Mensch oder Natur? Weshalb die Wasserstände in Flüssen und Seen schwanken

Ein Fluss fließt unentwegt und ein See hat fast immer den gleichen Pegel, oder? Viele unserer Flüsse sind kanalisiert, begradigt und für die Schifffahrt reguliert. Kein Wunder also, dass wir einen stabilen Wasserstand für selbstverständlich halten – auch bei Seen. Tatsächlich gehören schwankende Wasserstände aber zur Natur: Bäche oder Flüsse fallen zeitweise trocken oder überschwemmen das umgebende Land. So entstehen entlang ihrer Ufer die Flussauen – wertvolle Lebensräume im ständigen Wandel. Doch was ist noch eine natürliche Schwankung und was (schon?) Folge des Klimawandels oder anderer menschlicher Einflüsse? Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beschreibt in einem Beitrag, den ich gerne übernehme, welche Entwicklungen bedenklich sind und wie naturbasierte Lösungen helfen können, mit diesen Herausforderungen umzugehen. (Lesezeit ca. 5 Minuten / Beitrag # 919)

Regulierte Gewässer: Knappheit droht mit sinkendem Wasserstand

Dass Flüsse hierzulande immer weniger Wasser führen, ist oft gar nicht deutlich sichtbar. Denn viele Flüsse sind strömungsreguliert. Das bedeutet, dass die Ufer befestigt sind, das Flussbett als Fahrrinne ausgebaggert wurde und Schleusen und Wehre den Zu- und Abfluss und somit den Wasserstand regulieren. „So wird ein immer gleichbleibender Wasserstand als Normalzustand wahrgenommen“, sagt der Geoökologe Dr. Tobias Goldhammer. Ein Beispiel dafür ist der Berliner Teil der Spree. Ihr Wasserstand ist durch Schleusen stark reguliert. „Ohne diese Anpassung würde die Spree im Sommer örtlich weniger als halb so viel Wasser führen“, sagt der Forscher.

Der ohnehin niedrige Wasserstand der Spree wird durch das Ende des Tagebaus in der Lausitz in Zukunft weiter sinken. Über mehr als ein Jahrhundert wurde der Abfluss durch den Bergbau künstlich erhöht, in dem abgepumptes Grundwasser in die Spree geleitet wurde. Mit dem Ende dieser Einleitungen droht eine zunehmende Wasserknappheit, die durch den Klimawandel zusätzlich verschärft wird – ein Problem, das auch andere Fließgewässer betrifft.

Trockene Flüsse: Und dann auch noch Dämme

Denn tatsächlich fallen viele Fließgewässer zeitweise trocken, weltweit sind es mehr als die Hälfte aller Flüsse. Die Lebewesen in diesen Flüssen sind an natürliche Schwankungen und jahreszeitliche Rhythmen angepasst.

Häufigkeit, Dauer und Ausmaß des Trockenfallens haben als Folge des Klimawandels, der starken Flussbegradigungen, des Verlusts von Rückhalteräumen wie Auen und des steigenden menschlichen Wasserbedarfs bereits drastisch zugenommen.

Wenn Flüsse zunehmend trockenfallen, sollten Wehre und Dämme sie nicht noch behindern

Wenn größere Fließgewässer weniger Wasser führen oder einzelne Abschnitte austrocknen, steht aquatischen und semi-aquatischen Tieren weniger Lebensraum zur Verfügung. „Austrocknende Flussabschnitte können auch zu ökologischen Fallen werden. Umso wichtiger ist dann die physische Längsdurchgängigkeit, also dass der Fluss nicht durch menschliche Querbauwerke wie Wehre und Dämme dauerhaft unterbrochen wird“, sagt Dr. Franz Hölker, Ökologe am IGB.

Lippe-Wehr in Werne-Stockum (Foto: Siegfried Gendries)

Neue Situation: Auch Tieflandbäche in den gemäßigten Breiten zunehmend betroffen

Inzwischen sind zunehmend auch Tieflandfließgewässer in den gemäßigten Breiten von Trockenheit betroffen. In großen, mehrjährigen Freilandversuchen untersucht die Professorin Dörthe Tetzlaff an einem solchen Tieflandgewässer, dem Demnitzer Mühlenfließ in Brandenburg, den Wasserhaushalt der Landschaft. Dabei helfen die Langzeitdaten, die das IGB in dieser Region in den letzten 30 Jahren erhoben hat. „Vergleicht man die heutigen Daten mit den 1990er Jahren, so fällt dieses grundwassergespeiste Fließgewässer über immer längere Zeiträume und immer häufiger trocken. In den Jahren 2019 und 2022 lag die abflussfreie Zeit im Demnitzer Mühlenfließ bereits bei über 150 Tagen im Jahr. Und wir sehen Ähnliches in mehr und mehr Brandenburger Fließgewässern“, erläutert die Ökohydrologin.

