Biologe und Studienleiter Dr. Matthias Koschorreck. „Daher ging man bislang davon aus, dass Talsperren durch diese Anreicherungsprozesse mehr Kohlenstoff speichern als sie freisetzen.“

Für die Kohlenstoffbilanz von Gewässern spielen aber nicht nur die von Wasser bedeckten Zonen eine Rolle, sondern insbesondere auch solche, die durch Absinken des Wasserspiegels zeitweise trockenfallen. Das konnte die Arbeitsgruppe um Koschorreck in vorherigen Untersuchungen bereits zeigen. Kommt durch das Trockenfallen oder Absinken des Wasserstandes in der Talsperre das zuvor von Wasser bedeckte kohlenstoffhaltige Material mit Luftsauerstoff in Kontakt, werden Abbauprozesse und damit auch die Entstehung von Kohlendioxid stark angetrieben. „Trockenfallende Gewässerbereiche setzen so erheblich mehr Kohlenstoff frei als von Wasser bedeckte Bereiche“, sagt Philipp Keller, ehemaliger Doktorand am UFZ und Erstautor der Studie. „Und wenn in einer Talsperre große Wassermengen abgerufen werden, liegen mit einem Mal große Flächen frei. Doch bei der Kalkulation der Kohlenstoffbilanz von Talsperren wurden diese Flächen bisher nicht berücksichtigt. Diese Lücke haben wir mit unserer Arbeit geschlossen. Unsere Berechnungen belegen, dass die Kohlenstoff-Emission von Talsperren bislang deutlich unterschätzt wurde: Im globalen Schnitt setzen sie sie doppelt so viel Kohlenstoff frei wie sie speichern“, sagt Koschorreck. „Ihr Image als Netto-Kohlenstoffspeicher im globalen Kohlenstoffkreislauf muss wohl als überholt angesehen werden.“

Ergebnisse belegen die Bedeutung des Niedrigwassermanagements bei Talsperren

Das Forscherteam konnte am Beispiel der Talsperren zeigen, welchen entscheidenden Einfluss trockenfallende Bereiche auf die globale Kohlenstoffbilanz von Gewässern haben. „Wir hoffen, dass wir mit unserer Studie einen Anstoß geben können, bei der Bilanzierung von Kohlenstoffflüssen natürlicher Binnengewässer künftig auch die trockenfallenden Flächen mit zu berücksichtigen“, sagt Koschorreck. Darüber hinaus könnten die neuen Erkenntnisse in ein klimaschonenderes Management von Talsperren einfließen. Denn muss das Wasser wegen Wartungsarbeiten abgelassen werden, ist mit Blick auf die Kohlenstofffreisetzung der richtige Zeitpunkt wichtig: Liegen die Arbeiten anstatt im Sommer in den kälteren Monaten, laufen die Abbauprozesse des freiliegenden kohlenstoffhaltigen Materials sehr viel langsamer ab, und die Kohlenstoff-Emission ist deutlich geringer.

Die Relevanz von Absenkungsbereichen für den Kohlenstoff-Fußabdruck von Talsperren legt nahe, dass das Wasserstandsmanagement (z. B. Vermeidung von Absenkungen in der Trockenzeit) ein vielversprechendes Instrument zur Kontrolle der Emissionen von Stauseen und zur Minimierung dieser Quelle von Treibhausgasen sein könnte. Der Abbau des Reservoirs hat jedoch weitere Auswirkungen auf die Ökosystemdienstleistungen, die diese steuerbaren Gewässersysteme für den Menschen erbringen. Die Autoren der Studie empfehlen, dass diese Leistungen berücksichtigt werden sollten. Beispielsweise könne die Exposition von Sedimenten über die Treibhausgasemissionen hinaus zusätzliche Auswirkungen auf die Wasserqualität haben, z. B. eine erhöhte Phosphorfreisetzung aus exponierten Sedimenten bei der Überflutung, was zu Empfehlungen zur Vermeidung von Absenkungsereignissen im Sommer führt. Um die Kohlenstoffbilanz von Talsperren noch besser zu verstehen, wird das Forscherteam um Matthias Koschorreck künftig sowohl die Freisetzung der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan als auch die Vegetation auf ihren trockengefallenen Flächen unter die Lupe nehmen.

Originalpublikation:
  • Global carbon budget of reservoirs is overturned by the quantification of drawdown areas, Keller P., Marcé R., Obrador B. and Koschorreck, M.; Nature Geoscience, DOI 10.1038/s41561-021-00734-z https://dx.doi.org/10.1038/s41561-021-00734-z
  • Greenhouse Gas Emissions from Reservoir Water Surfaces: A New Global Synthesis, Bridget R. Deemer e.a., BioScience, Volume 66, Issue 11, 1 November 2016, Pages 949–964, https://doi.org/10.1093/biosci/biw117

Foto: Bleilochtalsperre, Harra, (C) Gendries

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