NRW-Landeswasserstrategie entsteht hinter verschlossenen Türen

Wasser – ein existenzielles Thema für die gesamte Gesellschaft. Da solle man meinen, dass ein breites Spektrum zivilgesellschaftlicher Gruppen eingebunden wird, wenn ein Umweltminister eine Landeswasserstrategie entwickeln lässt. Zumindest in NRW ist das nicht der Fall. Statt offener Mitwirkung setzen Minister Krischer und sein Haus offenbar auf selektive Informationsweitergabe, knappe Rückmeldefristen und Schweigen gegenüber unliebsamen Nachfragen. Harsche Kritik kommt auch aus dem Landtag. SPD und FDP kritisieren den grünen Minister aussergewöhnlich scharf.

Nicht unbedingt der Auftakt nach Maß

Die NRW-Landesregierung arbeitet seit Dezember 2023 an einer Landeswasserstrategie (siehe „NRW gibt Startschuss für Landeswasserstrategie“, LebensraumWasser, 3.12.2023). Damit sollen die zukünftigen Herausforderungen bei diesem existenziellem Thema im größten Bundesland bewältigt werden. In einer NRW-Landtagsdebatte am 13.2.2020 forderte der umweltpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis90/Grüne, Norwich Rüsse, eine Zukunftsstrategie Wasser (siehe „Braucht NRW eine Strategie für die Zukunft des Wassers?“, LebensraumWasser, 4.3.2020). Annähernd vier Jahre dauerte es, bis endlich Umweltminister Oliver Krischer – auch Bündnis90/Grüne – den ersten Aufschlag machte. Man war geneigt Großes erwarten! – Groß geworden ist bisher lediglich die Enttäuschung.  

Als hätte ich es geahnt: Blogbeitrag „NRW gibt Startschuss für Landeswasserstrategie“, LebensraumWasser.com vom 04.12.2023

Denn schon die Auftaktveranstaltung am 3. Juni 2024 hinterließ viele Fragezeichen. 160 Teilnehmer folgten der Einladung des Ministeriums (siehe „Wasser-Monat Juni – NRW-Enquetekommission Wasser und Landeswasserstrategie starten„, LebensraumWasser, 18.6.2024). Mit dabei waren einige wenige Vertreter aus dem Umwelt- und Naturschutzbereich. Diese hatten sich im Vorfeld aktiv um eine Einladung bemüht. Ich schätzte mich zunächst glücklich, dabei gewesen zu sein. Blicke aber jetzt – wie einige andere – enttäuscht auf die spätere Einbindung zurück. Die Nationale Wasserstrategie sollte als thematischer Anker dienen, leider war sie es nicht in organisatorischer Hinsicht. Der Ausgangspunkt war ein „Wasser-Eckpunktepapier“ des Ministeriums, das vorab veröffentlicht worden war. In mehreren Workshop-Gruppen wurden die darin enthaltenen Vorschläge diskutiert und entsprechende Alternativen erörtert.

Minister Oliver Krischer beschreibt mit körperlichem Einsatz die Ziele der Landeswasserstrategie auf der Auftaktveranstaltung am 3.6.2024
(Foto: Gendries)

Es herrscht anhaltende Funkstille

Nach der Auftaktveranstaltung ließ sich das Ministerium dann ganze neun Monate Zeit, bevor der nächste – offizielle – Dialog mit allen Akteuren aus der Auftaktveranstaltung stattfand. Am 3. Februar 2025 erhielten die Teilnehmenden eine Einladung zu Feedbackrunden für Mitte März.

Ein neuer Erwartungsschub. Das war dann allerdings ein Schnelldurchlauf. Denn in gerade einmal zwei Stunden wurden Ziele und Maßnahmen auf über 30 Seiten präsentiert. Selbst Vortragsprofis bekämen bei einer derartigen Taktung Schnappatmung. Breite Diskussion und Raum für Nachfragen – keine Zeit. Nachliefern von Anmerkungen und Kommentare? Ja, aber innerhalb weniger Tage – der Minister wollte die Ergebnisse zeitnah haben. In der Gruppe, der ich angehörte, waren es vier Tage. Aber auch mit der Gleichbehandlung war das so eine Sache. Es gab Gruppen, denen offenbar großzügigere Fristen eingeräumt wurden. Transparenz? – Fehlanzeige. Beteiligung? – Nur auf dem Papier.

Seit besagtem März 2025 herrscht nun Funkstille im Düsseldorfer Ministerium. Eine Abschlussveranstaltung zur Vorstellung der Strategie war zwar für das 4. Quartal 2025 in Aussicht gestellt worden, aber auf eine Vorankündigung warten wir vergeblich. Von einer vorausgehenden Gelegenheit zur Befassung einmal gänzlich abgesehen. Auch zum Bearbeitungsstand selbst fehlt jede aktive Rückmeldung.

Da war ich wohl zu optimistisch Blogbeitrag „NRW-Wasserstrategie soll Ende 2024 vorliegen“, LebensraumWasser, 26.4.2024

Das Schweigen des Ministers wiegt umso schwerer, als dass die Nationale Wasserstrategie wesentlich transparenter gestaltet wurde. Dort wurden selbst in der Corona-Pandemie Beteiligungskreise über das ursprüngliche Nationale Wasserforum hinaus verbreitert: Einzelpersonen aus der Bürgerschaft, Jugendliche, Umweltverbände und Fachleute. Die Diskussionen, Feedbackrunden und Entscheidungsprozesse fanden offen, nachvollziehbar und kontinuierlich statt. Die NRW-Landesregierung bleibt von einer derartigen Transparenz und Mitgestaltung weit entfernt. Als Mitwirkender bei der Nationalen Wasserstrategie meine ich die Unterschiede zum Vorgehen in NRW sehr gut beurteilen zu können.

