Weshalb „gesundes“ Leitungswasser zum Streitfall werden kann

Wasserversorger müssen über Wasserqualität informieren. Beim Begriff „gesund“, droht eine Abmahnung. Das Online-Seminar a tip:tap informierte, wie man das vermeidet.

Auch wenn unser Leitungswasser „gesund“ ist, so bezeichnet werden soll es nicht. Verhindern wollte das der Verband der Mineralwasserbetriebe (VDM) mit Hilfe von Abmahnungen gegen entsprechend kommunizierende Wasserversorger. Weshalb er bei einem bayerischen Wasserverband zunächst gescheitert ist und worauf Versorger achten müssen, wenn sie Abmahnungen vermeiden wollen, erfuhren die TeilnehmerInnen beim Online-Seminar des Vereins a tip:tap unter dem Titel „Rechtliche Einschätzung zur Kommunikation über unser Trinkwasser“ am 25.8.2020 im Rahmen des Projekts „Wasserwende – Trinkwasser ist Klimaschutz“.

David gegen Goliath – nicht immer gewinnt der Größere

Den Auftakt des einstündigen Webinars machte Sven Bittenbinder, Leiter Recht der Rottenburger Gruppe. Der öffentlich rechtlich organisierte Wasserzeckverband aus der Region Landshut hatte sich vor dem Oberlandesgericht München erfolgreich gegen dem VDM gewehrt. „Wir wollten nicht klein beigeben“, erklärte er den Widerstand gegen die Abmahnung. Um die Teilnehmer des Webinars an den Erfahrungen teilhaben zu lassen, erläuterte er den Ablauf des Verfahrens. Dieses begann mit einer Abmahnung und einer Unterlassungserklärung. Hierfür sollte der Wasserversorger 1.800 Euro bezahlen. Am Ende hätten diese Kosten auch die 38.000 angeschlossenen Wasserkunden bezahlen müssen. „Nein, wir wollten uns das nicht gefallen lassen“, erklärte Bittenbinder engagiert. Und damit war er – unterstützt von der Kanzlei BBH aus Berlin – erfolgreich, wie das Urteil des Oberlandesgerichts München im Eilverfahren nachfolgend bestätigte. Der Hinweis, dass das Leitungswasser gesund sei, sei weder ein Verstoß gegen die europäische Health Claims Verordnung, noch sei sie wettbewerbswidrig, urteilten die Münchener Richter. Aber, so Bittenbinder, jedes Verfahren könne anders entschieden werden – und davon könnte es demnächst viele geben. Denn aus der Branche hört man, dass zahlreiche kleine und große Wasserversorger bereits Abmahnungen vorliegen hätten.

Auch die Rottenburger Gruppe wird wohl bald wieder vor Gericht stehen. Jetzt stünde am 11.11.2020 das Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Landshut an. Danach wird es wohl vor das OLG gehen. Übereinstimmend erklärten Insider, dass vom VDM zu hören sei, dass dieser diesmal bis vor den Europäischen Gerichtshof gehen wolle. Es kann also noch unruhig werden, in den nächsten Monaten und Jahren. Denn solange wird das gesamte Verfahren zweifellos dauern. Es sei denn, es kehrt Vernunft ein.

Verbraucherzentrale zeigt die Fallstricke

Die Wasserversorger, so erklärte es anschließend Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW in ihrem Vortrag, seien gesetzlich sogar verpflichtet, detaillierte Angaben über die Trinkwasserqualität zu machen. Diese Verpflichtung werde durch die zukünftige EU-Trinkwasserrichtlinie noch verstärkt. Diese verpflichtet die Wasserversorger in Europa zu weitreichenden Informationen über das Leitungswasser. Zudem seien es ja auch die Politiker in Berlin und Brüssel, die dem Leitungswasser aus ökologischen Gründen den Vorzug einräumen wollen. So solle dies öffentlich zugänglich und in Gaststätten angeboten werden. Weil es sich daher um ein mittlerweile europäisches Thema handele, erwarte sie, dass der BHG das Verfahren an den EuGH weiterreichen werde. Die Expertin der Verbraucherzentrale zeigte sich in ihrem Vortrag bestens informiert über das Thema und dürfte für viele Wasserversorger auch eine gute Adresse dafür sein, was zulässig sei und was man besser lassen sollte.

Auch der BDEW will Hilfestellung geben

Dr. Stefan Koch vom BDEW gab abschließend wertvolle Einblicke in das Verhältnis zwischen der Mineralwasserbranche und den Wasserversorgern. Dabei bedauerte er, dass sich das Verhältnis zwischen den Wasserversorgern und Mineralwasser-Anbietern verschlechtere. Auch Koch liess durchblicken, dass es weitere Verfahren geben werde. Um vor dem Hintergrund der zukünftigen gesetzlichen Anforderungen, die sich in Folge der Änderung der EU-Trinkwasser-Richtlinie ergeben werden, den Wasserversorgern mehr Sicherheit zu bieten, arbeite der BDEW an entsprechenden Hilfestellungen für seine Mitglieder.

Die Wasserwende wird weitergehen

Samuel Höller, Vorstand des gemeinnützigen Vereins a tip:tap und Projektleiter der Wasserwende, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Webinar. Die 55 Teilnehmer waren der Beweis dafür, dass vielen das Thema unter den Nägeln brennt. Der Verein wird im Rahmen seiner Projektarbeit die Aufklärungsarbeit rund um das Leitungswasser fortsetzen, denn diese Welle, so Höller, lasse sich nicht mehr aufhalten. Die Menschen nehmen in den zahlreichen Wasserwende-Projekten u.a. in Berlin, Mülheim/Ruhr, Marburg die darin angebotenen Informationen über das Wasser aus der Leitung dankbar auf.

Quellen/Weiterführendes

1 Kommentar

  1. Da Mineralwasser aufgrund des Mülls und der langen Wege umweltproblematisch ist, kaufe ich für mich nie ein Mineralwasser. Wenn ich Wasser trinken möchte, trinke ich nur gesundes Leitungswasser. Ich kaufe Mineralwasser nur für Gäste, die absolut kein gesundes Leitungswasser haben wollen, dann aber nur regionales Mineralwasser, das in Glasflaschen angeboten wird.

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