Den Gewässerstress durch Landwirtschaft in Europa macht eine Studie transparent

Böhme bei Bad Fallingbostel (Gendries)

Die Art der Landwirtschaft ist mit entscheidend für den Zustand der Gewässer. Aber nicht jede Form der Agrarwirtschaft beeinträchtigt die aquatische Umwelt. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Duisburg-Essen hat untersucht, wie sich in Europa unterschiedliche landwirtschaftliche Nutzungsformen und Intensitäten auf den ökologischen Zustand von Fließgewässern auswirken.

Viele menschenbedingte Einflussfaktoren stressen unser Gewässer

Die europäischen Flüsse sind durch mehrere menschenbedingte Stressfaktoren belastet. So gibt es sogenannte Punktquellenverschmutzungen zum Beispiel durch direkte Einleitungen, diffuse Verschmutzungen wie durch die Landwirtschaft und hydromorphologische Veränderungen in Folge von Eingriffen in die Gewässerstruktur wie die Durchgängigkeit bei Wasserkraftwerken oder Begradigungen.

Negativ wirken sich auch steigende Temperaturen, Wasserknappheit und invasive Arten aus. Letztere finden ihren neuen Lebensraum durch die Veränderungen der Gewässer wie in der Oder, die infolge der Versalzung einer Alge eine neue Heimat bot, die in Süssgewässern eigentlich nicht beheimatet ist. All diese Stressoren beeinflussen die Funktion von Flussökosystemen, so dass nur etwa 40 % der mehr als 100.000 regelmäßig überwachten europäischen Flusswasserkörper im Jahr 2015 einen guten ökologischen Status erreicht hatten. In Deutschland sind es nicht einmal zehn Prozent. Die Landwirtschaft als eine der größten Flächennutzerin gilt als mitverantwortlich für diese Situation. Zurecht?

Um dies zu beantworten, analysierte das Forschungsteam um den Wissenschaftler Christian Schürings von der Universität Duisburg-Essen verfügbare Daten zur landwirtschaftlichen Nutzung in 27 europäischen Ländern. Diese setzte es in Zusammenhang mit Daten zum ökologischen Zustand der dortigen Fließgewässer – darunter waren Bäche, aber auch große Flüsse wie Ruhr, Rhein oder Schelde. Um den größten von der Landwirtschaft ausgelösten Süßwasserdruck darzustellen, wurden vier ausgewählte Druckindikatoren untersucht: (1) Nährstoffe (2) Pestizide, (3) landwirtschaftliche Wasserentnahmen und (4) Landnutzung von landwirtschaftlichen Flächen in potenziellen Flussüberschwemmungsgebieten.

Vier Stressfaktoren lösen großen Druck auf die Gewässer aus

Zur Festlegung des landwirtschaftlichen Intensitätsindex wurden 20 homogene Gruppen der landwirtschaftlichen Landnutzung (d.h. Bereiche des landwirtschaftlichen induzierten Süßwasserdrucks – AFFP), mit ähnlicher landwirtschaftlicher Produktion und landwirtschaftlich induzierten Süßwasserdruckintensitäten gebildet. Die reichte vom „Mediterranen, hochintensiven Ackerland“ auf der iberischen Halbinsel über das „Nördliche und hochintensive Ackerland“ der deutschen Landwirtschaft bis zum „Ackerland im Norden“ in Skandinavien.

Durch die Daten- oder Expertenbasierte Bewertung der Intensitäten der vier Druckindikatoren von 1 („sehr niedrig“) bis 4 („hoch“) konnten „Druckprofile“ für jeden der 20 regionalisierten Typen festgelegt werden.

Druckindikatoren und -niveaus in vier Klassen des Süßwasserdrucks eingeordnet (Schürings e.a., Uni DUE)

Das Ergebnis: Die Art der Landwirtschaft ist mit entscheidend für den Zustand der Gewässer (siehe Abbildung). „Am stärksten wirkt sich die Intensivlandwirtschaft aus“, sagt Schürings. Der Experte für Aquatische Ökologie ist Erstautor der Studie. „Dazu zählt der Bewässerungsfeldbau, wie er in Südeuropa beispielsweise in Spanien, Portugal und Italien betrieben wird, und der intensive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger auf Flächen in Westeuropa. Das ist vor allem in Frankreich, den Niederlanden, in Belgien, in Deutschland oder Großbritannien verbreitet.“ Durch die intensive Bewirtschaftung können Nitrate, Pflanzenschutzmittel und andere Stoffe in den Gewässern landen, Auen werden zu Ackerland umgewandelt, Flüsse begradigt oder in Südeuropa zur Bewässerung von Feldern genutzt. Das bedroht bzw. zerstört wichtigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. 

Rangfolge der Druckindizes von 20 Gebieten mit landwirtschaftlichen induzierten Süßwasserdrücken 

Anders verhält es sich mit weniger intensiven Landwirtschaftsformen: Laut Studie wirken sie sich kaum bis gar nicht auf den ökologischen Zustand aus. Denn die Anbauflächen sind kleinteilig, Düngemittel und Pflanzenschutzmittel werden sparsamer eingesetzt, und es werden Hecken und Blühstreifen für mehr Biodiversität angelegt.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen dass der Wandel hin zu nachhaltigeren Landwirtschaftsformen, wie dem ökologischen Landbau, gut für die Gewässer ist.“

Christian Schürings, Studienautor, Uni Duisburg-Essen

Die Ergebnisse liefern wertvolle Argumente für die Bevorzugung des ökologischen Landbaus

Die Ergebnisse können als Werkzeug dienen, um Druck-Hotspots zu identifizieren, die durch landwirtschaftliche Aktivitäten verursacht werden. Dies ermöglicht, landwirtschaftliche Intensität und Umweltbelastung in Beziehung zu setzen. Die Ergebnisse identifizieren Regionen mit großem landwirtschaftlichen Druck für die Artenvielfalt der Flüsse. Sie zeigen, dass die Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Intensität die Stärke der Wechselbeziehung mit dem ökologischen Status stark erhöhen kann. Diese Informationen können verwendet werden, um Ratschläge für die gesamteuropäische Bewirtschaftung von Süßwasserökosystemen zu geben. Dies trifft insbesondere für solche Regionen zu, bei denen eine Extensisierung oder nachhaltige Intensivierung den ökologischen Status der Gewässer verbessern kann. Das ist insbesondere auf der iberischen Halbinsel der Fall. Es liefert auch dringend notwendige Beweise für die EU-weite Umweltpolitik, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen, wie das Naturwiederherstellungsgesetz und insbesondere die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik mit einer wirksamen Erneuerung nach 2027. „Die hohe Umweltbelastung der landwirtschaftlichen Flächennutzung (…) unterstreichen die dringende Notwendigkeit eines landwirtschaftlichen Übergangs zu nachhaltigeren Praktiken wie dem ökologischen Landbau oder der Permakultur, insbesondere in Regionen mit hohem landwirtschaftlichen Druck„, fassen die Studienautoren als Ergebnis zusammen.

Gewässerschutz und Landwirtschaft Hand in Hand gehen können. Dies sollte die EU auch durch einen Umbau der Agrarförderung unterstützen, damit Umweltleistungen der Landwirtschaft stärker honoriert werden.“

Mitautor Dr. Sebastian Birk
Kumulativer landwirtschaftlicher Druckindex, der die durchschnittliche Intensität mehrerer landwirtschaftlicher Drücke (Schürings e.a., Uni DUE)

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