Mehr Regentage schaden der Wirtschaft – Klimafolgen treffen Deutschland teilweise unvorbereitet

Dass die Klimafolgen Hitze und Trockenheit auch die Wirtschaft treffen, dürfte kaum Aufmerksamkeit erzeugen. Aber auch Regen kann das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen. Potsdamer WissenschaftlerInnen haben herausgefunden, dass die Kombination von steigender Zahl der Regentage und der Tage mit extremen Regenfällen die Wirtschaft stärker treffen als bisher bekannt. Am stärksten betroffen seien reiche Länder und hier die Sektoren Industrie und Dienstleistung, so die Studie. Die Analyse von Daten aus den letzten 40 Jahren und von mehr 1.500 Regionen zeige einen klaren Zusammenhang und lege nahe, dass infolge des Klimawandels verstärkte tägliche Regenfälle der Weltwirtschaft schaden werden. Diese Schadendimensionen schlagen sich auch in den Daten der Versicherungen nieder. Die Münchener Rückversicherung erklärte die Folgen der Starkregenereignisse des Jahres 2021 zu den zweitteuersten des Jahres weltweit. Die Absicherung dagegen ist den Angaben zufolge unzureichend – der Schutz bekanntlich auch. Einigkeit herrscht bei WissenschafterInnen und Versichern, dass nur mit konsequentem Klimaschutz die Folgen beherrschbar sein werden.

Bedrohung des Wohlstandes in den Industrienationen

„Hier geht es um unseren Wohlstand, und letztlich um Arbeitsplätze. Die Wirtschaft wird weltweit durch mehr Regentage und extreme tägliche Niederschläge gebremst – eine wichtige Erkenntnis, die zu unserem wachsenden Verständnis der wahren Kosten des Klimawandels beiträgt“, erklärt Leonie Wenz vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), die die Studie geleitet hat.

„Makroökonomische Abschätzungen der Klimafolgen haben sich bisher hauptsächlich auf die Temperatur konzentriert und – wenn überhaupt – Veränderungen der Niederschlagsmenge nur über längere Zeiträume wie Jahre oder Monate betrachtet, was leider ein unvollständiges Bild bot“, so Wenz. „Während mehr Jahresniederschlag im Allgemeinen gut für eine Volkswirtschaft sind, insbesondere wenn diese stark von der Landwirtschaft abhängt, ist eine entscheidende Frage auch, wie sich der Regen über die Tage des Jahres verteilt. Verstärkte extreme Regenfälle erweisen sich als schlecht, besonders für reiche Industrieländer wie die USA, Japan oder Deutschland.“

In ihrer Art erstmalige globale Analyse

„Wir haben eine Reihe verschiedener Effekte auf die wirtschaftliche Produktion ermittelt, aber der wichtigste ist der von extremen täglichen Regenfällen“, sagt Maximilian Kotz, Erstautor der Studie und ebenfalls Forscher am Potsdam-Institut. „Bei den Niederschlagsextremen können wir den Einfluss des Klimawandels schon jetzt am deutlichsten sehen. Sie nehmen fast überall auf der Welt zu.“

Die Forschenden haben ihre Ergebnisse gewonnen durch eine statistische Auswertung von Daten zur subnationalen Wirtschaftsleistung für 1.554 Regionen weltweit im Zeitraum 1979-2019, die von MCC und PIK gesammelt und öffentlich zugänglich gemacht wurden. Das Team hat diese dann verknüpft mit detaillierten Daten zu Niederschlägen. Die Kombination von immer genaueren Klima- und Wirtschaftsdaten ist mit Blick auf den Faktor Regen, der meist ein sehr lokales Phänomen ist, von besonderer Bedeutung.

„Es ist der tägliche Niederschlag, der die Bedrohung ausmacht“

Die Menschheit heize das Erdsystem auf, indem sie immer mehr Treibhausgase etwa aus fossilen Kraftwerken und Autos in der Atmosphäre ablagert. Wärmere Luft könne so mehr Wasserdampf aufnehmen, der irgendwann zu Regen werde. Interessanterweise sei die Veränderung des mittleren Niederschlags von Region zu Region unterschiedlich, die täglichen Regenextreme hingegen würden aufgrund des Wasserdampfeffekts auf der ganzen Welt zunehmen, so die Autoren.

„Unsere Studie zeigt, dass der Fingerabdruck der globalen Erwärmung in den täglichen Niederschlägen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen hat. Diese sind bisher nicht berücksichtigt worden, aber extrem wichtig“, sagt Ko-Autor Anders Levermann, Leiter des Bereichs Komplexitätsforschung des Potsdam-Instituts, Professor an der Universität Potsdam und Forscher am Lamont Doherty Earth Observatory der Columbia University, New York. „Ein genauerer Blick auf kurze Zeitskalen anstelle von Jahresdurchschnitten zeigt: Es ist der tägliche Regen, der die Bedrohung darstellt. Es sind die Klimaschocks durch Wetterextreme, die unsere Lebensweise bedrohen, nicht die allmählichen Veränderungen. Indem wir unser Klima destabilisieren, schaden wir unserer Wirtschaft. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass das Verfeuern fossiler Brennstoffe nicht auch unsere Gesellschaft destabilisiert.“

Versicherungsbilanz: Starkregen-Folgen in Deutschland 2021 weltweit die zweitteuerste Naturkatastrophe

Die Einschätzungen der ForscherInnen decken sich auch mit den Daten der Versicherungswirtschaft. Die Münchener Rück veröffentlichte vorgestern Daten zu den Schäden in 2021. Demnach verursachten die Starkniederschläge im Juli ungewöhnlich starke Sturzfluten mit lokal verheerenden Schäden, insbesondere im Westen Deutschlands. In den betroffenen Regionen regnete es durch das Tiefdruckgebiet “Bernd” so stark wie sonst nur etwa einmal in 100 Jahren. Es war die bislang teuerste Naturkatastrophe in Deutschland und Europa und weltweit die zweitteuerste im Jahr 2021.

Die Gesamtschäden betrugen 46 Mrd. €, davon 33 Mrd. € allein in Deutschland. Der Rückversicherer wies auf die fehlende Absicherung hin, die wohl auch der bisherigen Unversehrtheit Deutschlands bei derartigen Ereignissen geschuldet sein mag. So war laut Münchener Rück der versicherte Anteil wegen der unversicherten Infrastrukturschäden und der begrenzten Versicherungsdichte für Hochwasser in Deutschland relativ gering. Mit 11 Mrd. € trugen die Versicherer lediglich ein Drittel der entstandenen Kosten.

Der Ausblick der Versicherer ist wenig beruhigend. Ernst Rauch, Chef-Klimatologe und Leiter der Abteilung Climate Solutions, kommentiert: „Die Katastrophen-Statistik 2021 ist auffällig. Denn etliche der extremen Unwetterereignisse gehören zu jenen, die durch den Klimawandel häufiger oder schwerer werden. Dazu gehören Schwergewitter in den USA auch im Winterhalbjahr. Oder auch Starkregen mit Hochwasser in Europa. Auch wenn Ereignisse nicht einfach dem Klimawandel zugeordnet werden können, so liefert die Analyse der Veränderungen über Jahrzehnte hinweg plausible Indizien für einen Zusammenhang mit der Erwärmung der Atmosphäre und Ozeane. Die Anpassung an steigende Risiken durch den Klimawandel wird eine Herausforderung.“

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