Warum der Wasserpreisvergleich von billiger.de in die Irre führt

Das Online-Preisvergleichsportal billiger.de hat einen Wasserpreisvergleich durchgeführt. Nein, nicht in den Kalender schauen, bis zum 1. April sind es noch zwei Wochen! Anläßlich des Weltwassertages am 22.3. sah sich das Online-Portal aufgerufen, die Wasserpreise von 122 deutschen Städten untereinander und mit Metropolen in den USA zu vergleichen. Viele Medien griffen diese Pressemitteilung auf. Städte wie Essen oder Dortmund müssen sich mit Heide vergleichen lassen und rechtfertigen, warum ihre Preise höher sind. Während Verbraucherschützer und Kartellbehörden sogar zuweilen selber Rechtfertigungen für zu niedrige Wasserpreise liefern und vor zu niedrigen Wasserpreise warnen, nutzt das Online-Portal die Gunst der Stunde und will mit einem Preisvergleich auf Unterschiede bei einem Produkt hinweisen, dass man nun mal gerade nicht online kaufen kann und dessen unterschiedliche Preise sich nicht vergleichen lassen. Der „Aufreger Wasserpreise“ hat wieder gezogen, wie die Berichte in der deutschen Presse zeigen. Daher scheint es wichtig einmal auf Gründe für Preisunterschiede hinzuweisen.

Die Entgeltstrukturen sind nicht vergleichbar

Für unterschiedlich große Haushalte in Einfamilienhäusern wurden im deutschen Wasserpreisvergleich für 122 Liter Trinkwassermenge täglich je Person die jährlichen Trinkwasserkosten ermittelt. Dazu wurde der jeweilige Mengenpreis des Versorgers herangezogen. Richtigerweise wurden bei diesen so genannten Typfällen auch die Grundpreise berücksichtigt, also jene Entgelte mit denen der Wasserversorger die System-Vorhalteleistung (u.a. Wasserwerke, Leitungsnetze etc.) mengenunabhängig in Rechnung stellt. Die Ergebnisse liefern die Kosten für Ein-Personen, Zwei- und Drei-Personen-Haushalte.Bildschirmfoto 2016-03-17 um 21.30.17

Nicht nur, dass es eine große Rolle spielt, wie der Versorger seine Fixkosten auf den Grundpreis umrechnet, es macht auch einen Unterschied, ob man Ein- oder Mehrfamilienhäuser berücksichtigt. Jeder Versorger hat eine andere Tarifstruktur. Wer mit einem hohen Grundpreisanteil für mehr Preisstabilität und Planungssicherheit sorgen und die Vorhalteleistungen ausgewogener und verursachungsgerechter auf die Kunden umlegen will, kommt auf andere Werte, als jene die hohe Mengenpreise haben. Insoweit nicht überraschend, dass der Vergleich zum Ergebnis kommt: „Je mehr Menschen in einem Haushalt leben, desto geringer die Wasserkosten pro Kopf“. Das billiger.de-Ergebnis wäre gänzlich anders, würde man Haushalte in Mehrfamilienhäusern berücksichtigen. Das gäbe vielfältige Verzerrungen, denn dann würden die Grundpreise sich je nach Tarifsystem und -struktur unterschiedlich auf die Haushalte verteilen. Auch wegen dieser Unterschiede machen derart einfache Wasserpreisvergleiche eben keinen Sinn.

Die strukturellen Rahmenbedingungen sind nicht vergleichbar und führen zwangsläufig zu Preisunterschieden 

Die Wasserpreise in Deutschland sind aber bekanntlich auch deshalb unterschiedlich hoch, weil es die Wasserversorger mit sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu tun haben. Was heißt das? Am einfachsten läßt sich dies an Beispielen darstellen:

  • Wasserversorger, die Flusswasser (z.B. aus der Ruhr) entnehmen müssen, kommen nicht umhin dieses aufwändig aufzubereiten damit jene Schadstoffe die aus Industrien und Kläranlagen eingeleitet werden, nicht in das Trinkwasser gelangen. Deren Wasserpreis kann natürlich nicht so niedrig sein, wie dort wo auf unbelastetes Grundwasser zurückgegriffen werden kann.
  • Auch verfügt nicht jeder über eigene Ressourcen. In vielen Regionen z.B. in Hessen oder Baden-Württemberg ist man auf Zulieferungen, so genanntes Fernwasser, oder auf einen benachbarten Zulieferer angewiesen. Nicht nur, dass man die Preise nicht beeinflussen kann, es leuchtet auch ein, dass wegen der Transportleitungen die Kosten höher sein müssen, als wenn man sein „eigenes“ Wasser hat.
  • Dass in einer bergigen Region Pumpkosten anfallen, die im Flachland um ein Vielfaches geringer sind, kann auch nicht überraschen.
  • Auch macht es einen Unterschied, ob in einer Region durch Bergbauaktivitäten oder ähnliche Einflüsse Geländebewegungen ausgelöst werden, die zu vermehrten Leitungsschäden führen. Diese Leckagen an den Rohrnetzen müssen beseitigt werden, damit das Wasser nicht verloren geht oder Verunreinigen nicht eindringen können.
  • Natürlich macht es für die Kosten einen Unterschied, wie die Bodenbeschaffenheit oder die Siedlungsstruktur ist. Im sandigen Untergrund zumal auf dem Lande lassen sich Tiefbauarbeiten kostengünstiger durchführen, als in felsigem Untergrund und in städtischer Struktur.
  • Ein ganz wichtiger Grund: Viele Versorger nicht nur in Ostdeutschland sind von Bevölkerungsschwund betroffen. Die Anlagen sind gebaut, die Kosten verursacht, aber die Kunden sind weniger geworden. Wenn weniger Menschen die gleich bleibenden Kosten tragen müssen, können die Preise nicht sinken. Ein Blick auf die Karte hätte gereicht: Lange Zeit schrumpfende Städte wie Görlitz, Zwickau, Hof, Saarbrücken oder Oberhausen und Mülheim/R. können  einmal angefallene Investitionen nicht „wegdrücken“, sie müssen sie anders verteilen. Auch Wasser sparen verschärft das Problem, allerdings gleichmäßiger. Viele Versorger stellen auch deshalb ihre Tarifsysteme um.

Schon bei diesen wenigen beispielhaften Unterschieden muss man ins Grübeln kommen. Deshalb hat Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) recht, wenn er erklärt: “Folge dieser sehr verschiedenen Strukturen vor Ort sind unterschiedliche Kosten, die wiederum zu deutlichen und gerechtfertigten Preisunterschieden führen können“. Zwar muss man den Autoren des Vergleichs zugute halten, dass sie auf diese „Kostenvielfalt“ hinweisen, das hält sie aber nicht davon ab, die Wasserpreise unterschiedlicher Regionen und Kommunen wie „Äpfel mit Birnen“ zu vergleichen.

Wasserpreise sagen nichts über die Qualität des Wassers 

Richtig ist, dass kaum ein Produkt so gut reguliert ist wie das Trinkwasser. Kein Versorger hat Spielraum bei der Trinkwasserqualität, jeder muss sich an gesetzliche Vorgaben halten. Die Trinkwasserverordnung legt akribisch fest, was im Lebensmittel Wasser sein darf und was nicht. Deshalb kann man überall in Deutschland auf Flaschenwasser verzichten und aus dem Hahn trinken. Aber natürlich gibt es Unterschiede:

  • Wenn ein Wasserversorger etwas für den vorsorgenden Gewässerschutz tut, damit die Grundwasserressourcen oder die Fließgewässer nicht beeinträchtigt werden, dann wirkt sich dies auf seine Kosten und schliesslich auf die Wasserpreise aus. Der eine tut es, der andere nicht.
  • Wenn ein Wasserversorger in seine Leitungsnetze oder in seine Wasserwerke investiert, damit auch zukünftige Generationen sich einer hohen Versorgungssicherheit erfreuen können, dann wirkt sich das auf die Kosten und schliesslich auf die Wasserpreise aus. Der eine tut es, der andere nicht.

