Müssen die Risiken des Glyphosat-Einsatzes in Europa neu bewertet werden? Eine Krebsstudie eines WHO-Instituts hatte vor wenigen Wochen für Unsicherheit und Aufregung um Glyphosat gesorgt (siehe hier). Neue Studien und Bewertungen ziehen jetzt Unkrautvernichtungsmittel wie RoundUp in den Blickpunkt der Kritiker und Verbraucherschützer. Da zum Ende des Jahres die EU-Neuzulassung für Glyphosat ansteht, dürfte jetzt die Auseinandersetzung zwischen Herstellern und Verbraucher-/Naturschützern härter werden.
Nur wenige Englandurlauber besuchen ihre Inselnachbarn wegen der guten Küche, aber das englische Frühstück ist ein Highlight. Auf die Frage „Browntoast or Whitetoast?“ habe ich mich immer für das Erste entschieden. Zukünftig werde ich auf den Toast verzichten. Grund dafür ist die auf der Insel gängige Praxis der Sikkation. Bei diesem Verfahren wird das Getreide kurz vor der Ernte mit dem Pflanzenschutzmittel behandelt, um das Wachstum der oberirdischen Teile von Kulturpflanzen und Unkräutern zu stoppen. Die Pflanzen trocknen dadurch schneller ab und eine frühere Ernte wird möglich. Wegen diesen Verfahrens stecken in englischem Brot mehr Pestizide als in Weizenerzeugnissen anderer EU-Staaten, erklärten englische Forscher am 15.7.2015 auf einer Konferenz der Soil Association in London. Aber bedrohlich sollen diese Mengen nicht sein. Analysen des englischen Komitee für Pesizidrückstände in Nahrungsmitteln, ein Expertengremium das die Umwelt- und Lebensmittelbehörde (Defra) berät, fanden in Brot-Proben aus den Jahren 2013 und 2014 durchschnittlich 0,2 Milligramm Glyphosat je Kilogramm. Da der von der EU festgesetzte Maximale Rückstandswert (Maximum Residue Level – MRL) mit 10 Milligramm je Kilogramm deutlich höher ist, wird Entwarnung gegeben. Gegner fordern in England trotzdem ein Verbot des Glyphosateinsatzes, denn die Werte steigen seit Jahren kontinuierlich an. In jedem dritten, an englischen Ladentheken verkauften Brot fanden sich Glyphosatrückstände. Sorge macht auch eine weitere Statistik, wonach der Pestizideinsatz um 400 Prozent in den vergangenen 20 Jahren angestiegen ist. Nahezu 800 Tonnen der Chemikalie sind auf etwas mehr als eine Million Hektar britisches Ackerland gelangt, berichtet die englische Tageszeitung. Das wird auch vielen Briten womöglich den Appetit auf Toast verderben.
Aber die Risiken des Glyphosat-Einsatzes beschränken sich nicht auf England. Sorge muss allen Verbrauchern die Toxizität der so genannten Beistoffe machen. Die Toxizität des auch auf deutschen Äckern, Gärten und Randstreifen eingesetzten Pestizid RoundUp geht nicht nur vom Glyphosat allein aus, sondern von der Mischung mit anderen Stoffen. Den wissenschaftlichen Beweis liefert Dr. Robin Message vom Institut für Medizin und Molekulargenetik am renommierten Kings College in London, der mit Hilfe neuer Analyseergebnisse belegen will, RoundUp 1.000 Mal toxischer ist als der Basisstoff Glyphosat allein. Die Bedrohung sieht Message umfassender “Glyphosat ist überall in unserer Nahrungskette – in unserer Lebensmitteln und in unserem Trinkwasser.” Unterstützung erhalten Message und die Gegner von RoundUp ausgerechnet vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dass sich für die Neubewertung von Glyphosat im Rahmen der aktuellen Neuzulassung verantwortlich zeichnet. So erklärt das BfR auf der Website unter Fragen und Antworten zu Glyphosat: „Aus der großen Anzahl der ausgewerteten Literatur ergibt sich jedoch, dass die Toxizität bestimmter glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel aufgrund der darin enthaltenen Beistoffe (z. B. POE-Tallowamine als Netzmittel) höher sein kann als die des Wirkstoffs. Eine toxikologische Bewertung der Tallowamine wurde vom BfR in den Bericht integriert“. Diese Aussage dürfte für wenig Beruhigung sorgen, lenkt sie doch den Blick auf Produkte wie RoundUp.
Turnusgemäß wird alle 10 Jahre auf europäischer Ebene die Verlängerung der Zulassung von Wirkstoffen überprüft. Glyphosat befindet sich in einem solchen Wiederzulassungsprozess. Der aktuelle Wiederzulassungsprozess wird von Deutschland geführt. Die zuständigen Behörden haben Anfang 2015 in ihrem Bericht an die Europäische Union die Sicherheit von Glyphosat bestätigt. Der deutsche Bericht wird derzeit durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft. Nach Abschluss der Prüfung trifft die Europäische Kommission die endgültige Entscheidung. Jetzt stellt sich der kritische Verbraucher zwangsläufig die Frage, ob diese Zulassung nicht zu kurz greift. Müsste nicht statt des Basisstoffes Glyphosat, das Endprodukt auf seine Zulassungsfähigkeit hin geprüft werden?
Die Berichte zu Glyphosat werden fortgesetzt …
Hier geht es zu den Quellen und weiterführenden Informationen:
- Über Glyphosat und TTIP hatte LebensraumWasser erst kürzlich berichtet klick hier
- Website und den Fragen & Antworten des BfR klick hier!
- Die Süddeutsche Zeitung berichtet kritisch über die Rolle des BfR klick hier!
- Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Grünen im Bundestag durch das Landwirtschaftsministerium vom 25.6.2015 (51 Seiten) klick hier!
- Bericht von Sustainable Impulse klick hier! (auf englisch)
- Glyphosat-Informationsportal der Hersteller klick hier!
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