Brasilien leidet an der schlimmsten Wasserkrise seiner Geschichte. Der nachfolgende Beitrag beschreibt den Weg vom Wasserreichtum zur Wasserknappheit, der nicht nur auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Welche Lehren sind daraus für andere Länder zu ziehen?
Der Klimawandel hat das wasserreichste Land der Erde bereits im Griff, vielfach sind es aber Folgen direkten menschlichen Handelns. Es hat in den letzten Jahren zu wenig geregnet, aber der Kern des Problems liegt woanders. Das größte Land Südamerikas, das in vielen Lexika noch als wasserreichstes Land der Erde und als „Saudi Arabien des Wassers“ bezeichnet wird, weil es so viel Wasser hat(te) wie der Wüstenstaat Öl, ist von einer katastrophalen Dürre erfasst. Daher steht es kurz vor dem Wasserkollaps. Die Folgen gehen weit über den Mangel an Trinkwasser für die Menschen und die Industrie hinaus. Wegen des eigentlichen Wasserreichtums beruht die Energieversorgung zu 75 Prozent auf Wasserkraftwerken. Diese speisen sich aus Stauseen, die immer weniger Wasser führen, in Folge dessen fällt immer öfter der Strom aus.
Ganz Brasilien ist betroffen – insbesondere die Metropolen
Betroffen sind 100 Millionen Menschen, nicht nur in den Dürregebieten im Nordosten sondern auch in den Megastädten Rio de Janeiro und São Paulo. Die Trinkwasserspeicher in den Bundesstaaten waren zeitweise so gut wie leer, ganze Regionen im Nordosten drohen zu verwüsten. Etwa die Hälfte der Bewohner der 20 Millionen-Einwohner-Metropole São Paulo beziehen ihr Wasser aus Reservoirs, statt aus der Leitung. Neun Millionen Menschen müssen so mit Rationierungen leben. (siehe hier NPR). Noch 2011, so ein Bericht der Weltbank, lag der durchschnittliche Wasserverbrauch bei 180 Litern je Einwohner täglich. Zum Vergleich: in Deutschland liegen wir seit Jahren konstant bei 120 Litern. Letztes Jahr um diese Zeit war eine fünftägige Einstellung der öffentlichen Wasserversorgung in Betracht gezogen worden.
Die Situation wird immer brisanter. Zwar warnen Wissenschaftler schon seit Jahren, dass Wasser weltweit immer knapper wird, doch wenn eines der wasserreichsten Länder der Welt austrocknet, steht das exemplarisch für ein Problem, das viele Regionen betreffen könnte. Verschiedene Studien kommen zu der Einschätzung, dass in Zukunft immer mehr Megastädte von Wassermangel betroffen sein werden. Wie kann es sein, dass einem der wasserreichsten Länder der Welt das Wasser ausgeht?
Die Dramatik der Entwicklung zeigt auf ein Video der NASA, die die Dürreentwicklung über mehrere Jahre mit Hilfe von Satelliten gefilmt hat.
Die Ursachen sind vielfältig
Misswirtschaft, Verschwendung und Umweltfrevel sind die wichtigsten Ursachen in Brasilien, allem voran die Abholzung der mächtigen Regenwälder. Auch wenn der Wald satt und gesund aussieht, die Rodung schreitet unaufhaltsam voran und vernichtet die Regenquelle Südamerikas. Der Eingriff wird sich ganz unmittelbar auf das Klima – und auf das vorhandene Wasser – auswirken. Die Regenwald-Rodung liefert nicht nur Edelholz, sondern schafft auch Agrarflächen. Die Entwaldung des Amazonasregenwaldes führt regional zu einer erhöhten Temperatur, verringerter Verdunstung von Wasser (Evapotranspiration) und Niederschlag. Dies ist vor allem auf die verringerte Wurzeltiefe zurückzuführen, da diese die Wasserverfügbarkeit in der Trockenzeit begrenzt. Fast 90 Prozent der Wälder an der Ostküste haben für neue Anbauflächen von Soja und für Rinderherden weichen müssen. Die Produkte gehen in den Export. Zwar schafft die Agrarindustrie Brasiliens auch Hunderttausende von Arbeitsplätzen, doch wegen der fehlenden Nachhaltigkeit des Agraranbaus und der Wasserverschwendung wird es aber nur eine Frage der Zeit sein, bis nicht nur die Regenwälder, sondern auch die Arbeitsplätze nicht mehr da sind.
