Kostenloses Trinkwasser in spanischen Restaurants soll Abfallprobleme lösen. Dabei bleiben Nitratbelastungen unbeachtet.

In kostenlosem Trinkwasser in Restaurants und Kneipen mündet der Kampf der spanischen Regierung gegen Plastikflaschen. Das freut auch die deutschen Touristen. Aber nicht überall treffen sie auf die Wasserqualität, die viele von zuhause gewohnt sind. Die Gründe sind bekannt: Nitrate und Pestizide im Grundwasser, die on den lokalen Wasserversorgern gar nicht oder nur mit hohen Kosten beseitigt werden können. Und da wird Spanien, wenn es das Trinkwasser für die Bevölkerung und die Touristen attraktiv machen will, noch einiges zu tun haben. Umweltschützer werfen der Regierung vor, nicht genug gegen die Verunreinigung des Wassers durch die Landwirtschaft zu tun, während die Europäische Kommission Spanien vor dem EuGH wegen zu hoher Nitratwerte verklagt. Aber es gibt auch Zusammenhänge, die für deutsche Konsumenten interessant sein können.

Deutsche Medien verkündeten es als gute Nachricht für Spanienurlauber: Von sofort an müssen die Restaurants, Cafés und Kneipen im ganzen Land ihren Gästen kostenloses Leitungswasser servieren. An die Haushaltskassen der Urlauber hat die spanische Regierung mit ihrem neuen Gesetz ganz sicher nicht gedacht. Es geht stattdessen um den Umweltschutz in Spanien. Denn der Auslöser ist die Verpackungsflut für die die Wasserflaschen. Spanien verfehlt die EU-Vorgabe, wonach mindestens 50 Prozent des Verpackungsmülls wiederverwertet werden sollen. Auch ein Pfandsystem für Einwegflaschen ist noch Fehlanzeige. Zugleich folgt die spanische Regierung der EU-Trinkwasserrichtlinie. Diese will bekanntlich den Zugang zu Wasser erleichtern. Beim Thema „kostenloses Leitungswasser“ in der Gastronomie sind Länder wie Frankreich oder England schon deutlich weiter; zumal es dort eine Tradition ist und nicht erst dem wachsenden Umweltbewusstsein geschuldet.

Das spanische Abfallvermeidungsgesetz trat „pünktlich zu Beginn der touristischen Saison 2022 in Kraft“, schrieben zahlreiche deutsche Tageszeitungen. Damit werde, so die deutschen Medien, mit dem Missbrauch besonders in manchen touristischen Hochburgen aufgeräumt, wo sich Gastwirte zuweilen weigerten, ihren Kunden Gratiswasser aus der Leitung aufzutischen. Daher hat der Gesetzgeber bestimmt: „Die Einrichtungen der Gastwirtschaft müssen immer die Möglichkeit anbieten, kostenlos Leitungswasser zu trinken – und zwar ergänzend zum gastronomischen Angebot“, heißt es im „Ley 7/2022, de 8 de abril, de residuos y suelos contaminados para una economía circular“ – kurz Abfallkreislaufwirtschaftsgesetz vom 8. April 2022.

Die Rheinpfalz vom 22.4.2022

Der spanische Dachverband des Hotel- und Gatsstättengewerbes zeigte sich erwartungsgemäß nicht sehr glücklich über die Verpflichtung zum kostenlosen Ausschank von Wasser. Auch das Leitungswasser müsse schließlich bezahlt werden, murrte ein Sprecher des Verbandes. Vermutlich werden die Verbandsvertreter hier missverständlich zitiert, denn das Wasser selbst wird bei weniger als 1,50 Euro für 1.000 Liter in Madrid kaum der Grund sein, eher sind es die Kosten für den Service und noch viel wahrscheinlicher aber schmerzen die Erlösausfälle beim Mineralwasser aus der Flasche, denn das dürfte dann seltener getrunken werden. Das Gesetz trifft nicht nicht nur die Gastronomie. Auch Behörden sollen den Konsum von Leitungswasser mit öffentlichen Trinkbrunnen fördern. Mit Ausnahme von Gesundheitseinrichtungen, wo aus hygienischen Gründen auch Einweggebinde zulässig sein sollen, müssen öffentliche Einrichtungen frei zugängliche Trinkbrunnen anbieten.

