Entscheidungen in der EU werden auch für deutsche Wasserversorger und die deutschen Wasserkunden immer bedeutender. Diskussionen in den EU-Gremien sollten begleitet und hierzulande bewertet werden. Nur so können wir ggf. auch intervenieren, uns jedenfalls aber auf die Auswirkungen rechtzeitig vorbereiten. Heute sitzen wir nicht selten auf der Zuschauerbank. Ganz anders die französischen und englischen Versorger. Diese scheinen dank Ihrer Größe und Lobbyisten deutlich mehr Einfluss in Brüssel zu besitzen; schon deshalb wäre Wegschauen fatal. Diese Einschätzung wird durch die Entwicklung um die Dienstleistungskonzessionsrichtlinie eindrucksvoll belegt. Immerhin mussten die Bürger erst eine europäische Bürgerinitiative gründen und ein aufwändiges Bürgerbeteiligungsverfahren durchführen, um Gehör zu finden. Fast wäre man zu spät gekommen.
Die europäische Wasserpolitik wird sich nach der Beantwortung der programmatischen Fragen in der Vergangenheit in Zukunft verstärkt den Maßnahmen zur Umsetzung einer nachhaltigen Wasserversorgung in den Mitgliedstaaten widmen. Damit sind im Rahmen der „Blue Print“-Wasserstrategie und der Wasserrahmenrichtlinie auch ökonomische Aspekte gemeint. Dies wird sich auch auf deutsche Verbraucher auswirken. Wie das ausgehen wird, ist noch nicht abzusehen. Eben deshalb ist es wichtig in Brüssel nah dran zu sein!
Eine solche Gelegenheit bot sich mir Mitte November in Brüssel. Auf Einladung der European Water Association (EWA) fand am 17./18. November eine Konferenz zur Zukunft der Wasserversorgung in den Metropolen unter dem Titel „Water in the Cities“ statt. Als Vertreter der EU-Kommission machte Joachim D’Eugenio (siehe Foto) in seinem Vortrag „European Legislation“ (Europäische Gesetzgebung) deutlich, welche Herausforderungen die EU Kommission als drängend in der Wasserversorgung ansieht und was sie von den europäischen Staaten erwartet. D’Eugenio, in der Direktion Umwelt der EU Kommission für die Wasserwirtschaft zuständig, stellte die eigentlich bekannten Risiken für die Wasserversorgung der europäischen Städte vor: Klimawandel und demographischer Wandel. Der Klimawandel wird nach gegenwärtigen Prognosen die Metropolen stark treffen, stärker vielleicht als den ländlichen Raum. In einigen Regionen stehen die Trinkwasserressourcen schon heute unter Stress (z. B. Spanien, Südengland). In Küstenregionen drohen Überschwemmungen. Gravierender werden aber insgesamt die Folgen demographischer Veränderungen sein. In vielen Staaten wachsen die Bevölkerungszahlen durch Zuwanderung bis um die
Hälfte an. Mit der steigenden Zahl der Wasserabnehmer nimmt auch der Wasserbedarf zu. Einen weiteren drängenden Themenkomplex adressierte der Vertreter der EU mit den Wasserverlusten. In manchen Staaten würden bis zu 70 % des Wassers durch Leckagen in den Leitungsnetzen verloren gehen. Auch eine Folge unzureichender Instandhaltungen und Investitionen, nicht selten weil die Finanzmittel fehlen würden. Die Herausforderungen denen sich die Städte stellen müssen nehmen dramatisch, so D’Eugenio. Der Erhalt der Infrastrukturen überfordert schon heute viele Betreiber, Ihnen fehlen die erforderlichen Finanzierungen. Wie aber wird es sein, wenn der Ausbau und die Modernisierung auf der Tagesordnung stehen? Das erfordert hohe Investitionen, für die die erforderlichen Finanzmittel fehlen, weil die Finanzierungsinstrumente unzureichend sind. Hier wurden von allen Referenten und Teilnehmern die Unzulänglichkeiten bei den Wasserpreissystemen ausgemacht. Allen voran Marianne Wenning, Leiterin des Bereiches Wasser in der EU-Kommission. In ihrem Impulsvortrag forderte sie nicht nur kostendeckende Preise für Wasser in Europa, sondern auch die Berücksichtigung der Umweltkosten, die die Wasserversorger stellvertretend für die Gesellschaft zu tragen haben.
