Auf der Spur von Corona-Mutanten im Abwasser: Pandemie-Monitoring durch Sequenzierung

Dass Abwasser über die Ausscheidungen im Stuhl und Urin vieles über die Menschen verraten kann, wissen wir spätestens seit den Anfängen der Pandemie. Die Ergebnisse der Diagnostik verraten viele Krankheiten und den Konsum von Drogen. Daher gewinnt der Nachweis von SARS-CoV-2 in Abwasserproben als unterstützende Maßnahme zur Pandemiebekämpfung international immer mehr an Bedeutung. Doch die Abwasseranalyse kann mehr: Über den quantitativen Nachweis von SARS-CoV-2 Viren in Rohabwasser kann das Infektionsgeschehen im Einzugsgebiet einer Kläranlage verfolgt werden. Hierzu gibt es bereits viele Studien in Deutschland. Forscherinnen haben jetzt einen Schritt im Blick: Abwasser soll als Quelle für genomische Information genutzt werden. Dieser noch weit weniger erforschte Ansatz könnte nicht nur die Verbreitungswege des Virus, sondern insbesondere seine Mutationen und Varianten wie zum Beispiel SARS-CoV-2 B.1.1.7, die sog. „Britische Mutante“, frühzeitig erkennen.

Hier setzt das Projekt mit dem Titel „SARS-CoV-2 Genom im Abwasser – Monitoring der Pandemieentwicklung mittels Sequenzierung“ unter der Leitung von Professorin Susanne Lackner am Fachgebiet Abwasserwirtschaft der TU Darmstadt an. In Zusammenarbeit mit der Emschergenossenschaft, einem sondergesetzlichen Verband „im Herzen von NRW“ und dem führenden Betreiber von kommunalen Kläranlagen, sollen die erforderlichen Messverfahren und Konzepte entwickelt werden, um Mutationen oder Varianten und deren Ausbreitung möglichst großflächig über Abwasseranalytik zu erfassen. Das Projekt erforscht das Potential von Abwasser als Informationsquelle für die Verfolgung des epidemiologischen Geschehens über den gezielten Nachweis von Mutationen und Virusvarianten (Genomsequenzierung).

Emschergenossenschaft als Praxispartner – Frankfurt am Main hatte abgelehnt

Um solche Untersuchungen in Abwasser schnell und zuverlässig durchführen zu können, sind entsprechende Studien auch in Deutschland dringend notwendig. Ihr Verfahren hat Professor Lackner auch dem Gesundheitsamt im benachbarten Frankfurt am Main angeboten. Dort war man aber skeptisch und lehnte eine Beteiligung ab, wie mir Frau Professor Lackner auf Anfrage erklärte. Sie ließ auch verständliche Enttäuschung durchblicken. Rückendeckung bekommt sie aber nun von der Emschergenossenschaft, die sich als Praxis-Projektpartner beteiligt. Wie sie erklärt, soll in Kürze soll entschieden werden, auf welchen zwei großstädtischen Kläranlagen das Pilotprojekt angegangen werden soll. Die Ergebnisse stellt Frau Professor Lackner dann in drei bis vier Monaten in Aussicht.

Unterstützt wird das Projekt zusätzlich von zwei weiteren Partnern aus der Industrie, den Firmen Endress & Hauser Conducta als globalem Anbieter von Prozessmess- und -leittechnik mit Kompetenzen zur automatisierten Probenahme und -aufbereitung und Thermo Fisher Scientific, einem weltweit operierenden Konzern unter anderem im Bereich klinische Diagnostik mit viel Erfahrung beim Nachweis von SARS-CoV-2, der das Projekt sowohl mit neuen Test-Kits als auch beratend bei der Auswertung von Sequenzierergebnissen unterstützen wird.

Das Projekt „„SARS-CoV-2 Genom im Abwasser – Monitoring der Pandemieentwicklung mittels Sequenzierung“ ist auf eine Laufzeit von einem Jahr ausgelegt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb der Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit“ FONA gefördert. Die BMBF-Fördersumme für die Forschungsarbeiten an der TU beträgt rund 720.000 Euro.

DWA-Webinar

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) greift dieses sehr aktuelle Thema im WebSeminar „Etablierung eines Frühwarn- und Entwarnungssystems mittels Abwassermonitoring“ auf. Die Professoren Dr.-Ing. Jörg E. Drewes (Technische Universität München) und Dr. Andreas Tiehm, (Karlsruher Institut für Technologie) erläutern, wie ein abwasserbasiertes Überwachungs- und Frühwarnsystem in ein sehr effizientes, pro-aktives Krisenmanagement münden und eine Blaupause für andere Kommunen in Deutschland abgeben kann.
Das Webseminar findet am 26. Mai 2021 von 10 bis 12 Uhr statt. Die Teilnahmegebühr beträgt 150 Euro, DWA-Mitglieder zahlen 130 Euro. Infos: https://de.dwa.de/de/corona-im-abwasser.html.
 

Über die TU Darmstadt
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Beitragsfoto von PIRO4D auf Pixabay

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