Der Jahreswechsel: Vom Jahr des Wasserhasen zum glücksbringenden Drachen

2013 – vor zehn Jahren habe ich diesen Blog über Wasserthemen gestartet. Ich war überzeugt davon, dass unser „Lebensraum Wasser“ mehr Beachtung verdient. Objektiv betrachtet ist das Wahrnehmungsdefizit bei Wasser nicht mehr das Problem. Auch wenn dies eine auf den ersten Blick gute Veränderung zu sein scheint, so sind die Gründe dafür alles andere als beruhigend. Ein kurzer Blick zurück auf 2023…

Sven Plöger & Co. sind die Shootingstars der Nachrichtensendungen. Nicht lange her, da war die Wettervorhersage an deren Ende die willkommene Pause vor dem anschließenden Krimi. Aber das hat sich gewandelt. Seien es Hitze und Trockenheit oder Regen und Überschwemmungen – gebannt schauen wir was kommen wird. Entweder zu wenig oder zu viel Wasser. Die Medien – vom Boulevardblatt über die Leitmedien bis zu den Bloggern – bemühen sich zudem Aufklärung. Selten gab es derart viele Wasserspartipps wie in den vergangenen Sommern. Aber was nützt das Wissen? Nicht nur Wahrnehmung, sondern zielgerichtetes Handeln ist jetzt bei Wasser gefragt: „From Awareness to Action!“

Die Naturgewalt hat uns immer fester im Griff. Unerbittlich wehrt sie sich gegen den Missbrauch und Übernutzung ihrer Ressourcen. Nein, die heißen Sommer und Trockenheiten der Jahre 2018 bis 2022 waren 2023 nicht das vorrangige Problem. Zwar gab es im soeben abgelaufenen Jahr wieder Rekordtemperaturen. Dem Deutschen Wetterdienst zufolge war das Jahr 2023 in Deutschland das wärmste seit Messbeginn 1881. Aber anders als daraus zu schliessen sein mag, traten anstelle von Trockenheiten sintflutartige Regenfälle. Die Überschwemmungen der letzten Tage zeigen deutlich, wie schwerwiegend deren Folgen sind. Vielerorts sind die Auswirkungen früherer Überschwemmungen noch nicht verkraftet, stehen Hilfsgelder bürokratiebedingt noch aus, ist der Wiederaufbau noch Hoffnung, da wird Letztgenannte durch die Gewalt neuer Fluten wieder zerstört. Die Realität kümmert sich nicht um Erwartungen. An den großen Flüssen wurden die Deiche erneuert. Das haben wir aus dem Elbe-Hochwasser gelernt. Und jetzt stellen die Verantwortlichen fest, dass auch die Deiche kleiner Flüsse sanierungsbedürftig sind. Lernen kann so schmerzhaft sein. Auch hier zeigt sich, in welch beklagenswerte Zustand unsere Infrastruktur ist. Erkennbar erst dann, wenn sie gebraucht wird. Aber dann sind die Folgen umso schmerzhafter. Die Öffentlichkeit – umso mehr die Betroffenen – muss darauf drängen, dass die Bestandsaufnahme des Zustandes der Deiche lückenlos sein wird. Die „Deichgrafen“ brauchen jetzt dringend Verstärkung, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden können.

In dem einen Jahr brechen die Deiche, im nächsten versiegen die Quellen. Wir rasen mit Höchstgeschwindigkeit auf die Kipppunkte zu. Was ist zu tun? An politischen Willensbekundungen und Gesetzen mangelt es womöglich nicht. Allem voran die Bundesregierung. Sie hat mit der „Nationalen Wasserstrategie“ ein wichtiges Zeichen gesetzt. Das Wasser und die aquatische Umwelt werden folglich als Schutz- sowie als Nutzobjekte anders zu bewerten und zu behandeln sein. Der „Wert des Wassers“ wird nicht als ökonomische Größe wahrgenommen. Flankiert durch den Katalysator der dramatischen Naturereignisse ist er in der Gesellschaft angekommen. Aber Wahrnehmung ist zu wenig – es braucht die Maßnahmen. Dabei müssen auf lokaler Ebene Kommunen und Landkreise die richtige Balance finden. Mal ist es die kurzfristige Bewältigung der Wasserknappheit durch einschneidende Verordnungen, dann wieder langfristig ausgerichtete Konzepte. Doch die sich häufenden aquatischen Naturgewalten lassen nur noch wenig Zeit für Strategien. Aus Prävention wird Reaktion. Wohl dem der früh begonnen hat. Flexibilität ist gefragt. Den Sparaufrufen und Beregnungsverboten wegen Wassermangels folgte sichtbare Hilflosigkeit angesichts plötzlich zuströmenden Wassermassen. Die Konkurrenzlinien haben sich verschoben. Priorsierung beim Wasser ist plötzlich keine Frage der Nutzergruppen mehr. Nicht mehr Landwirtschaft oder Industrie befinden sich Wettstreit um die knapper werdende Ressource, sondern die Anrainer eines Fliessgewässers um den Schutz vor den nicht zu bändigenden Wassermassen. Rententionsflächen müssen erweitert, Fließgewässer renaturiert werden. Die Liste der ToDos wird von Jahr zu Jahr länger. Vielerorts ergreifen Naturschutzverbände, Initiativen und Schülergruppen die Initiative und fordern die Politik zum Handeln auf. Dabei entstehen nicht nur Stauflächen, sondern wertvolle neue Lebensräume.

Retentionsflächen nach der Renaturierung der Ahse bei Welver (Foto: Gendries)

Wassersparen war lange Zeit kein Thema mehr in Deutschland. Wir wähnten uns sicher. Wasserknappheit war etwas für den globalen Süden. Nun haben langjährige Trockenheit und kriegsbedingte Energiekrise bei vielen Zeitgenossen ein Umdenken bewirkt. Es wird wieder Wasser gespart. Der „Waschlappen“ und die „kalte Dusche“ erleben eine Renaissance im häuslichen Bad. Schon 2022, nach Jahren des dürrebedingten Anstiegs bis auf 129 Liter täglich pro Person, hatte sich der Wasserverbrauch wieder auf Talfahrt begeben – bis auf 125 Liter. Die Regengüsse in 2023 werden den Abwärtstrend beschleunigt haben. In der Industrie werden das schwächelnde Wachstum und Umorientierung zur Nachhaltigkeit die Wassernachfrage dämpfen. Der Verbrauch geht zurück. Die Zahlen der Wasserversorger lassen schon jetzt keine andere Schlussfolgerung mehr zu. Sie werden die Entwicklung in ihren Bilanzen zu spüren bekommen. Vielerorts wurde mit der Erlösplanung auf Verbrauchszuwächse gesetzt. Es wird sich zeigen, ob daran 2024 etwas ändern wird. Der sorgsame Umgang mit Wasser muss jedenfalls bleiben, auch wenn die Trockenheit im kommenden Jahr ausbleiben wird. Denn der nächste Hitzesommer kommt bestimmt.

Was 2024 kommt, steht in den Sternen – oder in der fernöstlichen Mythologie. Dort war 2023 das „Jahr des Hasen“ – übrigens des „Wasser-Hasen“, das abgelaufene Jahr wurde vom Element des Wassers geprägt. Am 10. Februar 2024 folgt das chinesische „Jahr des Drachen“. Es verspricht Glück. Aber darauf sollten wir uns nicht verlassen …

Alles Gute und Gesundheit für den Rest des Jahres, wünscht Siegfried Gendries!

Beitragsfoto: Mstyslav Chernov/Unframe/www.unframe.com, CC BY-SA 3.0

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