Grund dafür sind die geringere Bodenfeuchte und die sinkenden Grundwasserspiegel. Bei grundwassergespeisten, kleineren Fließgewässern gibt es im normalen jahreszeitlichen Rhythmus drei typische Perioden: Im Winter sind sie zusammenhängend, Grundwasser- und Bodenspeicher werden aufgefüllt. Im Frühjahr beginnen sie stellenweise trockenzufallen, da vor allem über die Vegetation in dieser aktiven Wachstumsphase viel Wasser aufgenommen und verdunstet wird. Heftiger Regen im Sommer führt zwar kurzfristig zu höherer Bodenfeuchte in den oberen Bodenschichten, erhöht aber nicht den Grundwasserspiegel, sodass das Oberflächenwasser kaum davon gespeist wird. Viel Wasser fließt während solcher Starkregenereignisse schnell oberflächlich über künstliche Drainagesysteme ab. Erst im Herbst und Winter, bei anhaltenden Regenfällen, werden solche Fließgewässer über das steigende Grundwasser wieder zusammenhängend gespeist. Mittlerweile fallen viele solcher Gewässer aber auch über die Wintermonate trocken, wie im Dürrejahr 2022, als das Demnitzer Mühlenfließ vom Frühjahr 2022 bis Ende Januar 2023 gar kein Wasser führte.

Niedrigwasser: Weniger Wasser beeinträchtigt Wasserqualität

Ein Wassermangel hat oft auch eine schlechtere Wasserqualität zur Folge. Die Forschung von Dörthe Tetzlaff zeigt, dass die intermittierenden Tieflandflüsse in Mitteleuropa zunehmend nährstoffbelastet und sauerstoffarm sind. „Durch den Klimawandel verändert sich die Rolle der Flüsse: Anstatt Stoffe und Biomasse zu transportieren, werden sie zu einem stehenden Reaktor, in dem ganz andere Stoffwechselprozesse ablaufen“, erklärt die Forscherin. Auf den austrocknenden Flächen der umgebenden Landschaft sowie beim Vorgang der Wiedervernässung werden zudem vermehrt Treibhausgase freigesetzt.

Wegen des geringeren Niederschlags besteht das Wasser der Fließgewässer zu einem hohen Anteil aus gereinigten Abwässern, in trockenen Sommern in Panke und Erpe rund um die 80 bis 100 Prozent“, sagt Tobias Goldhammer.

Niedrigwasser führt auch in Seen zur Aufkonzentration von Nähr- und Schadstoffen

Wie bei Flüssen unterliegt auch Wasserstand von Stillgewässern natürlichen Schwankungen. „Am Starnberger See in Bayern beispielsweise wird der Wasserstand nicht reguliert, sodass der Pegel je nach Jahreszeit um etwa einen halben Meter variieren kann“, sagt Professor Michael Hupfer. Er untersucht die Langzeitentwicklung von Seen infolge des Klimawandels. „Viele Seen, vor allem im Nordosten Deutschlands, sind allerdings von ungewöhnlich niedrigen Wasserständen betroffen, beispielsweise der Arendsee in Sachsen-Anhalt oder der Seddiner See in Brandenburg.“

Michael Hupfer war an einer deutschlandweiten Vorstudie an 52 Seen beteiligt, die für 71 Prozent dieser Seen einen sinkenden Pegelstand für den Zeitraum zwischen 1985 und 2022 nachwies. Je nach Größe eines Sees können sinkende Wasserstände die Erwärmung des Wasserkörpers verstärken und das Schichtungsverhalten so verändern, dass der Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt ungünstig beeinflusst werden. Steigende Verdunstung und längere Wasseraufenthaltszeiten führen auch in Stillgewässern zur Aufkonzentration von Nähr- und Schadstoffen. Zusammen mit höheren Temperaturen führt dies zu stärkeren Algenblüten.

Seddiner See (Foto Siegfried Gendries)

Auen und Moore: Mit naturbasierten Lösungen das Wasser in der Landschaft halten

Wie kann dem zunehmenden Austrocknen entgegengesteuert werden? „Tatsächlich lässt sich mit der Art der Landnutzung der Wasserhaushalt maßgeblich beeinflussen“, sagt Dörthe Tetzlaff. In Kooperation mit dem Landwirt Benedikt Bösel konnte ihr Forschungsteam u.a. zeigen, dass unter „mosaikartiger“ Landnutzung wie dem Agroforst im Gegensatz zum reinen Nadelwald weniger Wasser durch Evapotranspiration in der Landschaft verloren geht bei gleichzeitiger Erhöhung der Versickerungsraten, was für die Grundwasserneubildung wichtig ist. Die Wiederansiedlung des Bibers hat außerdem dazu geführt, dass mehr Wasser in der Landschaft gehalten werden kann und somit auch mehr dem Grundwasser zugeführt wird. „Das sind naturbasierte Lösungen, auf die wir im trockenen Brandenburg zunehmend setzen sollten“, findet Dörthe Tetzlaff.

