Extremereignisse belasten die Ozeane. Hitzewellen im Meer können marine Ökosysteme unwiderruflich schädigen

Foto: Gendries

Wenn marine Hitzewellen und Extreme von Ozeanversauerungen zusammentreffen, kann das schwerwiegende Auswirkungen auf die Meeresökosysteme haben. Forschenden des schweizer Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern ist es erstmals gelungen, die Häufigkeit und die Treiber dieser kombinierten Ereignisse zu bestimmen, sowie deren zukünftige Entwicklung vorherzusagen (1). In einer früheren Studie hatten sie bereits nachgewiesen, wie die Hitzewellen im Meer die Ökosysteme und die Fischerei bedrohen (2). LebensraumWasser als offizieller Netzwerkpartner der Ozeandekade der UNESCO stellt diese Forschungsergebnisse in den Kontext der Dekadenziele (3).

Kombinierte Ereignisse im Meer – die großen Risiken des Klimawandels

Nicht nur das Land ächzt unter der Hitze – auch der Ozean leidet unter Hitzewellen. So zum Beispiel gegenwärtig im Mittelmeer, wo die Wassertemperaturen an der italienischen und spanischen Küste zum Teil um bis zu 5 °C höher liegen als im langjährigen Mittel zu dieser Jahreszeit. Marine Hitzewellen sind schon länger bekannt und werden wissenschaftlich erforscht. Es ist jedoch relativ wenig darüber bekannt, wie häufig marine Hitzewellen gemeinsam mit anderen Extremereignissen im Ozean auftreten. Man spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten Compound Events, die zu den grossen Risiken des Klimawandels gezählt werden. Während an Land bereits seit einiger Zeit untersucht wird, wie Prozesse, die zu Hochwasser, Waldbränden, Hitzewellen oder Dürren führen, miteinander interagieren, ist die Erkenntnis neu, dass es auch in den Ozeanen zu kombinierten Wetter- und Klimaereignissen kommen kann.

Forschende des schweizer Oeschger-Zentrums für Klimaforschung haben nun unter der Leitung von Thomas Frölicher untersucht, ob marine Hitzewellen gleichzeitig mit Extremereignissen in anderen Stressfaktoren für marine Ökosysteme auftreten. Zu den Stressfaktoren zählt neben der Hitze auch ein hoher Säuregehalt. «Wir haben erstmals die Häufigkeit von Ereignissen quantifiziert, bei denen marine Hitzewellen zusammen mit extremem Säuregehalt auftreten», sagt Friedrich Burger, Postdoktorand und Erstautor der soeben in der Fachzeitschrift «Nature Communications» erschienenen Studie. Ozeanversauerungsextreme sind Ereignisse mit erhöhtem Säuregehalt des Meerwassers, dabei ist die Protonenkonzentration im Meerwasser höher als normal.

Häufig in subtropischen Ozeanen

Hauptergebnis der Studie, die sich auf monatlichen Beobachtungen des offenen Ozeans nahe der Meeresoberfläche über den Zeitraum von 1982 bis 2019 abstützt: Marine Hitzewellen treten relativ oft zusammen mit extremen Ozeanversauerungen auf. Die negativen Auswirkungen von vergangenen marinen Hitzewellen wurden also potenziell durch extreme Säurebedingungen noch verstärkt. «Wir können zeigen», so der Ozeanmodellierer Friedrich Burger, «dass diese zusammengesetzten Ereignisse am häufigsten in den subtropischen Ozeanen auftreten – vergleichsweise selten sind sie jedoch in den hohen Breiten und im tropischen Pazifik anzutreffen.»

