Gericht entscheidet zugunsten der Harzwasserwerke. Landkreis Diepholz darf Wasserrechte nicht kürzen.

Waage der Gerechtigkeit bei einem Urteil vor Gericht

Das könnte ein wegweisendes Urteil für die langfristige Trinkwasserversorgungssicherheit in Deutschland sein. Das Verwaltungsgericht Hannover untersagte dem Landkreis Diepholz, dem Trinkwasserversorger Harzwasserwerke die wasserrechtlich bewilligte Wassermenge zu kürzen. Bundesweit dürften Trinkwasserversorger zunächst aufatmen – mit ihnen auch die Wasserkunden.

Worum geht es? Die Harzwasserwerke hatten für ihr Wasserwerk in Ristedt südlich von Bremen vom zuständigen Landkreis Diepholz im Jahr 2010 das Recht bewilligt bekommen, bis zum Jahr 2040 jährlich 20 Millionen Kubikmeter Grundwasser für die öffentliche Trinkwasserversorgung zu fördern. Angesichts des Klimawandels und zunehmender Nutzungskonkurrenzen kürzte der Landkreis Diepholz im Jahr 2021 das Wasserrecht um 400.000 Kubikmeter. Die Harzwasserwerke hatten dagegen Klage eingereicht, da sie die Versorgungssicherheit gefährdet sahen. Wie das Verwaltungsgericht Hannover heute entschieden hat, war die Entscheidung des Landkreises nicht rechtens.

Vorausschauende Planung zahlt sich in Zeiten des Klimawandels nicht aus?

Eigentlich könnte man meinen, die Harzwasserwerke hatten zu vorausschauend geplant. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2010 hatten sie für den 30-jährigen Folgezeitraum die absehbare Entwicklung berücksichtigt und mengenmäßig die Versorgungssicherheit und die erwarteten Veränderungen der Nachfrage und die Trockenheit in der Region im Blick gehabt. Daher plante und beantragte er eine Reserve in Höhe von 10 Prozent für die Sicherheit und 5 Prozent für Trockenjahre ergänzend zur Bedarfsmenge in Höhe von rd. 17 Millionen Kubikmetern. Diesen Risikopuffer hat der Landkreis zum Anlass genommen, die bewilligte Menge nun zu kürzen. Denn, so die Argumentation des Landkreises, die bewilligte Wassermenge sei in den vergangenen Jahren nicht ausreichend ausgeschöpft worden. Zudem berief sich der Landkreis darauf, angesichts von Klimawandel und Rückgang des Grundwasserspiegels insgesamt strenger prüfen zu wollen, wie er Grundwasserrechte verteile. Dabei hatte er die wachsenden Ansprüche der Landwirtschaft, aber auch des Naturschutzes im Blick.

Das Gericht folgte der Argumentation der Harzwasserwerke, dass Versorgungssicherheit auch Reserven beinhalten müssten.

Harzwasserwerke sehen nun die Versorgungs- und Planungssicherheit gewährleistet

Zufrieden mit der Entscheidung zeigt sich verständlicherweise Lars Schmidt, Geschäftsführer der Harzwasserwerke. „Die Entscheidung des Gerichts hat Signalwirkung für die Trinkwasserversorgung in Deutschland. Wir haben diesen Rechtsstreit nicht nur für uns als Harzwasserwerke geführt, sondern auch für die sichere Versorgung unserer Kunden und die Unternehmen in unserer Branche, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen“, sagt er nach dem Urteil, das auch von anderen Versorgern mit Spannung erwartet worden war. „Trinkwasserversorger gewinnen mit dieser Entscheidung Sicherheit, dass erteilte Wasserrechte, die sie nach den Vorgaben der Bewilligungsentscheidung bewirtschaften, nicht ohne zwingende Gründe reduziert werden können.“

„Es ist unsere Pflicht als Wasserversorger in Niedersachsen, in allen Berechnungen für Wasserrechte Sicherheitszuschläge und eine Reserve für besonders trockene Jahre einzuplanen. Diese werden natürlich nicht jedes Jahr abgerufen“, erklärt Schmidt. Das Gericht bestätigte diese Argumentation in seiner mündlichen Urteilsbegründung. Der Landkreis Diepholz hat noch die Möglichkeit, die Zulassung der Berufung gegen das Urteil zu beantragen. Auch dass ausgerechnet bei der Trinkwasserversorgung Wasserrechte gekürzt werden sollten, halten die Harzwasserwerke für nicht nachvollziehbar. „Aus unserer Sicht muss die Wasserversorgung – und hier insbesondere die sichere Versorgung mit Trinkwasser – bei der Vergabe von Wasserrechten den klaren Vorrang vor anderen Verwendungsarten haben“, sagt Schmidt. „Mit der nun vorliegenden klaren Entscheidung des Gerichts haben wir jetzt wieder das erforderliche Maß an Planungssicherheit, um unsere Kunden auch weiterhin sicher mit Trinkwasser versorgen zu können.“ Dieses Maß an Planungssicherheit und Verlässlichkeit sind letztendlich für die gesamte Branche erforderlich, auch um eine sichere Grundlage für große Bauprojekte und Infrastrukturmaßnahmen in der Wasserversorgung zu haben.

