Statistische Scheinerfolge beim Antibiotika-Einsatz in der Viehzucht

Insgesamt werden in Deutschlands Intensivtierhaltung große Mengen Antibiotika verabreicht. Diese bedrohen die Gewässer und mittelbar auch die Trinkwasseraufbereitung. Größere Risiken gehen aber von Antibiotikaresistenzen aus. Insgesamt 1.238 Tonnen sind 2014 von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärzte abgegeben worden. Dies ist die gute Seite der Entwicklung, denn nach den aktuellen Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) waren es im Jahr 2012 noch 1.600 Tonnen. Bevor aber diese Reduzierung als Erfolg gefeiert wird, müssen die Fragen beantwortet werden, warum die Antibiotika in der Viehzucht eingesetzt werden und was sie verursachen können.

Viele Experten bezweifeln, dass die Arzneimittel immer nur zur Krankheitsbekämpfung gegeben werden. Stattdessen wird dahinter das Ziel der beschleunigten Wachstumsförderung von Tieren vermutet. Über die Ausscheidungen der Tiere können Antibiotika auch in die Umwelt gelangen zum Beispiel über die Gülle auf die Felder. Damit können die Stoffe in die Nahrungsmittel der Konsumenten gelangen und gefährliche Antibiotikaresistenzen fördern. Auch wenn eine Studie des Umweltbundesamtes aus dem vergangenen Jahr für das Trinkwasser zunächst Entwarnung gab, weil auch unter besonders ungünstigen Standortbedingungen die Medikamente nur selten ins oberflächennahe Grundwasser gelangen, bleibt das unmittelbare Risiko bestehen: die Aufnahme durch den Verzehr von Fleisch. Daher drängt die Bundesregierung seit Jahren auf eine Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika bei Tieren. Denn die Zunahme der Antibiotikaresistenzen bei Menschen wird durch übermäßige „Einnahme“ von Antibiotika ausgelöst. Daher ist es besorgniserregend, dass die Abgabemenge der für die Therapie beim Menschen besonders bedeutenden Antibiotikaklassen, Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation, nicht abgenommen hat, sondern auf dem Niveau des Vorjahres stagniert (siehe hier). Die Abgabe von Fluorchinolonen hat auf hohem Niveau weiter leicht zugenommen und zeigt gegenüber dem ersten Erfassungsjahr 2011 eine Steigerung von nunmehr 50 Prozent. Mit diesen Abgabemengen können die Antibiotikaresistenzen nicht eingedämmt werden. Die aktuellen Zahlen belegen einen offensichtlichen Scheinerfolg.

Auch wenn die auf das Bundesgebiet bezogenen Zahlen so etwas wie eine positive Tendenz andeuten mögen, regional betrachtet bleiben die Hotspots bestehen. Einer befindet sich im südlichen Münsterland im Landkreis Borken. Da hier die Hochburg der deutschen Viehzucht zu finden ist, leuchtet diese Region auf das Karte rot. Übertroffen wird er nur noch vom niedersächsischen Landkreis Osnabrück.

BVL, 28.7.2015
BVL, 28.7.2015

Seit letztem Jahr müssen Tierärzte und Landwirte melden, welche und wie viele Antibiotika sie den Tieren verabreichen. Diese Statistiken sollten bei Bedarf ein politisches Gegensteuern ermöglichen. Dieser ist mindestens bei den Resistenzen bereits gegeben. Leider bleiben die Konsequenzen trotz bedrohlicher Entwicklungen dank der starken Agrar-Lobby stecken. Auf einen klaren Grenzwert wird daher weiterhin gewartet.

Wer sich für Antibiotika-Resistenzen interessiert, wird hier beim BVL fündig klick hier

1 Kommentar

  1. Lieber Siegfried
    Danke für deine relativierenden Informationen zum Rückgang des Antibiotika-Verbrauchs in der deutschen Tierhaltung. Unser LID (Landwirtschaftlicher Informationsdienst) hat nur die Abnahme vermerkt: „… Seit 2011 muss die pharmazeutische Industrie erfassen, welche Mengen an Tierarzneimitteln sie jährlich an Tierärzte abgeben. Seither ist die verwendete Menge von Tierantibiotika um 27 % bzw. 468 Tonnen gesunken. Die Abgabemenge von Antibiotika für die Therapie beim Menschen hat im Vergleich zum Vorjahr nicht abgenommen.“
    Grüsse aus der Schweiz
    Heidi

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