Warum in Dormagen ab 2020 ein Systempreis für die Wasserversorgung zu zahlen ist

Immer mehr Wasserversorger stellen ihre Tarifsysteme um, so auch die 65.000-Einwohnerstadt Dormagen. „Das bisherige Tarifmodell für Trinkwasser bildet die tatsächlichen Kosten der Trinkwasserversorgung langfristig nicht mehr ausreichend ab“, erklärt der Geschäftsführer des Wasserversorgers evd dormagen, Klemens Diekmann, auf der gestrigen Pressekonferenz die Umstellung auf das „Systempreismodell“. Dieses immer beliebtere Preissystem für Tarifkunden gilt ab 1.1.2020 dann auch in Dormagen.

Systempreis ersetzt eher ungerechten Grundpreis

Der bisherige Grundpreis, der an der Zählergröße festgemacht wird, hat dann ausgedient. Er wird von Wasserkunden zunehmend als ungerecht empfunden. Es leuchtet unmittelbar ein, dass für ein großes Mehrfamilienhaus eine größere Systemvorhaltung notwendig ist, als für ein Einfamilienhaus. Dessen ungeachtet ist der Zähler gleich groß, damit war der Grundpreis für fast alle Wohngebäude identisch. Diese „Gleichbehandlung von Ungleichem“ wird mit dem neuen Systempreis abgeschafft. Dessen Höhe bestimmt sich nämlich an der Anzahl der Wohneinheiten, sprich an der Gebäudegröße. Anders als ein Teilnehmer an der Pressekonferenz vorschlug, dass ein Zehnfamilienhaus das Zehnfache eines Einfamilienhause zahlen müsste, steigen die Systempreise mit zunehmender Gebäudegrößenur degressiv. Heißt konkret für Dormagen, dass das Zehnfamilienhaus annähernd das Dreifache zahlt. Damit werden Mehrfamilienhäuser zwar deutlich stärker an der Kostendeckung beteiligt als bisher, aber – und das war den Dormagenern wichtig – im Umstellungszeitpunkt entstehen keine Belastungssprünge. Das wurde auch dadurch erreicht, dass der Mengenpreis deutlich, nämlich von 1,69 Euro auf 1,23 Euro je Kubikmeter abgesenkt wird. Also höhere Systempreise für alle – für einige mehr als bisher – und gleichzeitig geringere Mengenpreise für alle. Durchschnittsverbraucher zahlen dann im Monat weniger als einen Euro mehr oder weniger je Haushalt. Bei den Familien und Einpersonen-Haushalten, die mehr oder weniger verbrauchen, bleibt die Veränderung in gerade mal wahrnehmbarem Größenordnungen. Was es auf gar keinen Fall ist: eine verdeckte Preiserhöhung! „Die Umsatzerlöse sind vorher genauso hoch, wie nach der Umstellung – nur gerechter und deutlich sicherer“, so kann man die Umstellung beschreiben.

Planungssicherheit für eine zukunftsfähige Trinkwasserversorgung

Der zentrale Umstellungsgrund der evd dormagen ist schnell erklärt: das Stadtwerk will – nein, muss – die Planungssicherheit erhöhen. Das erklärt auch der Geschäftsführer Diekmann den Pressevertretern. Denn obwohl die Bevölkerungszahl in Dormagen ansteige, sei der Wasserverbrauch seit Jahren konstant. Entwicklungen, die übrigens auch andere Wachstumsstädte registrieren. Auch der große Nachbar, die RheinEnergie, als Versorger der Stadt Köln hat das Trinkwassertarifsystem umgestellt. Waren es anfangs wie beim „Pionier der Wasserpreissysteme“, der RWW, die Bevölkerungsrückgänge und der Gesamt-Nachfragerückgang, die den Druck auf die Preissysteme schufen, so wollen jetzt auch die „Gewinner des demografischen Wandels“ umstellen, weil die Kostendeckung bedroht ist. Wassersparende Geräte, Zurückhaltung beim Wasserverbrauch, Brunnen- und Regenwassernutzung und insbesondere kleiner werdende Haushalte erhöhen den Druck. Obwohl Dormagen wachse, stagniere ihr Wasserverbrauch. Eigentlich alles gut, könnte man sagen, aber wenn bei steigenden Kosten die Erlöse stagnieren, dann wird es auf Dauer problematisch. Denn der Bevölkerungszuwachs in Dormagen bedeute, so die evd, dass ihr Leitungsnetz durch Erschließung von Neubaugebieten ständig erweitert werden müsse. Auch wenn die Wasserabnahme im Sommer steige, würden die Einnahmen der evd auf Dauer nicht mehr ausreichen, um die anstehenden Investitionen zur Instandhaltung und Modernisierung der Wasserversorgung zu finanzieren. „Das ginge nur mit stark steigenden Wasserpreisen. Dem wollten wir entgegensteuern“, sagt Klemens Diekmann. So konnte er Wasserpreiserhöhungen für die nächsten beiden Jahre schon einmal ausschliessen.

