Nutzungskonflikte ums Wasser nehmen zu – Konferenz zeigt Lösungen für alle Kunden

Diese Konferenz dürfte für viel Gesprächsstoff gesorgt haben. Selten wurden Erwartungen und Bedarfe der Wasserkunden von allen Seiten so eingehend beleuchtet wie auf der 3. Mülheimer Tagung. Unter dem Titel „Der Kunde ist König – Was heißt das für die Wasserwirtschaft?“ lieferte die Wasserökonomische Konferenz am 3. März 2022 mit ihren Referenten einen quasi 360 Grad-Blick auf die unterschiedlichen Kundengruppen der Wasserwirtschaft. Die rund 100 Teilnehmer am virtuellen Austausch gewannen in diesem wieder einmal gleichermaßen wissenschaftlich wie pragmatisch-operativ hochwertigem Format wichtige Impulse. Die aus Mülheim gestreamte Tagung wurde von HRW Hochschule Ruhr-West, IWW Zentrum Wasser und RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH gemeinsam veranstaltet. Nachfolgend ein kleiner Gang durch die Tagung für alle, die nicht teilnehmen konnten, aber die Einblicke nicht verpassen wollen.

In elf Vorträgen, zwei Key Notes und jeweils drei Vorträgen in drei Blöcken, wurden die Anliegen der Wasserkunden und die Lösungsansätze der Branche diskutiert. Zentral waren dabei drei Sessions, jeweils zu den Erwartungen der Kundengruppen Industrie, Kommune und Haushalt. Die Wasserwirtschaft wird sich daran messen lassen müssen, wie sie zukünftig sich verschärfende Nutzungskonflikte zwischen diesen Kundengruppen lösen kann.

Zwei Keynotes: BloggerBlick und Foresight-Technik

Eingeleitet wurde die Konferenz von zwei Impulsvorträgen. Als Wasser-Blogger durfte ich in einer Keynote den Blick auf diverse Kundenumfragen werfen. Bei Privatkunden ist eine zunehmende Sorge um die Wasserqualität festzustellen, dies schlussfolgerte ich als eine Begleiterscheinung der medialen Präsenz des Themas Wasser. Die Wasserpreis-Kommunikation der Versorger ist verbesserungsbedürftig. Das belegt die weit verbreitete Unkenntnis der Wasserkosten bei den Verbrauchern. Zudem steigt in Zeiten von Wasserknappheit der Wunsch der Bürger nach mehr Regulierung. Dies verwundert wenig, wenn Klimawandel und Wasserknappheit vor der Haustür stattfinden. Um dies zu belegen, werden „Citizen Science“-Projekte aufgelegt, die Sensibilisierung stärken und das Involvement schaffen sollen. Das ARD-Event #unserWasser wird den Bürger-Blick auf Wasser schärfen, ebenso wie das CSI:Drop aus Bochum, wo es um die Hausinstallation geht.

Einen Ausblick auf die Megatrends der Wasserwirtschaft bot in der zweiten Key Note Jakob Engel, vormals Stratege in der Versorgungsbranche. Die Trends, die der Foresight-Experte ausgemacht hatte, waren doch mit „digitale Transformation“ „Demographie und Urbanisierung“, „Nachhaltigkeit“ sowie „Politik und Regulierung“ schon bisher im Fokus der Experten. Aber sein Vortrag zeigte, wie man sich methodisch der Zukunft nähert und welche Schlussfolgerungen man aus den Ergebnissen ziehen sollte, um sich darauf vorzubereiten. Engel hält es daher für extrem wichtig, das vermeintlich Triviale aufs Papier zu bringen. Wer sind die Kunden in 10 oder 20 Jahren? Möglicherweise sind es dann Maschinen bzw. Algorithmen, wenn intelligente persönliche Assistenten wie Alexa die Bestellungen aufgeben. Sicher ist, der Klimawandel wird zu einer immer ungleicheren Verteilung von Wasser führen.

