Wird die gewässergefährdende „Ewigkeitschemikalie“ PFAS europaweit verboten?

Ein Durchbruch beim Schutz der Gewässer gegen die „Ewigkeitschemikalie“ PFAS ist in greifbarer Nähe. Europäische Behörden haben gemeinsam mit dem Umweltbundesamt einen Vorschlag zur Beschränkung von PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) bei der Europäischen Chemikalienagentur eingereicht, um die Chemikalie zu verbieten. Druck kommt auch von Finanzinvestoren, die als Stakeholder mit Blick auf Nachhaltigkeit die Chemieindustrie auffordern, PFAS einzustellen und die Transparenz zu erhöhen. Erste Unternehmen reagieren und kündigen den Ausstieg an.

Wasserabweisend – was Verbrauchern nutzt, schadet der Umwelt

PFAS⁠ (oder auch PFC) steht für Gruppe von mehreren tausend einzelnen Chemikalien. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr stabil, sowie Wasser-, Schmutz-, und Fettabweisend sind. PFAS werden wegen ihrer einzigartigen Eigenschaften in verschiedensten Produkten wie Outdoor-Kleidung, Kochgeschirr, schmutzabweisenden Teppichen oder Nahrungsmittelverpackungen eingesetzt. Zudem kommen sie in einer Vielzahl von industriellen Prozessen zum Einsatz. Die Kehrseite des massiven Gebrauchs von PFAS: Diese Chemikalien sind so stabil, dass sie lange in der Umwelt verbleiben und sich in Nahrungsketten anreichern können. PFAS werden weltweit in Gewässern, Luft und Böden nachgewiesen. Auch im Blutserum von Menschen können sie vorkommen und gesundheitliche Folgen haben.

In den vergangenen drei Jahren haben die Behörden der fünf Länder die PFASs, deren Verwendungen und die Risiken, die diese für Mensch und Umwelt darstellen, eingehend untersucht. Im Rahmen dessen wurden zwei öffentliche Konsultationen abgehalten, um von der Industrie Informationen zur Verwendung der Stoffe zu erhalten.

Der Beschränkungsvorschlag der europäischen Behörden wurde unter ⁠REACH⁠, der EU-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien, ausgearbeitet. Aufgrund von bislang nicht kontrollierten Risiken im Zusammenhang mit der Herstellung, dem Inverkehrbringen und der Verwendung von PFASs ist eine Maßnahme in der gesamten EU und dem europäischen Wirtschaftsraum erforderlich. Für Deutschland haben neben dem Umweltbundesamt (UBA), die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Kooperation mit niederländischen, dänischen, norwegischen und schwedischen Behörden den Vorschlag erarbeitet. 

Geht es nach dem Willen der Antragssteller, soll es ein gestaffeltes Verbot geben. Zunächst sollen PFAS sofort verboten werden, für die schon heute Alternativen existieren. Die Hersteller sollen 18 Monate Zeit für die Umstellung erhalten. Falls es noch keine Ersatzstoffe gibt, sollen der Industrie fünf Jahre Zeit für die Umstellungen gegeben werden. Und sogar zwölf Jahre bei Fällen, in denen langwierige Genehmigungs- und Zertifizierungsprozesse üblich sind.

Voraussichtlich am 22. März 2023 wird eine sechsmonatige öffentliche Konsultation starten. Geführt wird das Verfahren von der europäischen Chemieagentur ECHA. Letztendlich entscheidet die Europäische Kommission zusammen mit den EU-Mitgliedsstaaten über eine potentielle Beschränkung.

Der Zeitplan der ECHA

Der Druck der Investoren wird den PFAS-Ausstieg beschleunigen.

Die Vorschriften werden nicht nur strenger, Milliarden-Dollar-Klagen häufen sich gegen die Produzenten. Und als Sahnehäubchen drängen Investoren einige der größten Chemie-Unternehmen der Welt, ihre Produktion von „Ewigkeitschemikalien“ einzustellen., wie u.a. der britische THE GUARDIAN berichtet.

Mit verwalteten und beratenen 8 Billionen US-Dollar fordern Investorengruppen die größten Chemieproduzenten der Welt auf, persistente Chemikalien auslaufen zu lassen, berichtet ChemSec, eine schwedische Organisation, die sich für die Substitution toxischer Chemikalien durch sicherere Alternativen einsetzt und u.a. vom Staat unterstützt wird. Die Initiative wurde von den Finanzunternehmen Aviva Investors und Storebrand Asset Management koordiniert.