„Geiz ist geil“ bei Trinkwasser ist gefährlich 

Wir wissen, dass viele Versorger ihre Preise auch deshalb nicht anpassen, weil sie möglichst billig sein wollen oder die Politik sich mit niedrigen Preisen brüsten will. Zu Recht hat Gabriele Krater, Referentin der Landeskartellbehörde NRW auf der Mülheimer Tagung gewarnt: “Die oft bemühte Daseinsvorsorge kann kein Rettungsschirm für politisch motivierte Entgelt sein.“ Wohin das führen kann, zeigen Beispiele aus der Hoch-Zeit der kartellrechtlichen Preisvergleiche in Hessen. Einige vermeintlich „billige“ Versorger wurden regelmäßig als Vergleichsunternehmen herangezogen. Das unter Mißbrauchsverdacht stehende Unternehmen musste dann seine höheren Preise rechtfertigen. Das konnte es natürlich nicht, weil es die

Gabriele Krater, Landeskartellbehörde NRW, Mülheim/R., 24.2.2016
Gabriele Krater, Landeskartellbehörde NRW, Mülheim/R., 24.2.2016

Bedingungen des „Musterschülers“ nicht kannte. Zehn Jahre später sind viele Unterschiede nicht mehr da. Warum? ganz einfach, der vermeintlich Preiswerte hat die damals notwendigen Investitionen z.B. in marode Leitungsnetze nachgeholt und musste seine Preise erhöhen. Die Lehre daraus: Wasserpreise sind häufig eine Momentaufnahme. Wer weiss, ob nicht der eine oder andere „billiger.de-Musterschüler“ im nächsten Jahr seine Preise massiv anhebt, weil die vermeintliche Preisstabilität in Wahrheit ein Investitionsstau war. Wer regelmäßig Instandhaltung betreibt und für die Zukunft investiert, kann sich der allgemeinen Preissteigerung für Rohrmaterialien, Tiefbauarbeiten und Löhne eigentlich nicht entziehen.

Die Daseinsvorsorge und das Trinkwasser sollten uns eigentlich zu schade für einfache Preisvergleiche sein. Damit kein Missverständnis entsteht: Natürlich dürfen Wasserversorger ihr natürliches Monopol nicht mißbrauchen und sind überhöhte Preise nicht zu rechtfertigen. Aber für die Beurteilung, was überhöht ist und was nicht, taugen solche Preisvergleiche auf gar keinen Fall. Schlimm wäre es, wenn jetzt wieder eine Diskussion ausgelöst würde, die über billige Wasserpreise sinkende Qualität und Daseinsvorsorge zur Folge hätte. Wasser hat seinen Wert und damit auch seinen Preis!

Auch der Vergleich mit den USA hinkt gewaltig 

Ach ja, da ist ja noch der Vergleich mit den Wasserpreisen in den USA. Tatsächlich werden die deutschen Preise für Trinkwasser mit denen in Los Angeles verglichen. Vielleicht ist das sogar gut so, liefert es doch den Beweis für die obigen Erläuterungen. Die Trinkwassernetze in den USA sind so marode und die Trinkwasserqualität mancherorts so schlecht, dass sogar Notstände ausgerufen werden müssen. Auf sage und schreibe 3,6 Billionen US-Dollar (= Trillion) schätzt der US-Ingenieurverband den Investitionsbedarf in die Wassernetze bis 2020. Und um die Ironie rund zu machen: selbst Verbraucherverbände fordern höhere Wasserpreise in Kalifornien, damit durch Wassersparen die Ressourcen geschont werden. Denn die historische Dürre bringt den Staat mit seinen Spitzenverbräuchen von bis zu 400 Liter pro Einwohner und Tag an den Rand der Überlebensfähigkeit. Wasserpreise sind auch Knappheitsindikatoren. Deshalb werden in Kalifornien auf breiter Front die Wasserpreise angehoben. Die Autoren des Vergleiches haben die Kausalität verdreht. Die USA haben nämlich vielerorten massive Probleme, WEIL die Preise zu gering sind. Wasserverschwendung findet statt, WEIL die Preise zu gering sind und die Anreize zum Wassersparen fehlen. Aber das ändert sich gerade.

2 Trackbacks / Pingbacks

  1. Bundeskartellamt wird Bericht über Wasserwirtschaft veröffentlichen | LebensraumWasser
  2. NRW-Koalitionsvertrag kündigt Änderungen der Wasserpolitik an | LebensraumWasser - Der Wasser-Blog

Was meinen Sie dazu?

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.