Bürgeraktionen bei Wasser nehmen zu (Q: Auszug Vortrag Gendries)

Industrie und Landwirtschaft kämpfen um knapper werdende Ressourcen

Der „Kunde Industrie“ ist in vielfältiger Hinsicht vom Klimawandel betroffen. Die sich verändernden Bedingungen der produzierenden Wirtschaft beim Wassereinsatz und der Abwassereinleitung schilderte Werner Ostmeier, vom Papierhersteller Kabel Premium Pulp & Paper. Er machte in seinem Fachvortrag der ersten Session deutlich, dass für die Industrie Wasser ein wichtiger Standortfaktor ist. Wasser „betrifft“ die Rohstoffe gleichermaßen wie die Prozesse. Die Folgen wirken sich auf Verfügbarkeit als auch die Kosten aus. Hitze und Klimawandel führen zu Ressourcenengpässen beim Holz und beim Prozesswasser, Temperaturanstieg bedingt einen Mehrbedarf an Kühlwasser und Extremereignisse führen zu Produktionseinschränkungen. Ostmeier wünscht sich von den Wasserversorgern Planbarkeit und Versorgung mit der richtigen Menge an Wasser. Besondere Probleme bereiten den Wasserversorgern die Abnahmespitzen durch die Industrie.

Professor Dr. Mark Oelmann, Hochschule Ruhr West, stellte dafür einen Lösungsansatz vor: Die lastorientierte Bepreisung der atypischen Systemnutzung der Infrastruktur. Im Ergebnis muss derjenige, der Spitzenbedarfe hat, mehr zahlen. Dies ist aber auch gerechtfertigt, da so die Vorhaltekosten verursachergerecht verteilt werden. Mit der adäquaten Bepreisung der kapazitätsabhängigen Kosten werden zudem die Kunden für die Leistung des Wasserversorgers, die Bereitstellung der Infrastruktur, sensibilisiert. Auch berichtete er über neue Projekte im Bereich der dynamischen Bepreisung mit den verschiedensten Kundengruppen. Maschinelles Lernen und dynamische Preise würden hier „verheiratet“. Wenn Kapazitätsspitzen reduziert werden und Nachfrage im Zeitverlauf verlagert wird, können Kosten für den Kapazitätsausbau und Preisanstiege vermieden werden.

Nachfragespitzen gibt es witterungsbedingt auch in der Landwirtschaft. Ralph Scheyer, vom Hessischen Umweltministerium, zeigte auf, wie der Einsatz digitaler Technologien trotz einem knapper werdenden Wasserangebot die Landwirtschaft gesichert und mit dem heimischen Anbau zugleich der „Wasserfussabdruck“ von Lebensmitteln reduziert werden kann. Scheyer stellte dieses Vorgehen an einem Pilotprojekt im Freilandgemüseanbau vor. So werden die Bewässerungsmengen individuell erfasst und für Steuerungszwecke genutzt. Digital vernetzte Systeme sorgen für eine bedarfsgerechte Wasserbereitstellung nach Menge und Druckbedarf – egal ob Tröpfchen- oder Sprengbewässerung. Mit intelligenten Wasserzählern sind Landwirte in der Lage, ihren momentanen Wasserverbrauch zu kontrollieren. Eine Datenplattform mit Informationen über das verbrauchte Wasserkontingent, gemeinsame Wetterdaten und eigene Feldsensoren helfen die Bewässerung effizienter umzusetzen.