Landkreis will über weitere Schritte entscheiden und Berufung prüfen

Der Landrat des Kreises Diepholz, Cord Bockhop, zeigte sich dem Vernehmen nach verwundert über das Urteil. „Wir haben unseren Auftrag so verstanden, dass wir sparsam mit dem Wasser umgehen sollen. Da, wo Wasser nicht gebraucht wird, sollte es auch nicht gefördert werden!“ Der Landrat erinnerte an den intensiven Dialog mit den rund 300 Landwirten um die Anpassung ihrer Entnahmerechte für die Feldberegnung. Dadurch sei es gelungen, so heißt es, pro Jahr rund vier Millionen Kubikmeter Grundwasser einzusparen. Diese Menge, so erwartet der Landkreis, werde von weiteren Landwirten in Folge der zu erwartenden Trockenheit künftig beansprucht. Deshalb, so die Logik des Landkreises, sei der „Puffer“ der Harzwasserwerke sorgfältig und nach vorgegebenen Kriterien berechnet worden. daraus hätte sich die Kürzungsmenge in Höhe von 400.000 Kubikmeter ergeben.

Der Landkreis wolle nun die Urteilsbegründung abwarten und dann – im Schulterschluss mit der Politik – über weitere Schritte entscheiden. Gegen das Urteil kann vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Berufung eingelegt werden. Unabhängig davon betonte Cord Bockhop: „Wir suchen den Kontakt zum Land.“ Nach derzeitiger Sachlage ist der Landrat der Meinung: „Eigentlich muss das rechtlich geklärt werden.“ Wenn sich mit dem Klimawandel auch die Rahmenbedingungen für die Wasserwirtschaft ändern, dann müssten sich auch Bewilligungen ändern können. Cord Bockhop vergleicht das mit einem „Wegfall der Geschäftsbedingungen“.

Wasserversorger fördern den „sorgsamen Umgang“ mit Wasser

Noch scheint das Thema nicht ad acta gelegt werden zu können. Der Landkreis sieht sich offenkundig unter Druck, die Bewilligungen neu zu verteilen. Wenngleich die vermutlich auch auf einen gewissen politischen Druck des von Landwirtschaft geprägten Kreises Diepholz veranlasste Kürzung der Entnahmebewilligung verständlich scheint, muss man sich die Auswirkungen vergegenwärtigen. Wer sich die Bevölkerungsentwicklung im Norden anschaut, der wird verstehen, dass sich die Versorger Gedanken darüber machen, wie sie ihre Kunden sicher mit Wasser versorgen können. Zwar weist die demographische Entwicklung des Landkreises kein Wachstum aus, aber was derartige Prognosen für eine Halbwertzeit haben, wissen wir seit den Bewegungen in 2015 und 2022. Nicht umsonst hat die in Kürze zu Veröffentlichung anstehende Nationale Wasserstrategie die Priorisierung der Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung im Blick. Wenn die Reserven anders – also an neue Anspruchsteller aus der Landwirtschaft – verteilt werden, ist der Trinkwasserversorgung das Wasser abgegraben worden.

Und es ja nicht so, dass die Wasserversorger nicht aktiv wären. Ich saß heute mit mehreren Versorgern in einem Workshop zusammen, wo es um die Frage ging, wie die versorgten Familien und Betriebe zu einem sorgsameren Umgang mit Wasser bewegt werden können. Es sprudelte nur so an Ideen. Auch die Harzwasserwerke haben das in der Vergangenheit getan. So haben sie im vergangenen Jahr die Wasserampel eingeführt und mit einem StartUp das Bewässerungsinformationsportal Giesscheck.de initiiert, um die Gartenbewässerung ressourcenschonender zu gestalten. Die Versorger warten also nicht tatenlos ab, bis es zu knapp wird, sondern haben auch hier das Vorsorgeprinzip im Blick. Nachahmer stehen schon in den Startlöchern. Man wird gespannt sein, wie sich der Landkreis letztendlich entscheidet. Die Wasserversorger sollten allerdings nicht erwarten, dass alle Verwaltungsgerichte so entscheiden. Mir sind mehrere Kürzungen von Bewilligungen – eigentlich das „härteste“ Wasserrecht – bekannt. Wasserversorger sollen Sicherheit bieten, ohne sich auf dieselbe verlassen zu können. Auch hier gilt der Grundsatz „Daseinsvorsorge ist alternativlos!“

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