In spanischen Familien ist Leitungswassertrinken weit verbreitet – häufig aber gefiltert

In den meisten spanischen Familien komme, soweit die lokale Wasserqualität akzeptabel ist, „immer Leitungswasser auf den Esstisch“, heisst es in der hiesigen Presse. Mindestens für Mallorca, so zitiert hingegen das deutschsprachige Mallorca Magazin den lokalen Wasserversorger EMAYA, trifft dies nicht zu: “Der Statistik von EMAYA zufolge konsumieren nur ein Drittel der Bevölkerung Palmas regelmäßig Leitungswasser – meistens nach dessen Filterung in der häuslichen Anlage.“

„Jedes Mal, wenn an diesen Trinkbrunnen eine Flasche aufgefüllt wird, vermeidet man den Kauf einer Plastikeinwegflasche”, klären Palmas Wasserwerke ihre Kunden auf. Dem balearischen Versorger zufolge trinkt jeder Bürger pro Jahr wenigstens 175 Liter Wasser aus Einwegflaschen. Dadurch würden Tausende von Tonnen an Plastikmüll erzeugt. Auch die Millionen Urlauber, die jedes Jahr auf die Insel kommen, trügen dazu bei, dass der Plastikmüllberg immer größer wird. Obwohl das Trinkwasser Mallorcas nicht den besten Ruf hat, schwören Palmas Wasserwerke, dass beste Qualität aus den Leitungen komme.

Madrids Leitungswasser hat einen guten Ruf

Als besonders gut gilt die Wasserqualität in der spanischen Hauptstadt Madrid. Diese erhält ihr Wasser aus den Talsperren in den nahen Bergen, der Sierra de Guadarrama. Auch in der regenreicheren nördlichen Hälfte Spaniens, also zwischen Madrid und der französischen Grenze, soll es selten Probleme geben. Aber das sind ja auch nicht die klassischen Touristenregionen. In Andalusien, an der Mittelmeerküste, auf den Balearischen Inseln mit Mallorca und auf den Kanarischen Inseln wird die Qualität als weniger gut beschrieben. Auch in der Region Murcia tauchen in Studien häufig Meldungen von Grenzwertüberschreitungen auf. Auch deshalb werden gerade dort besonders häufig Wasseranalysen durchgeführt.

Ich habe mal in meinem Netzwerk nachgefragt. Eine Anekdote fand ich besonders anschaulich: „In Regionen wie Murcia oder Almería schmeckt Leitungswasser nicht so gut, so dass Wasser in Flaschen zu Hause häufiger vorkommt. Ich habe nach Leitungswasser in Restaurants dort gefragt und mir wurde gesagt, dass es mein Mittagessen ruinieren wird! Die meisten Leute entscheiden sich sowieso für ein kleines Bier.

Grundsätzlich gilt, dass man meist schon am Geschmack merkt, ob die Wasserqualität zum Trinken einlädt. Wenn es stark nach Chlor oder salzig schmeckt, verliert man automatisch die Lust aufs Leitungswasser. Im Zweifelsfall, so wird Touristen empfohlen, sollte man im Hotel oder bei den Einheimischen nachfragen, ob sie das Leitungswasser auch selber trinken. Was wohl wird der befragte Gastwirt antworten, der das Wasser kostenlos ausschenken soll?

Nitratbelastung – die bedrohliche Kehrseite der spanischen Agrarwirtschaft

Spanien, das wissen auch viele Sommerurlauber zu berichten, verfügt zumindest in den Küstenregionen nicht über das – sagen wir mal – wohlschmeckendste Leitungswasser. Sorgen wegen der Qualität müssen nicht unbegründet sein. Angesichts erhöhter Nitratwerte hat Spanien ein ähnliches Problem wie Deutschland bei der Gewässerqualität. Die Europäische Kommission hat Spanien deshalb wegen „systemischer Probleme beim Nitrat“ vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Laut letztem Bericht über die Trinkwasserqualität des spanischen Gesundheitsminsteriums von 2020 haben bei Nitrat, „von den 92.417 durchgeführten Kontrollen (…) 98,33 Prozent Ergebnisse geliefert, die gleich oder kleiner als der (zulässigen) Parameterwerte waren“. Damit wurde in 1,67 Prozent der Fälle gegen die rechtlichen Vorgaben verstossen.