Das gemeinsame Auftreten von Hitzewellen und Ozeanversauerungsextremen wird in Regionen wie den subtropischen Ozeanen durch eine Erhöhung des Säuregehalts bei höheren Temperaturen hervorgerufen. Wenn der Temperaturanstieg aber noch andere Effekte hervorruft, wie zum Beispiel geringere Durchmischung von relativ saurerem Tiefenwasser mit Oberflächenwasser, kann eine Hitzewelle auch den Säuregehalt reduzieren und somit die Häufigkeit von Compound Events, wie im Südpolarmeer oder im tropischen Pazifik. «Um die relative Häufigkeit von kombinierten Extremereignissen zu bestimmen, ist es daher von entscheidender Bedeutung, die Auswirkungen von Hitzewellen auf die Zirkulation, Biologie, und Chemie der zu untersuchenden Ozeanregion zu verstehen» sagt Jens Terhaar, Ko-Autor der Studie.

Hitzewellen im Meer können Ökosysteme unwiderruflich schädigen

Als Folge des Klimawandels und der anhaltenden CO2-Emissionen werden Extremereignisse wie marine Hitzewellen und Ozeanversauerungsextreme weiter zunehmen – und so wird erwartet, dass es auch häufiger zu kombinierten Hitzewellen und Versauerungsextremen kommen wird. Modellrechnungen der Berner Forschenden zeigen, dass die Anzahl der Tage, in denen im Ozean Hitzewellen und Versauerungsextreme in Kombination auftreten bei einer globalen Erwärmung von 2 °C im Vergleich zu vorindustriellen Bedingungen um das 22-fache zunehmen. «Dieser starke prognostizierte Anstieg kann schwerwiegende Auswirkungen auf marine Ökosysteme haben», sagt Thomas Frölicher, Ko-Autor.
Wie sich marine Hitzewellen auswirken, hatte ein von Frölicher geleitetes Team bereits 2018 in einer «Nature»-Studie aufgezeigt. Fazit: Hitzewellen im Meer können Ökosysteme unwiderruflich schädigen und stellen damit auch eine Bedrohung für die Fischerei dar. Obwohl es Belege dafür gibt, dass Meeresorganismen durch das Zusammentreffen von warmen und sauren Meerwasserbedingungen noch mehr geschädigt werden können, ist noch relativ wenig über die biologischen Auswirkungen zusammengesetzter mariner Hitzewellen und extremer Ozeanversauerung bekannt. Diese Studie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds und dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unterstützt.

Beitrag im Rahmen der UN-Ozeandekade

LebensraumWasser ist offizieller Partner der Ozeandekade. Worum geht es? Nachdem der Ozean lange Jahre nicht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die er braucht, gab es ab 2015 mehrere Beschlüsse auf höchster politischer Ebene, die sich explizit mit dem Ozean befassen. Um die vielfältigen Initiativen zu bündeln und das Interesse für den Ozean zu verstetigen, schlug die Zwischenstaatliche Ozeanographische Kommission der UNESCO (IOC) die „UN Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung“ (2021 – 2030) vor. Diese wurde 2017 von der UN Generalversammlung beschlossen. In Deutschland befasst sich das Konsortium Deutsche Meeresforschung e.V. stellvertretend für die UNESCO mit der Umsetzung der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Ozeandekade (3). Mit einem dieser Ziele, der “Vorhersehbarkeit des Ozeans“, befasst sich dieses Projekt, nämlich der Erforschung der Wechselwirkungen mit der Atmosphäre.

Ziele der Ozeandekade (Q: Ozeandekade.de)

Publikation:

  1. Friedrich A. Burger, Jens Terhaar & Thomas L. Frölicher: Compound marine heatwaves and ocean acidity extremes. Nature Communications, 16. August 2022. Doi 10.1038/s41467-022-32120-7, https://doi.org/10.1038/s41467-022-32120-7
  2. Thomas L. Frölicher, Erich M. Fischer, Nicolas Gruber, Marine heatwaves under global warming, Nature, 15. August 2018, doi: 10.1038/s41586-018-0383-9 
    http://dx.doi.org/10.1038/s41586-018-0383-9
  3. Ozeandekade Website https://ozeandekade.de

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