Kommunen – mit Innovationen und Finanzkraft gegen die Klimafolgen beim Wasser

In der Session „Kunde Kommune“ wurde aufgezeigt, welche Folgen Planung und Umsetzung von Klimaanpassung in den Städten für die Wasserwirtschaft hat. Sandro Zehner, Bürgermeister der Stadt Taunusstein, berichtete von den besonderen Herausforderungen der kommunalen Wasserwirtschaft, wenn Eigen- oder Fremdwasserversorgung ausgeglichen werden müssen – vor allem bei den gefürchteten Lastgang-Spitzen. Im Hitzesommer 2018 wären bei der Wasserzwischenspeicherung die Hochbehälter in seiner Stadt fast leergelaufen. Entsprechend wird die Kapazität der Hochbehälter nun erweitert, fast verdoppelt. Vor allem aber versuche man, ein neues Bewusstsein bei der Bevölkerung zu schaffen. Wasser sei ein rares Gut, mit dem bewusst umzugehen ist. Um die Bürger mitzunehmen, wurde eine Wasser-Ampel als Kommunikationstool eingeführt. Diese Wasserampel besteht aus den Stufen grün, der Zwischenwarnstufe gelb mit ersten Maßnahmen und der Warnstufe rot. Bei einer roten Wasserampel gelten harte Verbrauchsregeln: Keine Garten- und Regenbewässerung, kein Waschen von Fahrzeugen, keine Gebäudereinigung und kein Befüllen von Pools und Wasserspeichern. Die Wasserampel wird dabei auf allen Kanälen kommuniziert, in regionalen Tageszeitungen, in sozialen Medien und selbst die Stadtwerkefahrzeuge hat man mit Magnetampeln ausgestattet. Auch den nächsten Schritt kündigte Zehner schon an: ein neues Preissystem, dass sich an den Wohneinheiten orientieren soll.

Professor Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft/Lippeverband und Präsident der DWA, ging darauf ein, wie konkurrierende Ansprüche von Stadtentwicklung und Wasserwirtschaft in Einklang zu bringen sind. Dabei sind Klimawandel und Klimafolgenanpassung ein Thema für eine Region, welches nur gemeinsam über die Stadtgrenzen hinweg zu lösen ist. Dafür stehen im Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ dem Ruhrgebiet 250 Mio. € zur Verfügung. Das Geld wird für unterschiedlichste Maßnahmen zur Klimaanpassung eingesetzt: Verdunstungsrate steigern, Entsiegelung, durchlässige Befestigung, Versickerung, Dachbegrünung, Baumrigolen und Fassadenbegrünung. Im Ergebnis fordert der Klimawandel eine neue Stadtplanung, aber die Wasserwirtschaft kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Eine große praktische Bedeutung kommt bei knapper werdenden Wasservorräten den Wasserrechten zu. Der Spielraum für Wasserrechte für Trinkwasserversorgung bzw. für industrielle Nutzungen wird zunehmend enger.

Wie man Wasserrechtsverfahren erfolgreich und konsensual gestalten kann, zeigte Daniel Schiebold von Becker Büttner Held. Die Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung bei zunehmenden Nutzungskonkurrenzen ist keine Selbstverständlichkeit. Die Privatkunden können so viel Wasser entnehmen wie sie benötigen. Im Kern muss die Wasserversorgung immer sichergestellt sein, der Wasserversorger hat zu liefern. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer wasserrechtlichen Nutzungsgenehmigung, aber zumindest steht die öffentliche Wasserversorgung immer ganz oben. Zudem können die Stadtwerke einiges tun, um ihre Entnahmerechte zu sichern: sie sollten den Rechtsrahmen kennen, den Behördenkontakt aufbauen und pflegen, ein interdisziplinäres Team für Genehmigungsverfahren aufstellen und ein Genehmigungsmanagement aufbauen.

Die Haushalte haben großen Informationsbedarf. Daten sind gefragt.

Für den Kunden Haushalt wird die Zuverlässigkeit der Versorgung mit Trinkwasser als selbstverständlich angesehen. Die Verbrauchersicht stellte in der Session „Kunde Haushalt“ Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg vor. Was den Verbraucher tatsächlich bewegt, sind die Themen Wasserverbrauch und Wasserrechnung, Anfragen zu Kontaminationen sowie Geschmack und Temperatur. Dabei kann Tristan Jorde Leitungswasser uneingeschränkt empfehlen. Es ist kostengünstiger und hat eine bessere Öko-Bilanz als Flaschenwasser. Wasserfilter hält er für überflüssig, Leitungswasser muss nicht gefiltert werden. Während die Filteranbieter ein aggressives Marketing bestreiten, manchmal auch mit fragwürdigen Methoden, würden die Wasserversorger sich auf eine sachliche Qualitätskommunikation beschränken. Sie seien daher in den Medien nur wenig präsent.

