Ist dezentrale Abwasserreinigung eine Technologie der Zukunft oder bloße Randerscheinung?

Es ist unbestreitbar, dass unser derzeitiges globales Wirtschaften den Planeten auf eine Knappheit von Wasser und Nährstoffen hinzusteuert. Hinzu kommt, dass viele Menschen ohne angemessene Abwasserbehandlung leben, was zur Verbreitung von Krankheiten und Umweltverschmutzung beiträgt. Dass es schon viel versprechende Lösungen gibt, zeigt der folgende Gastbeitrag von Dr. Bastian Piltz.

Selbst in der EU gibt es laut einer Erhebung des europäischen Wasserversorgungsverbandes EUREAU bis zu 30 Millionen Gebäude ohne Anschluss an ein zentrales Abwassernetz. Aber auch dort wo Anschlüsse bestehen, sind die Systeme in den allermeisten Fällen nicht auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen ausgelegt – immerhin werden Fäkalien in unserem gut funktionierenden und technisierten Abwassersystem für gewöhnlich mit großen Mengen Trinkwasser befördert, um danach die enthaltenen Nährstoffe unter großem Energieaufwand in Gas (Stickstoff) und Klärschlamm (Phosphor) umzuwandeln.

In Entwicklungsländern setzen sich Organisationen wie Susana (Sustainable Sanitation Alliance) für den Einsatz von Ressourcen schonenden und würdevollen Abwasserkonzepten ein. Dezentrale Technologien spielen hier eine entscheidende Rolle. Aber egal wo auf der Welt – wenn neues Bauland erschlossen wird, z.B. für Ressortanlagen oder Bürokomplexe, ist ein Kanalanschluss oft nicht sinnvoll und nicht unbedingt nötig. Besser können Kreisläufe von Wasser und anderen Ressourcen lokal geschlossen werden. So erlaubt z.B. die getrennte Sammlung der Abwasserströme eines Haushalts (Braun-, Gelb- und Grauwasser) und die Nutzung von wassersparenden Vakuumtoiletten eine sehr viel effizientere Reinigung des Wassers inklusive Rückgewinnung von Ressourcen.

Die Anaerobe Faulung stellt in solchen Konzepten oftmals eine Schlüsseltechnologie dar – hier werden die z.B. in Braunwasser enthaltenen organischen Verbindungen durch bakteriellen Abbau in Biogas umgewandelt, welches dann lokal als Energieträger zur Verfügung steht. Das übrigbleibende Wasser, aber auch Urin, sind reich an Nährstoffen und eignen sich in konzentrierter Form vorzüglich für deren Rückgewinnung. Der am weitesten verbreitete Prozess ist die Fällung von Struvit (Mg+NH4+PO4). Dabei wird unter Zugabe von Magnesium ein Mineral gebildet, welches sich als Dünger einsetzen lässt. Nach einer solchen Behandlung sind immer noch große Mengen an Stickstoff vorhanden, welcher z.B. mit dem Nutritec-Verfahren in Form von Ammonium-Sulfat gewonnen werden kann, welches wiederum als Dünger zur Verfügung steht.

Zur lokalen Behandlung von Grauwasser haben sich naturähnliche Filtrationsverfahren (z.B. Sand- und Helophyten Filter) als sehr wirksam erwiesen und erlauben eine Nutzung des Wassers zur Bewässerung oder sogar als

Die unterirdische Pflanzenkläranlage Waterbase

Brauchwasser im Haushalt. Diese Systeme benötigen allerdings große Flächen – Im Gegensatz zur Waterbase-Technologie des Berliner Startups Ecoglobe, welche eine raumsparende Sandfiltration in unterirdischen, vollautomatisch gesteuerten Systemen erlaubt. Die Rückgewinnung des kritischen Nährstoffs Phosphor aus Grauwasser kann auch bei geringen Konzentration effizient und ohne Chemie von statten gehen, so z.B. mit dem Mineral Polonot in einem von der Schwedischen Firma Ecofiltration umgesetzten Verfahren, in dem Phosphat auf der Oberfläche gebunden wird und das gleichzeitig eine desinfizierende Wirkung entfaltet.

Ein Gesamtkonzept für eine dezentrale, wassersparende Abwasserreinigung, basierend auf Nano-filtration und aerob-anaerober Behandlung, hat Smartsan für die Anwendung in den ländlichen Regionen Afrikas entwickelt. Wo der Energieverbrauch weniger entscheidend ist kann auch auf Destillation zur Aufbereitung von Wasser zurückgegriffen werden, wie z.B. im speziellen Dünnschicht Destillationsverfahren von Aquaback.

Das Aufbereitungsprinzip von Aqua-Back

Auch für die Erkennung von potentiell pathogenen Bakterien und den Dauerstadien von Parasiten in Echtzeit gibt es mittlerweile zahlreiche Lösungen, die sich wie z.B. die Technologie von Aqua-Q auch online auslesen lassen und automatisiert Maßnahmen ergreifen können.

Es scheint als ob die maßgeblichen Technologie-Bausteine für eine ressourcenschonende dezentrale Behandlung von Abwässern vorhanden seien, die Kunst liegt nun in der optimalen Kombination dieser, je nach lokalen Gegebenheiten und Anforderungen. Beispiele für solche „Quartiere der Zukunft“ in unseren Breiten finden sich unter anderem im Niederländischen Friesland, in Amsterdam-Nord und die Jenfelder Au in der Nähe von Hamburg. Solche Projekte zeigen einen potentiellen Weg auf und erlauben das Sammeln der kritischen Langzeiterfahrungen mit dezentralen Systemen. Außerdem sind Sie Orte des Austauschs zwischen Interessengruppen und haben eine große Vorzeigewirkung. In der Zukunft wünsche ich mir langfristig denkende Investoren, Städteplaner und Politiker, die gemeinsam an einem nachhaltigen Umgang mit Abwasser und den darin enthaltenen Ressourcen arbeiten und die um die Möglichkeiten und Limitationen der dezentralen Abwasserreinigung wissen.

über den Autor:
Dr. Bastian Piltz (MSc Marine Mikrobiologie) ist Wasser-, Umwelt- und Technologie-Enthusiast. In seiner Rolle bei Isle Utilities möchte er innovativen (Wasser-)Technologien den Weg in die Anwendung und auf den Markt erleichtern. Außerdem pflanzt und erntet er gerne – auf seinem Balkon werden zur Düngung vom Gemüse und Kräutern ausschließlich rückgewonnene Nährstoffe verwendet.

1 Kommentar

  1. Wie sollte man vorgehen, um alleine in Hamburg das Projekt im Lengfelder Au zu multiplizieren, geschweige denn in Berlin, in München, in Stuttgart? Mal schauen, ob PolitikerInnen etwas einbringen möchten.

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