Kann mit neuer Technologie die Wasserqualität in den Rohrleitungen gesichert werden?

Die Trinkwasserversorgungssysteme in den Kommunen transportieren große Wassermengen vom örtlichen Wasserwerk zu den privaten Haushalten und den gewerblichen Abnehmern. Doch viele Rohre sind inzwischen 60 Jahre alt oder älter – eine Verunreinigung des Trinkwassers ist nicht auszuschließen. Nicht selten besteht auch ein Sanierungsstau. Auch dieser kann zu Lasten der Trinkwasserqualität gehen. So skurril es klingen mag, aber die Wasserqualität ist auch durch das Wassersparen gefährdet. In den vergangenen Jahrzehnten ging der Wasserverbrauch zurück, während das Versorgungsnetz unverändert groß blieb. Das Trinkwasser verweilt daher länger in den Rohren. Durch die Stagnation kann eine Verschlechterung der Wasserqualität eintreten. Egal, welche Gründe vorliegen, die Wasserversorger tragen die Verantwortung für die einwandfreie Qualität des jederzeit genusstauglichen Trinkwassers. Daher ist eine umfassende, flächendeckende Kontrolle des gesamten Trinkwassernetzes dringend geboten.

Allerdings ist die Überwachung der Wasserqualität im Rohrleitungssystem mit herkömmliche Inspektionsmethoden überaus aufwändig. Ganze Leitungsabschnitte müssen zeitgleich außer Betrieb genommen, vollständig entleert und nach der Inspektion in der Regel mehrfach gespült werden. Wenn die Leistungsabschnitte gespült werden, fließt reines Trinkwasser in die Gräben oder in die Kanalisation. In Zeiten des allgemeinen Wassersparens eine Aktion, die Fragen aufwirft. Erst nach der Sicherstellung des einwandfreien Zustandes dürfen die Rohrnetze wieder mit Trinkwasser gefüllt werden. Dies kann zu längeren Unterbrechungen der Trinkwasserversorgung ganzer Stadtteile führen. Auch wenn es nahezu unvermeidlich ist und der Gesundheit der Bevölkerung dient, treffen diese Maßnahmen nicht immer auf Begeisterung – manchmal auch, weil die Information über das Abstellen des Wassers nicht alle Kunden und Verbraucher rechtzeitig erreicht. Hinzu kommt, dass die Maßnahmen teuer sind und trotzdem nicht das gesamte Rohrleitungssystem umfassen können. Da zudem Wasserproben nicht flächendeckend, sondern nur stichprobenartig entnommen werden, wird eine mögliche Verschlechterung der Wasserqualität in nicht getesteten Abschnitten möglicherweise nicht schnell genug entdeckt. Und schließlich sind Laboranalysen der Wasserqualität oft zeitaufwändig, sodass Qualitätsveränderungen erst spät festgestellt werden. Es gibt also viele Gründe, weshalb nach anderen Methoden geforscht werden sollte, die sicherer sind, weniger Einschränkungen zur Folge haben und keinen Ressourcenverbrauch mit sich bringen.

Verunreinigungen werden im Netz aufgespürt und die kontaminierten Netzbereiche isoliert

Eine solche Lösung haben jetzt deutsche und israelische Forscher mit dem Forschungsprojekt MoDiCon („Online Monitoring and digital Control in Drinking Water distribution Systems“ – „Online-Monitoring und digitale Steuerung in Trinkwasserversorgungssystemen“) vorgestellt. Die Partner aus Forschung und Industrie haben ein digitales System zur Online-Überwachung und -Sicherung der Wasserqualität in großen Wasserverteilungssystemen entwickelt. Ihre Strategie – Modellentwicklung, Messung, Optimierung – ist höchst innovativ: Automatisiert und in Echtzeit kann die Wasserqualität an beliebigen Punkten der Rohrleitungen getestet werden. Neuartige Sensortechnologien wie die lichtbasierte Fluoreszenzmessung und die zellbasierte Durchflusszytometrie spüren unmittelbar vor Ort Bakterien und gesundheitsschädliche gelöste organische Substanzen auf und erfassen ihre Konzentration. Bei einer Verunreinigung des Wassers wird der kontaminierte Leitungsabschnitt isoliert und die optimale Spülstrategie zur schnellstmöglichen Wiederherstellung der Wasserqualität eingeleitet. An den betroffenen Stellen im Rohrleitungsnetz würden Ventile geöffnet oder geschlossen, die Geschwindigkeit oder die Durchflussmenge des Wassers angepasst und optimal dosierte Desinfektionsmittel eingebracht, um die Trinkwasserqualität wiederherzustellen.

Der Leiter des MoDiCon-Projekts an der TU Ilmenau, Prof. Pu Li, Leiter des Fachgebiets Prozessoptimierung, sieht das neue System als marktreif an: „Ich freue mich sehr, dass das Bundesforschungsministerium angeregt hat, aus unserer neuen Technologie ein konkretes ,Produkt‘ zu machen. Damit wäre unser Ziel erreicht, Verbraucher auch in Zukunft stets mit hochwertigem und damit gesundem Trinkwasser zu versorgen.

Das MoDiCon-Projekt wurde von der Technischen Universität Hamburg koordiniert, die umfangreiche Forschungserfahrung auf dem Gebiet der Wasserversorgung und Wasseranalytik hat. Die TU Ilmenau hat ausgewiesene Expertise in modellgestützter Optimierung und die Israelische Technische Hochschule Technion Haifa arbeitet seit Jahren an der Modellierung, Simulation und Stoffausbreitung in Wasserversorgungsnetzen. Assoziierte Partner sind das Wasserver- und Entsorgungsunternehmen Hamburg Wasser und der führende Hersteller herausragender Produkte der Umwelttechnologie bbe moldaenke GmbH.

Weiterführendes

MoDiCon – Online Monitoring and Digital Control in drinking water distribution systems
„Wir optimieren die Wasserqualität mit Mathematik“, Magazin UNI Ilmenau, Prof. Pu Li, Leiter des Fachgebiets Prozessoptimierung

“Establishing an experimental and simulation interface for online monitoring and modelling of bacterial growth in water distribution systems”, Kadinski L., Schuster J., Abhijith G. R., Cao H., Grieb A., Pu L., Ernst M., Ostfeld A., World Environmental and Water Resources Congress 2022, Atlanta, GA, June 5-8, 2022. DOI: 10.1061/9780784484258.105

Beitragsfoto (c) Can Stock Photo / pressmaster

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