28. Juli 2020: Zehn Jahre „UN-Menschenrecht auf Wasser“. Eine Erfolgsgeschichte?

Hierzulande eine Selbstverständlichkeit, in vielen Regionen der Erde nach wie vor unerreichbar: Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung. Mehr als zwei Milliarden Menschen fehlt es an sauberem Trinkwasser und mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sicher bewirtschafteten Sanitäranlagen. Heute vor 10 Jahren, am 28. Juli 2010, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Resolution 64/292 das Recht auf Wasser als Menschenrecht mehrheitlich anerkannt. Fünf Jahre später wurde das Menschenrecht auf sanitäre Einrichtungen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2015 ausdrücklich als eigenständiges Recht anerkannt. Mittlerweile hat es viel Positives gegeben. Corona und der immer noch unzureichende Zugang zu Wasser zeigen aber, dass es immer noch nicht genug ist.

Zehn Jahre – was erreicht wurde. Ein Faktencheck

Millionen von Menschen kommen nach wie vor nicht in den Genuss dieser Grundrechte. Viele Staaten sind nicht in der Lage oder nicht Willens, die erforderlichen Investitionen für die Verbesserung der Wasserversorgung in allen Regionen zu sichern. Auch fehlt es an Know-how oder schlicht an den erforderlichen Wasserressourcen. Wo stehen wir heute?

  • Heute fehlt jedem dritten Menschen oder 2,2 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt sauberes Trinkwasser. (WHO / UNICEF 2019)
  • Fast die Hälfte der Schulen der Welt verfügt nicht über Handwascheinrichtungen mit Wasser und Seife, die den Schülern zur Verfügung stehen. (WHO / UNICEF 2020)
  • Pro Person und Tag werden ca. 50 Liter Wasser benötigt, um sicherzustellen, dass die meisten Grundbedürfnisse erfüllt werden und die Risiken für die öffentliche Gesundheit auf einem niedrigen Niveau gehalten werden. (WHO, 2017)
  • 207 Millionen Menschen verbrachten mehr als 30 Minuten pro Hin- und Rückfahrt, um Wasser aus einer verbesserten Quelle zu sammeln. (WHO / UNICEF 2019)
  • Weltweit nutzen mindestens 2 Milliarden Menschen eine mit Kot kontaminierte Trinkwasserquelle. (WHO 2019)
  • Rund 297 000 Kinder – täglich mehr als 800 – unter fünf Jahren sterben jährlich an Durchfallerkrankungen aufgrund schlechter sanitärer Einrichtungen, mangelnder Hygiene oder unsicherem Trinkwasser. (WHO 2019)
  • Kinder unter 5 Jahren in Ländern mit langwierigen Konflikten sterben 20-mal häufiger an Ursachen für unsicheres Wasser und sanitäre Einrichtungen als an direkter Gewalt. (UNICEF, 2019)

Bürgerkriege und militärische Auseinandersetzungen zerstören die Infrastruktur

In vielen Staaten der Erde haben sich die Bedingungen für die Menschen in Folge von Kriegen und Ausbeutungen der Schwächsten sogar weiter verschlechtert, Erreichtes wurde durch Kriege und Konflikte wieder zerstört. Häufig leiden die Kinder. Migration ist nur eine der vielfältigen Folgen, die wir hierzulande spüren. Im Süd-Sudan beispielsweise, wo 2017 nur 40% der Bevölkerung Zugang zu sicherem Wasser hatten, war die Versorgung acht Jahre zuvor noch auf einem besseren Niveau. Ursache dafür war der Bürgerkrieg, der 2011 sein Ende fand. Infolge des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist die Wasserinfrastruktur unterentwickelt. „Nur jeder zehnte Einwohner des Südsudans hat Zugang zu einfacher Sanitärversorgung. Selbst wenn sie es sich leisten könnten, die Infrastruktur ist nicht vorhanden. Investitionen bleiben aus und mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Trockenzeit zwingt jedes Jahr Millionen Südsudanesen, ihre Dorfhäuser auf der Suche nach Wasser zu verlassen.“ Auch in anderen Kriegsregionen wie im Nahen Osten wird es Jahre brauchen, bis die Infrastrukturen für die Wasserversorgung und Sanitärversorgung wiederhergestellt sein werden.

