BGH unterstützt höhere Wassergrundpreise

Um sich durch Anhebung der Grundpreisanteile gegen den Nachfragerückgang abzusichern, führen viele Wasserversorger ein neues Preissystem ein. Trotz zahlreicher erfolgreich durchgeführter Umstellungen hört man in Gesprächen Unsicherheit. Diese hat der BGH jetzt mit seinem zweiten Wasserpreisurteil in diesem Jahr womöglich endgültig ausgeräumt. Denn bei der Frage der Grundpreisbemessung und der unterschiedlichen Behandlung von Haushalts- und Gewerbe-Kunden hat er mit seinem jüngsten Urteil (VIII ZR 106/14 vom 8. Juli 2015) ein weiteres Stück Klarheit geschaffen. Damit bestätigt er zudem seine Grundsatzfeststellungen zu den verbrauchsunabhängigen Grundpreisen aus seinen Urteilen vom 20.05.2015.

Im Streitfall bei einem mittelgroßen Stadtwerk ging es um die Zulässigkeit und Billigkeit der Bemessung des Grundpreises nach Nutzergruppen, also der Unterscheidung zwischen Wohngebäuden und gewerblich genutzten Objekten. Diese Unterscheidung nimmt beispielsweise auch das vor fünf Jahren von RWW eingeführte Systempreismodell vor, das von den Stadtwerken Krefeld, Hochsauerlandwasser und den Stadtwerken Aschersleben übernommen worden war.

Hohe Grundpreise sind nicht nur zulässig, sondern betriebswirtschaftlich unverzichtbar

So weit unstrittig: Wasserversorger können bei der Tarifgestaltung neben verbrauchsabhängigen Entgelten auch verbrauchsunabhängige Entgelte erheben. Denn beim Bereitstellen und Vorhalten der Versorgungsleistung entstehen auch verbrauchsunabhängige Fixkosten (in Höhe von 70 bis 80 Prozent). Anders als das verbrauchsabhängige Entgelt (Mengen- oder Arbeitspreis), das sich an der abgenommenen Wassermenge orientiert, kann das verbrauchsunabhängige Entgelt nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab gemessen werden, der das Maß der Inanspruchnahme der Vorhalteleistung berücksichtigt. Dieser Maßstab orientiert sich dann an Art und Umfang der Lieferbereitschaft. Hierfür kann der Versorger einen Maßstab nach unternehmerischen Ermessen bestimmen.

Um bei Bedarf auch die Unterschiede in der Inanspruchnahme der Vorhalteleistung durch verschiedene Kundengruppen zu berücksichtigen, kann der Versorger den Grundpreis zudem nach Nutzergruppen differenzieren. Damit erhalten Haushalte, Gewerbebetriebe und Landwirtschaft unterschiedliche Grundpreise. Es könnte sogar noch weiter gehen: Zwar muss der Versorger keine weitere Differenzierung vornehmen, es ist aber nicht unbillig, bei Gewerbebedarf zusätzlich noch nach der Größe des Gewerbebetriebes zu differenzieren. Dabei kenne ich Unternehmen mit einem derartigen Gewerbetarif, die sich aber mit der Erhebung der Flächen schwer tun.

Zurück zum Urteil: Ein Ansatz unterschiedlicher Grundpreise für die Nutzergruppen ist aus Sicht des BGH nicht nur zulässig, sondern sogar erforderlich, wenn bei der gebotenen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung davon auszugehen sei, dass ein unterschiedlich hoher Wasserverbrauch vorliegt. Die Differenzierung zwischen Privathaushalten und Gewerbebetrieben ist zulässig, weil eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ein Gewerbebetrieb die Vorhalteleistungen durch einen höheren Verbrauch damit in größerem Maße als ein Privathaushalt nutzt. Ein für den Streitfall eingeholtes Sachverständigengutachten hatte nämlich ergeben, dass der Wasserverbrauch von Gewerbebetrieben ungefähr dreifach höher als der Wasserverbrauch von Privathaushalten liegt. Dies ist natürlich nicht permanent der Fall, denn beispielsweise findet an Wochenenden oder während der Urlaubszeit in vielen Gewerbebetrieben eine deutlich abweichende Wasserabnahme statt. Diesegewerbetypische „Volatilität“ der Abnahme bedeutet für den Wasserversorger eine anspruchsvollere Vorhalteleistung, als für Haushalte mit vergleichsweise gleichmäßiger Abnahmestruktur (insbes. in Mehrfamilienhäusern) der Fall ist. Daher ist der Grundpreis (oder Systempreis) geradezu prädestiniert, die Vorhaltekosten weiter zu berechnen.

BGH fordert zwar keine Kleingewerbe-Tarife, es gibt sie aber

Strittig war auch die Verpflichtung, einen gesonderten Kleingewerbetarif anzubieten. Der Kläger machte geltend, dass der im versorgten Gebäude ansässige Malerbetrieb allenfalls ein Kleingewerbe und daher in die Gruppe der Privathaushalte einzuordnen sei. Der BGH forderte dagegen vom Versorger nicht eine weitergehende Differenzierung nach der Größe der Betriebe, weil aus seiner Sicht leicht zu handhabende

Abgrenzungskriterien nicht vorlägen. Das stimmt zwar, soweit es die Tätigkeit, die Größe des Betriebes oder vorhandene betriebliche Einrichtungen betrifft, verwendet man dagegen einen Maßstab wie die Verbrauchsmenge, dann kann man Gruppen bilden, die auch Kleingewerbe berücksichtigen. In dem man für dem Kleingewerbe zuzuordnende Nutzergruppen einen den Privatkunden vergleichbaren Tarif entwickelt, hebt man die Unterschiede in der Bemessung des Grundpreises auf. So hat RWW das Systempreismodell so ausgestaltet, dass der Systempreis für ein Einfamilienhaus und der Systempreis für Kleingewerbe mit einer  Jahresabnahme bis 99 Kubikmeter (Verbrauchsklasse 1) gleich hoch sind. Auch wenn der BGH den Verzicht auf diese Unterscheidung für rechtens erklärt hat, kann man etwaigen Streitfällen mit einer Gleichbehandlung von Kleingewerbe und Einfamilienhäusern wegen der weitgehenden Gleichartigkeit der Inanspruchnahme der Vorhalteleistung vorbeugen.

Systempreise für Wohnen und Gewerbe der RWW (Auszug)
Systempreise für Wohnen und Gewerbe der RWW (Auszug)

Ein großer Schritt in Richtung Fixkostendeckung

Zudem hat sich der BGH noch zur Angemessenheit der Höhe der festgesetzten Grundpreise geäußert und damit die Versorger bei der Fixkostendeckung Unterstützung angeboten. Diese und ihre politischen Gremien müssen diese Vorleistung des obersten Gerichts jetzt nur noch annehmen und ihre Grundpreise anpassen. Die geringen Grundpreisanteile, die aus Angst vor Rechtsstreitigkeiten vielerorten nicht erhöht werden, dürften damit der Vergangenheit angehören.

Weitere Informationen zu dem Urteil auf der Seite des VKU
Hier geht es zum aktuellen Urteil des BGH klick hier!

Hier die Urteile der Vorinstanzen
AG Wermelskirchen, Entscheidung vom 14.06.2013 – 2 C 55/03 –
LG Köln, Entscheidung vom 05.03.2014 – 9 S 169/13 –

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