Bei Wasser muss „unser Handeln Enkel-tauglich sein“

Hoffentlich nicht vergeblich haben Umweltschützer, Wasserverbände und die Gewerkschaft ver.di den heutigen 31.1.2019 herbeigesehnt. Der Grund für diese Allianz der Hoffnungsfrohen: das Nitrat. Einem Urteil des EuGH aus dem vergangenen Jahr zufolge hätte Deutschland bis heute einen Maßnahmenkatalog zur Einhaltung der EU-Nitrat-Richtlinie vorlegen müssen. Wegen des Verstosses dagegen war Deutschland verklagt und vom EuGH zum „Nacharbeiten“ verurteilt worden.

Warum spielen die Ängste der Bürger in der Bundeslandwirtschaftspolitik keine bedeutendere Rolle?

Eigentlich erschreckend, dass die Ängste und Sorgen der Bürger (und Wähler) im Hinblick auf die Wasserqualität für die Landwirtschaftspolitik in Deutschland so wenig Bedeutung zu haben scheinen. Während die Öffentlichkeit – mit Ausnahme einiger Landwirte und ihrer Interessenvertreter – auf durchgreifende Maßnahmen zur Nitratreduzierung warten, bewegt sich das zuständige Ministerium mit kleinen Schritten. Die Chefin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, nutzt ansonsten jede Gelegenheit, bei den Bürgern um Vertrauen zu werben und sich für die Belange der VerbraucherInnen stark zu machen. Einzig wenn es darum geht, zwischen ihren beiden Ministerien die richtige Balance zu finden, kommt das Thema Ernährung dann zu kurz, wenn es um das Trinkwasser geht.

Immerhin sehen 72 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland die Landwirtschaft als Gefahrenquelle für die Wasserqualität. Das belegt eine vom BDEW beauftragte repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2018 zu Belastungsfaktoren für die Wasserqualität. Tatsächlich sind schon heute die Böden in vielen Regionen Deutschlands erheblich durch Überdüngung belastet. Zukünftig könnte es zudem auch noch teuer werden, wenn das Wasser geschützt werden soll. Denn statt den Landwirten Grenzen bei der Düngung zu setzen und damit die Vorsorge, ansonsten das Grundprinzip deutscher Politik, zu verfolgen, wurde bisher bei der Landwirtschaft auf das „Prinzip Hoffnung“ gesetzt: es wird schon nicht so schlimm.

Fast jede fünfte deutsche Messstelle verfehlt Grenzwerte

Die Trinkwasserverordnung schreibt für Nitrat einen Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter (mg/l) vor. Dieser wird laut Umweltbundesamt seit 2008 an rund 18 Prozent der Messstellen überschritten. An Messstellen, in deren Einzugsgebiet viele landwirtschaftliche Nutzungen vorkommen (Ackerflächen, Grünland und Sonderkulturen wie z.B. Gemüseanbau), überschreiten sogar rund 28 Prozent der Messstellen den Schwellenwert. Also muss das Trinkwasser in einigen Regionen besonders aufbereitet werden oder die Versorger müssen sogar ihre Brunnen still legen. Das Trinkwasser muss dann über weite Strecken heran transportiert werden. Da es Generationen dauert, bis die Nitrate in das Grundwasser gelangt sind, werden die heutigen Mengen erst unsere Enkelkinder zu bewältigen haben. da will man Frau Ministerin Klöckner an ihr politisches Statement zum Ökolandbau vom 29.1.2019 erinnern: „Unser Handeln muss enkeltauglich sein“, sagte sie da. Genau das ist es, worum es beim Trinkwasser geht.

“Allianz für den Gewässerschutz“ ruft zum Widerstand auf

Vor dem Hintergrund weiterhin hoher Grundwasserbelastungen durch Nitrat in Folge von Überdüngung in vielen Regionen Deutschlands haben daher Wasserverbände, Umweltorganisationen und die Gewerkschaft ver.di die Bundesregierung zum Handeln aufgerufen. „Die Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof wegen Nichtumsetzung der EU-Nitratrichtlinie sollte ein Weckruf sein. Die Bundesregierung muss endlich die Düngeverordnung entsprechend der EU-Vorgaben verschärfen,“ fordern die Verbände. So reichten zum Beispiel die bisher vorgesehenen Regelungen für die besonders gefährdeten Gebiete nicht aus. Das eigentliche Ziel der aktuellen Düngeverordnung, nämlich die Nitrateinträge wirksam zu reduzieren, würde durch die vielen Ausnahmeregelungen konterkariert. „Wenn die jetzige Düngeverordnung in einigen Fällen sogar mehr Nitrateinträge zulässt als vor der Gesetzesnovelle 2017, dann ist nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht mit einer Trendumkehr bei den Nitratbelastungen zu rechnen“, so das Bündnis.

Auf der gemeinsamen Internetplattform www.guelleverschmutzung.de informieren die Verbände sehr umfassend und vielschichtig über die Gülleverschmutzung und die damit verbundene Nitratproblematik.

Staatssekretär kündigt Maßnahmenkatalog an

Die Forderungen kommen offensichtlich zum rechten Zeitpunkt. Nach einem heute gesendeten Radio-Bericht des Deutschlandfunk zeige sich die EU-Kommission in Bezug auf den Nitratstreit mit Deutschland „extrem Wort karg“. Auf Anfrage des Senders wollte sie noch nicht einmal den heutigen Fristablauf bestätigen. Die Kommission teilte demnach lediglich mit, sie sei mit den deutschen Behörden im engen Kontakt, so der Deutschlandfunk. Bestätigt wird, dass sich Deutschland heute äußern muss, vom Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Hermann Onko Aeikens. Gegenüber dem Deutschlandfunk kündigte er auf Anfrage an, dass die Vorschläge des Landeswirtschaftsministeriums in Abstimmung mit dem Umweltministerium der Kommission unterbreitet werden. So nannte Aeikens unter anderem das Verbot der Herbstdüngung bei Wintergerste und Winterraps und eine eine Absenkung der Düngung auf 20 Prozent der geltenden Sollwerte. Zudem will die Bundesregierung den Bundesländern zukünftig mehr Spielraum lassen, damit diese mit besonderen Maßnahmen die Absenkung der Nitratwerte erreichen können.

Wir werden gespannt sein, was aus diesen Ankündigungen wird.

Weiterführendes / Quellen

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