Missverhältnis von Kosten- und Erlösstruktur ist ein Problem

Wie auch in vielen anderen Städten passen Kostenstruktur und Erlösstruktur nicht zusammen. 70% Wasserversorgungserlöse erziele die evd bisher über die verbrauchte Wassermenge. Diese Einnahmen seien aber variabel, da sich der Wasserverbrauch je nach Witterung verändere und vom Verbrauchsverhalten der Wasserkunden abhänge. Nur 30% der Einnahmen seien für die evd fixe, also planbare Einnahmen, die durch den Grundpreis abgebildet würden. Demgegenüber stünden 80% Fixkosten, die die Investitionen (oder genauer Abschreibungen) und den Betrieb des Netzes anfielen. Somit könne die evd also nur einen geringen Teil der fixen Kosten durch planbare fixe Einnahmen abdecken. Um dieses Risiko für Kostendeckungslücke zu reduzieren, führt die evd ein neues Wasserpreissystem ein.

Alle Kunden erhalten ein Informationsschreiben

Entscheidend für den Erfolg und die Akzeptanz einer solchen Umstellung ist eine transparente und proaktive Kundenkommunikation. Die evd nimmt diesen Teil des Projektes sehr ernst. Schon bei der Kunden-Selbstauskunft zur Anzahl der Wohneinheiten, die der Umstellung vorausging, hat die evd umfassend informiert. Zweidrittel der Angeschriebenen haben ihre Daten pünktlich geliefert und damit eine solide Grundlage geschaffen. Jetzt erhalten alle knapp 16.000 Kunden ein persönliches Schreiben, in dem die Beweggründe und die Auswirkungen beschrieben werden. Ein beiliegender Flyer stellt kurz und knapp das Wichtigste dar. Zusätzlich finden die Kunden eine Vielzahl von Antworten auf mögliche Fragen unter den FAQ auf der Website der Stadtwerke Dormagen.

Breite Unterstützung für Preisumstellungen

So wie die Stadtwerke das Thema zukunftssichere Wasserpreise für Dormagen angegangen sind, wage ich die Prognose, dass die Kunden dieses Projekt ebenso gutheißen oder akzeptieren, wie es die Mülheimer, Oberhausener, Bottroper, Gladbecker, Kölner, Dürener, Krefelder und viele andere, somit fast 2,5 Millionen Verbraucher, gemacht haben, die ihre Wasserpreise nach der Umstellung auf Basis des Systempreismodells bezahlen. Nicht umsonst gibt es einer derart breite Unterstützung. Wie sagt der Gebührenexperte des Bundes der Steuerzahler NRW, Jens Amman, „Der Systempreis ist aus unserer Sicht empfehlenswert. Er gibt Kosten der Wasserversorgung verhältnismäßig fair an die Verbraucher weiter und vermeidet die einseitige Belastung einzelner Haushaltstypen. Der Systempreis kann zum Vorbild anderer Wasserversorger werden.“

Weiterführendes

  • Vorabinformationen der evd Dormagen zum neuen Tarifsystem
  • Webinformation der evd zur Umstellung (15.10.2019)
  • „Sommerinterview“ mit dem Bund der Steuerzahler zu Wasserentgelten, Lebensraumwasser
  • „Warum Wasserversorger ihre Preissysteme umstellen oder Grundpreise erhöhen“, Lebensraumwasser
  • Wer grundsätzliche Fragen zu einer derartigen Umstellung hat oder als Wasserversorger eine Umstellung plant, kann mich gerne ansprechen.

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