Die wechselvolle Geschichte des Wassers in der Körperhygiene

Das Baden und die Körperwäsche haben eine lange Tradition. Dennoch gab es eine Zeit, in der sich die Menschen parfümierten, statt sich zu waschen. Das Wasser wurde als Ursache für die grassierenden Epidemien angesehen, nicht als Mittel ihrer Bekämpfung. Die Geschichte der Hygiene und der Stellenwert des Wassers stehen anläßlich des heutigen 14. „Welttages der Handhygiene“ der WHO im Mittelpunkt dieses kurzen Beitrages aus der Reihe „Wasser & Kultur“.

Wasser als Bedrohung für die Gesundheit

Im ausgehenden Mittelalter und im Zeitalter der Klassik war es unumstritten, dass Kontakte eine der Hauptansteckungsursachen bei Epidemien sind. Hier sind Parallelen zu unseren jüngsten Erfahrungen mit der Corona-Pandemie unverkennbar. Aber anders als die AHA-Regeln der vergangenen Jahre (die ja eigentlich immer noch gelten) und im wesentlichen auf die Verwendung von Wasser für Hygienezwecke setzte, wurde im Mittelalter das Wasser verdammt. Zur Vermeidung von Ansteckungen sollte nämlich auf alles verzichtet werden, was den Körper anfällig machen konnte – auch das Baden mit Wasser. Man ging zu der Zeit nämlich davon aus, dass Flüssigkeiten durch Druck- und Hitzeeinwirkung die Poren öffnen und dadurch eine Ansteckung begünstigen würden. Nach damaliger Auffassung konnte das Wasser in die Haut eindringen. Dies prägte über zwei Jahrhunderte die Hygienepraktiken der Menschen. Eine besondere Bedrohung stellten die damaligen Bäder dar, weil sie auf mechanische Weise die Poren öffnen sollten und die Gefahren erhöhten. Deshalb wurden die bis dahin nicht nur für die Körperhygiene geschätzten Bäder geschlossen, wie zum Beispiel in Paris zwischen den Pestepidemien von 1510 und 1561.

Im 16. und 17. Jahrhundert führte man auch die Verbreitung der Syphillis, ja sogar Schwangerschaften oder den „Schwachsinn“ auf eindringendes Wasser zurück. Wasserhygiene war also nicht der Schutz gegen Krankheiten, sondern in der damaligen medizinischen Überzeugung der Quell des Übels. Auf Wasser musste daher verzichtet werden. Zeitzeugen berichteten vom trockenen Abreiben der Haut als Hygienemaßnahme. Die Sauberkeit einer Person wurde im Paris am Ende des 17. Jahrhundert am sauberen Erscheinungsbild der Wäsche gemessen, schreibt der französische Historiker Georges Vigarello. Gegenstände waren der Maßstab für Sauberkeit. Die eigentliche Hygiene trat in den Hintergrund.

Medizin und Ingenieurwesen schufen ein neues Wasserbewusstsein für die Körperhygiene

Erst im 18. Jahrhundert mit dem Auftreten neuer Epidemien, wie der Pariser Choleraepidemie, und neuen medizinischen Erkenntnissen wurde der Wert des Wassers als Mittel der Körperhygiene neu erkannt. In den schlecht mit Wasser versorgten Stadtteilen wütete die tödliche Epidemie am stärksten. So waren neben Medizinern auch Ingenieure gefragt. Sie unterstützen den Kampf gegen die Seuchen durch den Bau von städtischen Wasserversorgungssystemen. Auch wurde das Abwasser nicht mehr in Straßengräben, sondern in unterirdischen Kanälen abgeführt. Die öffentlichen Badeanstalten erleben eine Wiedergeburt und bieten ärmeren Bevölkerungsschichten den Zugang zur Hygiene mit Wasser. Die öffentlichen Badeanstalten und die Wasserversorgungssysteme sind elementarer Bestandteil der „öffentlichen Stadthygiene“. Es war somit die Körperhygiene als Schutz vor Epidemien, die ursächlich war für die Entwicklung und den Bau von städtischen Wasser-Infrastrukturen.

Vieles hat sich in der modernen Wasserversorgung sowie im Komfort der Bäder verändert – nur, dass letztere nahezu ausschließlich privat sind. Öffentliche Badeanstalten dienen heute weniger der Körperhygiene, als vielmehr für die Freizeitgestaltung; nicht zuletzt auch, weil seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Anschluss der Wohnhäuser an die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung auch private Badezimmer mit sich brachte. Wasser wird mittlerweile als Lebensmittel hochgeschätzt und geschützt. Gesetze und Verordnungen regulieren die Qualität. Die Wasserversorgung ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Ver- und Entsorgungssysteme werden von öffentlichen Unternehmen oder privaten Beauftragten betrieben. Die Anschlussgrade an die Systeme liegen in Deutschland bei annähernd 100 Prozent.

Aus heutiger Sicht ist es nur schwer vorstellbar, wie Unwissenheit und Irrglaube die Menschen vor dem bewahrten, was ihnen eigentlich helfen und sie schützen sollte: das Wasser.

Quellen/Weiterführendes

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