Situation und Entwicklung der WASH-Bedingungen am Beispiel Süd-Sudan (Q: WHO, 2020)

„UN-Wasserdekade“ von 2018 bis 2022

Das Recht auf Wasser ist ein Menschenrecht. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Beschlüssen und Programmen, die der Verwirklichung dieses Menschenrechts in allen Staaten der Welt dienen sollen. Um den weltweiten Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Rechts zu begegnen, wurde in der 66. Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) die UN-Wasserdekade beschlossen. Sie findet vom 22. März 2018 bis zum 22. März 2028 statt und verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele:

  • Verbesserung der Wissensverbreitung zum Thema Wasser und Gewässerschutz, einschließlich Informationen zu wasserbezogenen SDGs (Sustainable Development Goals, den Nachhaltigkeitszielen der 2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung),
  • Stärkung der Kommunikationsmaßnahmen zur Umsetzung der wasserbezogenen Ziele. 

Die Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland sind aufgerufen, sich durch Aktionen und Initiativen zur Information, Bildung sowie Aus- und Fortbildung für die Realisierung eines nachhaltigen Wasserressourcen- und Gewässermanagements einzusetzen, um somit die UN-Wasserdekade zu unterstützen. Bei der nationalen Umsetzung der UN-Wasserdekade geht es neben Stärkung der Wasserpolitik, um Bildung und Öffentlichkeitsarbeit zu allen wasserrelevanten Themen. Das Bundesumweltministerium hat den im Oktober 2018 angelaufenen Nationalen Wasserdialog in den Kontext der UN-Wasserdekade gestellt. Es ist ein Ziel des Wasserdialoges mit Expertinnen und Experten nach Lösungen in der Wasserwirtschaft zu suchen, um die Herausforderungen in der Wasserwirtschaft frühzeitig bewältigen zu können.

Zugang zu Wasser in Europa

Im Zuge der Novellierung der EU-Trinkwasserrichtlinie wird auch in Europa der ungehinderte Zugang zu Wasser manifestiert. Wir haben hier ein ohne Frage unvergleichlich besseres Niveau, als in vielen anderen Staaten der Erde, aber dennoch gibt es in den 27 EU-Staaten haben rund zwei Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung haben. Deren Situation zu verbessern und gleichzeitig auf die Bedingungen in den anderen Regionen der Welt hinzuweisen, kann ein Ergebnis der Verankerung des ungehinderten Zugang zu Wasser in der Trinkwasserrichtlinie der EU sein.

„Die Mitgliedstaaten sollten den allgemeinen Zugang zu sauberem Wasser in der Europäischen Union fördern und Zugang zu Wasser in Städten und öffentlichen Einrichtungen verbessern, und zwar durch die Einrichtung von frei zugänglichen Trinkbrunnen, soweit dies technisch möglich und verhältnismäßig ist“, erklärte das Europaparlament im Jahr 2018.

Covid-19 trifft die Schwächsten.

Die Corona-Pandemie trifft jetzt gerade jene Bevölkerungen mit unnachgiebiger Härte, die schon bisher die schlechtesten Lebensbedingungen hatten. Hygiene hat sich als einzig unbestrittenes und wirksames Mittel erwiesen, die Pandemie zu bekämpfen. Millionen Menschen ist der Zugang zu menschenwürdigen Bedingungen verwehrt, sie müssen jetzt darunter leiden und sterben. Sie warten trotz Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Versorgung immer noch auf menschenwürdige und gesunde Lebensbedingungen.

Die Industrienationen schließen ihre Grenzen und erklären die betroffenen Regionen zu „Risikogebieten“. Das mag aus heutiger Sicht alternativlos sein, um die eigene Bevölkerung zu schützen und Weiterverbreitung des Virus zu verhindern. Viele schließen ihre Grenzen, um Einwanderungen zu verhindern. Der Klimawandel verschärft die Lebensbedingungen um eine bisher ungeahnte Dimension. Die Wurzeln für diese Bedrohungen liegen tiefer. Es sind die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen in den betroffenen Ländern, es sind ihre „Geschichten“. Die Schwächsten können sich nicht dagegen wehren. Sie leiden unter den Lebensbedingungen – unter Covid-19 mehr denn je. Alle Industrienationen müssen gemeinsam auf die Umsetzung des „Menschenrechts auf Wasser“, den Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Versorgung hinwirken. Immerhin haben sie es vor zehn Jahren so beschlossen. Es ist kein Schicksal, dass die Bewältigung der Pandemie von der Einhaltung und Umsetzung gefasster Beschlüsse der Weltgemeinschaft abhängt.

Quellen/Weiterführendes

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