Martin Offermann vom IWW Zentrum Wasser griff diesen Punkt auf und zeigte verschiedene digitale Ansätze für die Kommunikation mit dem Haushaltskunden. Bei den digitalen Lösungen stehen vor allem Aspekte der Dienstleistungsqualität im Vordergrund. Er stellte Ansätze und Praxisbeispiele vor, wie die Kundenschnittstelle der Zukunft aussehen kann, angefangen über die Zählerablesung bis hin zur Wasserrechnung. Dazu muss sich der bisher eher punktuelle Kundenkontakt in eine kontinuierliche Kundenbeziehung weiterentwickeln. Dies sollte mit einer weiteren Individualisierung der Kundenservices einhergehen. Während dem Mieter im Mehrfamilienhaus mit fernauslesbaren Wohnungswasserzählern geholfen wird, ist der Einfamilienhausbesitzer mit Garten und Pool am Spezialtarif für punktuelle Großabnahmen interessiert. Dazu muss man aber die Vielfältigkeit der Kunden verstehen lernen. Hierfür sind die vorhandenen Kundendaten besser zu analysieren.

Im letzten Vortrag beschrieb Dr. Franz-Josef Schulte, Geschäftsführer der RWW, den Weg des Wasserzählers von der einfachen Verbrauchserfassung zur intelligenten Kundenschnittstelle mit Mehrwert. Während das heutige Wissen über die Kunden und ihre Verbräuche im Wesentlichen auf Durchschnittswerten basiere und Wasserversorger angesichts analoger Zähler auf durchschnittliche, sehr grobe Daten zurückgreifen müssen, werden fernauslesbare Warmwasserzähler in Wohnungen von den Submetering-Firmen schon seit Jahren genutzt – mittlerweile auch mit gesetzlicher Verpflichtung. Diesen Mehrwert sollten sich auch die Wasserversorger eröffnen und die Schnittstelle zum Kunden besser nutzen. Schulte stellte mit dem Leckagemonitoring einen konkreten Anwendungsfall vor, bei dem Wasserverluste zählergestützt vermieden werden können. Mit dem „Wasserheld“ bietet RWW ein System an, das in Kombination mit vorhandenen Zählern mittels Aufsetzmodul mit dem Kunden und dem Versorger kommuniziert und die relevanten Daten liefert. Der aktuelle Zählerstand ist einsehbar und individuelle Regeln lassen sich vom Kunden je nach Verbrauchsverhalten einstellen. Wird eine Regel gebrochen, warnt der Wasserheld per Push-Nachricht auf dem Smartphone – so können auch Schleichleckagen entdeckt werden. Aus Versorgersicht bieten digitale Zähler zudem die Chance zu datengetriebenen Geschäftsmodellen und eröffnen Raum für preispolitische Anreize.

Der Blick auf den Wasserkunden wird geschärft

Im Ergebnis hat die Konferenz gezeigt, dass die Nutzungskonflikte um Wasser zwar zunehmen werden, aber zahlreiche digitale Lösungen im Sinne einer smarten Verbrauchssteuerung hier Abhilfe versprechen. Der Kunde bleibt zwar König, aber angesichts steigender Wasserbedarfe muss auch er bewusster mit der Ressource Wasser umgehen und sich in ein nachhaltiges Wassermanagement vor Ort einbringen. Die Branche wird ihn dazu mit zahlreichen digitalen Lösungen bestmöglich unterstützen. In zwei Jahren wird mit der dann mit 4. Mülheimer Tagung wieder ein wasserökomisch wichtiges Thema im Mittelpunkt stehen und viele wertvolle Einblicke liefern.

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