Auch sonst scheinen es die Brasilianer mit der Umwelt nicht so genau zu nehmen. Anfang dieser Woche berichtete der englische The Guardian unter Bezugnahme auf die dänische NGO DanWatch über den Pestizid-Einsatz auf Kaffee-Plantagen. Auf Brasiliens Kaffeeplantagen werden die Farmarbeiter gefährlichen Pestiziden ausgesetzt, deren Verwendung in Europa sogar verboten sein soll. Wenn es regnet, schwemmen die Wassermassen die giftigen Pestizide in die Flüsse, denen das Trinkwasser entnommen wird. Dies ist nur ein Beispiel für den Umgang mit dem Gewässern.
Die Verantwortlichen haben bisher versagt – aber erste Erfolge scheinen sichtbar
Der nationale Wasserversorger, die börsennotierte Sabesp, wird von vielen Journalisten und Umweltschützern massiv kritisiert. Man habe zu sehr sehr auf die Versorgung von Industrie und Landwirtschaft gesetzt und mit Kanälen für den Wassertransport immer mehr in den natürlichen Wasserhaushalt eingegriffen. Auch hat man viel zu wenig gegen die Wasserverluste in Folge undichter Rohrleitungen getan. In São Paulo gehen bis zu 35 Prozent des Trinkwassers durch Leckagen verloren, verglichen mit 7 Prozent in San Francisco. Die Politik gerät immer stärker in Kritik auch internationaler Beobachter. Sie habe in erster Linie auf Imageprojekte gesetzt und die Entwicklung lange Zeit ignoriert. Die Großprojekte seien aber immer wieder ins Stocken geraten. Missmanagement, weil die Rendite von Sebesp für die Aktionäre wichtiger sei als die Versorgung der Menschen, lautet der härteste Vorwurf. Mittlerweile räumen auch Politiker ein, dass etwas schief gelaufen ist.
Es gibt aber auch erste Erfolge. So hat der Regen in diesem Winter einige Wasserreservoirs wieder anschwellen lassen. Ebenso das Bonusprogramm für Wassersparer zeigt erste Erfolge. Doch trotz dieser Fortschritte und einer Ermüdung des Wirtschaftswachstums mit der Folge einer geringeren Wassernachfrage bleibt die Perspektive bedrohlich: die Bevölkerung und die Agrarnachfrage aus dem In- und Ausland wachsen und der Klimawandel scheint sich unaufhaltsam fortzusetzen – regional und global. Ach ja: Im Sommer finden die Olympischen Spiele in Brasilien statt. Da wird wieder einmal viel Wasser und viel Strom gebraucht. Die Wasservorräte und die Infrastrukturen des Landes werden Höchstleistungen liefern müssen.
In Deutschland finden sich keine Parallelen. Wir haben eine gut funktionierende Wasserwirtschaft mit einem klaren Blick auf die Zukunftsherausforderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen mit einem Fokus auf die Nachhaltigkeit und nicht zuletzt eine gesellschaftliche Grundhaltung, die den sorgsamen Umgang mit Wasser zur Selbstverständlichkeit gemacht hat. Aber auch Brasilien hat sich irgendwann einmal sehr sicher gefühlt …
Weiterführende Informationen:
Auf Lebensraumwasser finden sich eine ganze Reihe von Beiträgen über Brasiliens Wasserkrise hier zu Social Media und Aufklärung und andere.
Das 3sat-Magazin Makro hat sich auf die Suche nach den Ursachen gemacht und einen erschreckende, aber auch anschauliche Reportage gedreht, die am 4.3.2016 ausgestrahlt worden ist. Hier geht es zu dem sehenswerten Beitrag „Brasilien in Not“ klick hier
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