Wasserpreise müssen für alle Sektoren gelten, so ihre Forderung. Während das für Privathaushalte zumindest in diesen Staaten selbstverständlich ist, für Industrie schon etwas weniger, fehle es an einer Kostenbeteiligung der Landwirtschaft. Deren Inanspruchnahme der Umwelt hat aber, wie Nitrate und Tierarzneimittel zeigen, die große Auswirkungen und Kosten für die Gesellschaft. Wenning wörtlich „the biggest problem is the awareness about why water is not for free“ (Das größte Problem ist die Wahrnehmung warum Wasser nicht kostenlos sein kann).
In dieselbe Richtung argumentierte D’Eugenio, der Handlungsbedarf bei
- Zähler-basierten Tarifsystemen (was, wie Irland belegt, noch nicht überall üblich ist),
- Kosten deckenden Preisen (was wie wir wissen, sogar in Deutschland nicht die Regel ist) und
- Vermeidung von Wasserverlusten.
reklamierte. Gerade an diesen Beispielen zeigt sich, dass viele deutsche Versorger schon deutlich weiter sind und durchaus beispielhaft sein können. Gerade bei ökonomischen Fragen ist festzustellen, dass die Versorgungssysteme bei unseren europäischen Nachbarn durch staatliche Leistungen wie Steuervergünstigungen (Taxes) oder Subventionen (Transfer) durch die aufrechterhalten werden. Was fehtl ist das dritte „T“: Tarife. Jetzt fordert Brüssel ein Umdenken und macht die Zuteilung von Fördermitteln für Wasserversorger von kostendeckenden Entgeltsystemen abhängig. Unisono forderten Wenning und D’Eugenio mehr Disziplin bei der Umsetzung von beschlossenen Maßnahmen. Nur so könnten die Metropolen in Europa die zukünftigen Herausforderungen bei der Wasserversorgung bewältigen.
An dieser Stelle kann man zumindest der Mehrheit der deutschen Wasserversorger eine solide Struktur und überwiegend nachhaltige Ökonomie bescheinigen. Während Versorger in Staaten wie Irland, Spanien oder auch England noch Nachholbedarf bei Zählersystemen haben und häufig gar nicht in der Lage sind, den Verbrauch zu berechnen, in England sogar Entsalzungsanlagen gebaut werden, um die Wasserverluste auszugleichen, Kostendeckungen in vielen Ländern nur durch Subventionen erreicht werden, bauen deutsche Versorgern bereits neue Zählergenerationen ein und führen Entgeltsysteme ein, die sogar bei schrumpfender Wasserabnahme auf Nachhaltigkeit bei der Kostendeckung abzielen. Die deutschen Wasserversorger könnten also zeigen, welches hohe Leistungsniveau sie mittlerweile erreicht haben und auf welch vernünftigem Niveau sich angesichts dessen die Preise bewegen. Wie die Wasserpreissteigerungen in Griechenland, England und Portugal oder Einführungen von Wasserpreisen wie in Irland aktuell belegen, besteht in Europa dagegen breiter Nachholbedarf. Wir sollten hierzulande auf der Hut sein, dass unser Niveau nicht in Mitleidenschaft gezogen wird, sondern es vielmehr – dort wo gerechtfertigt – als Best Practice anerkannt wird. Bei den Preissystemen dürfte das sehr wohl der Fall sein.
Hier geht es zu den Vorträgen der Veranstaltung auf der Internetseite der EWA: klick hier!
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