Massive Kritik der Landtagsopposition am Vorgehen des Ministeriums

Heftige Kritik äußern auch die Oppositionsfraktionen im NRW-Landtag. Dietmar Brockes, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW und Sprecher in der Enquetekommission „Wasser in Zeiten der Klimakrise“, um seine Einschätzung aus dem Blickwinkel des Landtages gebeten. Brockes lässt seiner Verärgerung freien Lauf: „Die bisherige Arbeit des Umweltministeriums zur Entwicklung einer Landeswasserstrategie für Nordrhein-Westfalen ist unzureichend und intransparent. Trotz der gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Relevanz des Themas fehlt ein klarer Fahrplan genauso wie eine offene Kommunikation und eine wirksame und sinnvolle Beteiligung der relevanten Akteure. Seit Anfang des Jahres versuchen wir als FDP-Landtagsfraktion, mit Kleinen Anfragen Licht ins Dunkel zu bringen – doch die Antworten des Ministeriums bleiben vage, unvollständig und unbefriedigend. Statt konkreter Pläne wird immer wieder auf das Jahresende 2025 verwiesen. Das ist zu wenig.“

Brockes schlägt auch die Brücke zur Enquetekommission, die von Umweltminister Krischers grünen Partei-Kollegin Astrid Vogelheim geleitet wird. „Auch die Verzahnung mit der Enquetekommission ‚Wasser in Zeiten der Klimakrise‘ im Landtag bleibt unklar. Es fehlen Austausch, Synergien und ein gemeinsames Verständnis zwischen Ministerium und Kommission.“ Brockes fordert daher: „Umweltminister Krischer muss aufhören zu mauern und endlich offen kommunizieren, wie die schwarz-grünen Pläne zur Landeswasserstrategie aussehen. Wasser ist ein zentrales Zukunftsthema. Dabei gelingt eine erfolgreiche Strategie nicht durch einen Rückzug ins Ministerium, sondern in einem breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens.“

Auch von der SPD-Fraktion im NRW-Landtag kann der Minister nicht mit Nachsicht rechnen. Deren umweltpolitischer Sprecher, der Abgeordnete René Schneider antwortet mir auf meine Frage nach seiner Bewertung der bisherigen Kommunikationsarbeit und Einbindung gesellschaftlicher Gruppen durch den Minister Krischer: „NRW-Minister Krischer ist der Aufgabe, eine Landeswasserstrategie fundiert zu entwickeln, offenbar nicht gewachsen. Mit viel Pomp hat er die Fachwelt zum Startschuss 2024 in sein Ministerium eingeladen. Seitdem ist Minister Krischer mit seiner Wasserstrategie auf Tauchstation. Echte Dialoge mit Fachleuten gab es nicht. Stattdessen bastelt das Ministerium inzwischen auf eigene Faust eine Strategie zusammen. Alle, die schon einmal einen Blick reinwerfen dürften, sind tiefenttäuscht. So entsteht ein fataler Eindruck: Fachleute aus Wasserwirtschaft, Naturschutz und Wissenschaft waren gern gesehene Statisten für schöne Auftaktbilder rund um den Minister, echte Beratung wollte er bei seiner Strategie nie. Das ist unanständig und unangemessen bei einem solch wichtigen Thema.“

Ob noch rechtzeitig Licht in das Dunkel kommt?

Die Tage werden kürzer und die abendliche Dunkelheit kommt früher. Der für vor oder kurz nach den Sommerferien angekündigte Termin zur Fertigstellung wurde schon gerissen, wenn 2025 gemeint war. Das kann schon mal passieren. Aber wenn es um die Transparenz und Beteiligung aller interessierter gesellschaftlicher Gruppen geht, dann gibt es kein Pardon. Wenn Umweltminister Krischer möchte, dass „seine“ Landeswasserstrategie später gesellschaftliche Akzeptanz findet, schafft er mit diesem Verfahren die denkbar schlechteste Grundlage. Eine Strategie, die hinter verschlossenen Türen entwickelt wurde, kann kaum erfolgreich umgesetzt werden.

Es ist bemerkenswert – und bedauerlich –, dass dieses intransparente Verhalten ausgerechnet einem Minister der Grünen Partei anzulasten ist, die sich sonst gerne als Sprachrohr für mehr Bürgerbeteiligung versteht. Viel Zeit bleibt nicht mehr, um verloren gegangenes Vertrauen zu retten: Das vierte Quartal hat bereits begonnen.

Zum Ende der Woche erwarte ich eine Stellungnahme aus dem Umweltministerium zu neun Fragen die mehr Licht in das Dunkel bei der Entwicklung der Landeswasserstrategie bringen sollen. Ich hoffe, dass ich neben meinen Fragen auch Antworten bekommen werde, die ich dann veröffentlichen kann.

Quellen / Weiterführendes

Beitragsfoto: Siegfried Gendries (Fotomontage)

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