Die Tragweite der Nitratprobleme werden auch durch eine soeben veröffentlichte GREENPEACE-Studie zur Belastung der Grundwasserressourcen in Spanien dokumentiert. In „AMENAZA INVISIBLE: la contaminación del agua por nitratos“ (Unsichtbare Bedrohung: die Kontamination des Wassers mit Nitraten). Besonders auffällig sind Katalonien, wo 100 % der Grundwassermessungen durch GREENPEACE eine Belastung durch Nitrate anzeigen, Aragón mit 83 %, Castilla y León mit 70 % und Castilla La Mancha mit 63 %. Viele dieser Messungen ergeben sogar Werte größer als 100 Milligramm je Liter (mg/l), was auf eine starke Belastung des Wassers hindeutet. In Navarra und der Region Murcia sind es die Oberflächengewässer, in denen erhöhte Nitratwerte festgestellt worden sind. Mehr als jeder zweite Messwert weist auf dort eine erhöhte Nitratbelastung hin. GREENPEACE wirft den Behörden vor, „mehr als unzureichende“ Maßnahmen zu ergreifen, „um dieses Problem zu stoppen und umzukehren. Wenn wir also das Problem angehen und auch eine Millionenstrafe der EU vermeiden wollen, müssen wir mehr, viel mehr und besser tun“, heißt es in der Studie.

Wir Konsumenten und Touristen sind Teil des Problems – aber auch der Lösung

Wer als Tourist die üblichen Hochburgen verlässt und sich ein Bild von der Herkunft seiner ganzjährig verfügbaren Paprikaschoten, Erdbeeren oder anderen Lebensmittel wie Schweinefleisch und so weiter machen will, wird womöglich erschüttert sein. Es sind nicht nur die weithin sichtbaren Gewächshäuser, die als Europas größte Anbaufläche unter Folie gelten. Sie sehen nicht nur aus der Ferne betrachtet aus wie eine Mondlandschaft. Dort werden Beregnungsanlagen betrieben, die Fachleuten zufolge, Grundwassermengen abschöpfen ohne sich um Wasserrechte kümmern zu müssen – zum Leidwesen natürlicher Gewässer und der Bevölkerung. Das ist nur eine Seite des Problems, denn auch der Einsatz der Pestizide geht weit über das Maß hinaus, dass wir als Konsumenten hierzulande tolerieren würden. Die Nitratbelastung ist nur eine der unsichtbaren Folgen dieser Agrarindustrie. Aus diesem «Mar de plástico» (Plastikmeer) stammt ein beträchtlicher Teil des in deutschen Supermärkten angebotenen Wintergemüses. Wir sind als Konsumenten (oder Touristen) auch Teil des Problems. Aber wir können uns dagegen wehren und die Umweltschützer unterstützen, somit wären wir auch Teil der Lösung. Deutsche Konsumenten könnten Wasser und Umwelt schützen, wenn nicht zu jeder Jahreszeit das „volle Programm“ in den Ladentheken erwartet würde. Zugleich ließe sich die heimische oder regionale Landwirtschaft schützen und fördern, wenn das hiesige Konsumverhalten sich der jahreszeitlichen Verfügbarkeit regionaler Lebensmittel anpassen würde. Mir schilderte unlängst ein Gemüsebauer, wie deutsche Lebensmittelketten ihre Marktmacht mit dem Hinweis auf die Kampfpreise spanischer Erzeuger ausnutzen und die heimische Landwirtschaft drangsalieren würde. Wollen wir das wirklich?

Quellen

Beitragsfoto: Canstock

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht, der Probleme in Spanien rund um Wasser, Landwirtschaft, Abfall usw. auf den Tisch bringt. Viele müssen ihr Konsumverhalten überdenken! Und die Landwirtschaft muss ökologischer werden und das nicht auf dem Buckel der schlecht bezahlten ArbeiterInnen. Gefragt ist v.a. auch die Politik!

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