Ein schlechter Umgang mit schädlichen Chemikalien kann sich direkt auf die Rentabilität der Unternehmen auswirken. Nach einer Reihe von Verschärfungen der Vorschriften für die Verwendung von Chemikalien steigt das Risiko kostspieliger Geldstrafen, Produktrückrufe und Sanierungskosten. Storebrand und Aviva haben Vermögensverwalter aus der ganzen Welt zusammengebracht, um Druck auf Chemieunternehmen auszuüben.

Storebrand

Die 47 Vermögensverwalter warnen davor, dass das wachsende Bewusstsein für die Gefahren, die von PFAS ausgehen, eine zunehmende Anzahl von Klagen gegen Unternehmen ausgelöst und Maßnahmen zur Verschärfung der Gesetzgebung auf der ganzen Welt ausgelöst hat. In einem Brief an CEOs der größten Chemieunternehmen schrieben sie:

„Wir ermutigen Sie, zu führen, nicht geführt zu werden, indem Sie diese Chemikalien auslaufen und ersetzen. Zusätzlich zu den finanziellen Risiken, die mit Rechtsstreitigkeiten verbunden sind, sind Hersteller persistenter Chemikalien dem Risiko erhöhter Kosten im Zusammenhang mit der Neuformulierung von Produkten und der Änderung von Prozessen ausgesetzt, was erhebliche Auswirkungen auf die Leistung des Unternehmens haben kann.“

Storebrand und Mitunterzeichner

Die Investoren, zu denen laut ChemSec die AXA IM, Credit Suisse Asset Management (Schweiz) AG, Resona Asset Management und Robeco gehören, forderten die Unternehmen auf, das Volumen aller von ihnen produzierten gefährlichen Chemikalien offenzulegen und Maßnahmen zur Verbesserung ihres Chemikalienmanagements durch die Anhebung ihres ChemScore-Rankings zu demonstrieren.

Die auf Nachhaltigkeit ausgerichteten strategischen Finanzinvestoren und Fondsgesellschaften selektieren ihre Investments auf öffentlichem Druck immer stärker nach Umweltrisiken und Risiken für das Geschäftsmodell. Produktpaletten, die diese ESG-Analysen nicht bestehen müssen von den Unternehmen, an denen die Investoren beteiligt sind zurückgebaut werden. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung der EU (Corporate Sustainablity Reporting Directive) wird die Transparenz massiv erhöht und soll das Greenwashing verhindert werden. Damit erhalten auch private Anleger einen Blick auf die Risiken der Unternehmen.

Kurz vor Weihnachten gab der Chemieriese 3M bekannt, dass das Unternehmen beschlossen hat, die Produktion von PFAS einzustellen. Die Frist ist für Ende 2025 festgelegt.

Website 3M (Abruf 19.1.2023)

Das Unternehmen sagte, dass die Entscheidung auf mehreren Faktoren basiert, wie z.B. „Beschleunigung regulatorischer Trends, die sich auf die Reduzierung oder Beseitigung des Vorhandenseins von PFAS in der Umwelt und die Änderung der Erwartungen der Stakeholder konzentrieren“.

Konsumenten können Einfluss nehmen

Es besteht also eine berechtigte Hoffnung, dass sich bei den PFAS-Chemikalien einiges ändern wird. Aber auch die Konsumenten haben es in der Hand. Der Toxikologe und Pharmakologe Martin Göttlicher vom Helmholtz Zentrum München empfiehlt in einem Interview mit der FAZ: „Mit der grundsätzlichen Vermeidung von beschichteten Einmalbehältern aus Karton für Lebensmittel – Becher, Pizzakartons und so weiter – kann auch das Individuum etwas tun, um Risiken der Exposition gegenüber PFAS zu reduzieren, wenn auch vermutlich nicht jede Verpackung mit PFAS hergestellt ist. So kann der Einzelne grundsätzlich einen Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Belastungen der Umwelt leisten“. Bevor wird die Hoffnung aufgeben, dass sich etwas ändert, lohnt der Blick auf die FCKW. Daran zeigt sich, dass Verbote wirken. Nach 35-jährigem Verbot, so der BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, schließt sich das Ozonloch langsam wieder. Mit etwas Glück braucht es aber nochmal 20 Jahre, bis das Ozonloch wieder den Normalzustand erreicht. Beim Verbot von PFAS dürfen wir also keine Zeit verlieren.

Quellen / Weiterführendes

Beitragsfoto: Canstockphoto von JanPietruszka

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Was meinen Sie dazu?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.