Wasser & Kultur: Vom Neujahrsritual zur Wasserschlacht

Die Wahrnehmung von Wasser hat sich gewandelt. Das Trockenfallen von Gewässern hat uns den Stellenwert der Ressource bewußt gemacht. Wasser ist aber mehr. Es ist nicht nur ein Lebensmittel, es ist auch wichtiger Teil der Kultur. Mit dem Kapitel Wasser & Kultur möchte ich derartige Geschichten und Hintergründe aufgreifen und sichtbar machen. Beginnen möchte ich diese „Reise in die Wasserkultur“ mit dem Wandel eines Wasser-Rituals in Thailand, dem Songkran, das wie jedes Jahr Mitte April auch in diesen Tagen stattfindet.

Die Symbolik des Wassers an Songkran

Wer auf seiner Reise ans Wasser will, muss sich für gewöhnlich zu einem Strand oder an ein Ufer begeben. Beim Songkran, dem traditionellen Neujahrsfest in Thailand, kommt das Wasser aus Eimern oder Wasserpistolen. Mitte April werden überall im Land feuchtfröhliche Wasserschlachten geschlagen. Songkran wird gemeinhin als grösste Wasserschlacht der Welt bezeichnet, aber die Thailänder bespritzen einander nicht ohne Grund mit Wasser. Der wahre Grund des Songkran (thailändisch สงกรานต์, [sǒŋkraːn]) liegt darin, dass das Wasser symbolisch das Unglück der letzten Jahre abwaschen und das neue Jahr frisch willkommen geheissen werden soll. Traditionell giessen die Thailänder ganz höflich eine Schale Wasser über die Hände ihrer Familienmitglieder, engen Freunde und Nachbarn. Das dreitägige Fest findet jedes Jahr vom 13. bis 15. April statt. Manche Orte und Regionen haben die Feierlichkeiten mit Festivalcharakter deutlich ausgedehnt.

Rod Nam Dum Hua – Traditionelles Wasserspritzer-Ritual (Foto: Baan Unrak)

Weil es selbst für thailändische Verhältnisse im April sehr heiß ist, wird auch den Passanten in der ruhigen Variante als Zeichen der Wertschätzung und des Respekts ein wenig Wasser über die Hände gegossen, um ihnen dadurch etwas Kühlung zu verschaffen.

Kommerzialisierung des Rituals der Waschung als Tourismus-Event

In den letzten Jahren hat sich Songkran neben diesen traditionellen Ritualen aber auch zu einer Wasserschlacht entwickelt. Die Thais stehen dann mit Gartenschläuchen, Eimern und riesigen Wasserpistolen bewaffnet an der Straße auf der Suche nach trockenen Opfern. Da kann es auch schon mal passieren, dass man von einer Wasserfontaine getroffen wird, die mit Eisstücken gefüllt ist. Wasserdichte Plastikhüllen für Handys und Geldbörsen finden reißenden Absatz.

(Foto: JJ Harrison (https://www.jjharrison.com.au/ CC BY-SA 3.0)

Obwohl diese ausschweifenden Wasserschlachten für Touristen einen starken Anziehungspunkt darstellen, mehren sich kritische Stimmen, die die Kommerzialisierung der religiösen Rituale in Frage stellen. Das Songkran Festival in Thailand repräsentiert traditionell ein kulturelles Ereignis, mit dem das neue Jahr von den Thailändern begrüßt wird. Es ist auch eine Zeit, sich von aller Sünde und Pech aus dem Vorjahr zu befreien und ein neues Jahr mit Glück zu beginnen. Diese Grundwerte werden durch drei kulturelle Säulen, Wasserspritzer, die Zeremonie des Rod Nam Dam Hua (rituelles Wassergießen) und das Sandpagodengebäude verkörpert. Für die größtenteils buddhistische Bevölkerung Thailands ist Songkran auch eine Zeit für Tempelbesuche und religiöse Rituale. Das Baden des Buddha, der „สรงน้ลาสริ Song Nam Phra“ genannt wird, ist eine bedeutende Zeremonie, bei der fromme Buddhisten zu Hause oder im Tempel sanft duftendes Wasser über die Buddha-Bilder gießen. Es wird angenommen, dass dies Glück und Wohlstand für das neue Jahr bringen wird. Songkran wird auch als ein Tag für den Frühjahrsputz angesehen und viele Thailänder nutzen die Gelegenheit, ihre Häuser für das neue Jahr zu putzen und herzurichten.

Auch Elefanten werden an dem Spektakel beteiligt (Foto: JJ Harrison (https://www.jjharrison.com.au/ CC BY-SA 3.0)

Im Laufe der Zeit hat sich die thailändische Gesellschaft und ihr Umgang mit dem kulturellen Erbe verändert. So wurde früher das Wasser sanft mit Ehrfurcht und Respekt auf die Schulter gespritzt. In den letzten Jahren hat sich dieses Ritual jedoch gewandelt und so wurden von jungen Thais mit Hochdruckwasserpistolen und Eimer, die mit Eiswasser gefüllt sind, für das „Wasserspitzen“verwendet. Dadurch wandelte sich das traditionelle religiöse Ritual zu einem Event, das für den Tourismus eine zunehmende Anziehungskraft gewann. Infolgedessen wurde von den ausländischen Touristen und vielen überwiegend jungen Thais das Songkran-Festival als „Water Fight Festival“ wahrgenommen. Im Zuge dessen wurde auch die Dauer des Rituals um mehrere Tage verlängert. Vielerorts wird es mit Livemusic-Festivals kombiniert. Dessen ungeachtet bleibt der rituelle Charakter auf dem Lande und insbesondere bei älteren Thais erhalten und damit auch die eigentlich kulturelle Bedeutung des Wasser beim Songkran, das Unglück wegzuwaschen. Übrigens ist die thailändische Zeitrechnung unserem gregorianische Kalender 543 Jahre voraus, dort ist jetzt das Jahr 2566.

Quellen (Text / Fotos)

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