Wald-Aue, Hachenbruch, Welver (Foto: Siegfried Gendries)

Eine Vernetzung mit den Auen stabilisiert den Wasserhaushalt und schafft Lebensräume

Zu den naturbasierten Lösungen zählt auch, die Fließgewässer wieder mit ihren Auen zu verbinden, um Refugien für Lebewesen zu schaffen, Wasserspeicher zu bilden und den Wasserhaushalt zu stabilisieren. „Wenn ein Fluss begradigt und kanalisiert ist, fließt das Wasser auch schneller aus der Landschaft ab. Auenflächen sind wichtige Retentionsflächen für Wasser und Nährstoffe. Sie helfen, Wasser in der Landschaft zu halten und es zu reinigen“, sagt Dörthe Tetzlaff. Sie konnte dies beispielsweise anhand der ganzjährig geöffneten Polder an der Oder im Rahmen der gemeinsamen Forschungsarbeiten mit dem Nationalpark Unteres Odertal zeigen.

5. Bei „zu viel Wasser“: Flussauen mildern Hochwasserwellen flussabwärts 

Auen sind außerdem ein wichtiger natürlicher Hochwasserschutz. „Wir sprechen davon, dass ein Fluss über die Ufer tritt, dabei gibt es für ein natürliches Fließgewässer eigentlich gar keine fest definierte Uferlinie. Dieses Beispiel aus unserem Sprachgebrauch zeigt, wie sich unsere Denkweise verschoben hat. „Wir sollten Hochwasser nicht nur als Gefahr sehen, sondern als etwas, das zu einem natürlichen Flusssystem dazugehört und Gewässer sowie die umgebende Landschaft regelmäßig verbindet. Dadurch wird der Austausch von Wasser, Stoffen, Fauna und Materialien ermöglicht“, sagt Sonja Jähnig. Dabei geht es der Wissenschaftlerin vor allem darum, die Bedingungen wieder an die natürlichen Bedürfnisse anzugleichen, beispielsweise durch Deichrückverlegungen und angepasste Nutzungsformen durch den Menschen.

In einer Studie hat die Wissenschaftlerin den Erfolg verschiedener naturbasierter Lösungen für den Hochwasserschutz untersucht. Ein erfolgreiches Beispiel ist das Projekt Lenzener Elbtalaue. Zentrale Maßnahmen des Vorhabens an der Mittelelbe waren der Bau eines neuen, sieben Kilometer langen Deichs weiter im Hinterland und das punktuelle Abtragen des alten Deichs. Auf diese Weise erhielt der Fluss insgesamt 4,2 Quadratkilometer an zusätzlichen Überschwemmungsflächen. Dadurch verringerte sich der Hochwasserscheitelpunkt des Elbehochwassers 2013 lokal um fast 50 Zentimeter.

Ahse-Auen, Welver-Dinker (Foto: Siegfried Gendries)

Ziel der Biodiversitätsstrategie verfehlt: Statt zehn Prozent mehr Auenflächen bis 2020 nur ein Prozent

Um die Rückkehr gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zu beschleunigen, wurden in der Elbtalaue außerdem neue Flutmulden angelegt, die vom Hochwasser gespeist werden und abwechslungsreiche Lebensräume für Fische, Amphibien und Vögel bieten. Denn Auen sind Hotspots der Artenvielfalt. Daher ist auch in der Nationalen Biodiversitätsstrategie verankert, dass die Auenflächen in Deutschland bis 2020 um zehn Prozent zunehmen sollen – erreicht wurde bis heute nur ein einziges Prozent. „Unsere Übersichtsstudie hat gezeigt, dass es Lösungen gibt, um den Wasserhaushalt von Fließgewässern zu stabilisieren, die mehrfachen Nutzen für Mensch und Natur haben“, sagt Sonja Jähnig.

Es gibt bereits rechtlichen Rahmenbedingungen für einen besseren Schutz unserer Gewässer gegen Austrocknung und natürlichere Maßnahmen gegen Überschwemmungen. So ermöglicht beispielsweise der Europäische Grüne Deal ein grenzüberschreitendes Hochwassermanagement, der EU-Aktionsplan zur Biodiversität fördert die ökologische Bewirtschaftung von Einzugsgebieten oder die EU-Biodiversitätsstrategie einen Schutz von 30 Prozent der Landfläche. Diese Möglichkeiten müssen noch besser genutzt werden, so das Fazit der Forschenden.

Quellen und Weiterführendes

Das IGB ist das größte deutsche und eines der international führenden Forschungszentren für Binnengewässer: https://www.igb-berlin.de

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  • Der Steinkohlebergbau geht, das Wasser bleibt. Die Folgen für die Ewigkeit und ihre Bewältigung, LebensraumWasser, 2018
  • Wenn der Regen ausbleibt … was Talsperrenbetreiber für unser Trinkwasser tun, LebensraumWasser, 2018

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