Zugang zu Trinkwasser wird neu geregelt. Brüssel einigt sich auf EU-Trinkwasser-Richtlinie

Ein Erfolg kurz vor Weihnachten: die neue EU-Trinkwasserrichtlinie und mit ihr der ungehinderte Zugang zu Trinkwasser für alle. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten einigten sich in der Nacht zum Donnerstag auf die lang erwartete Überarbeitung der EU-Trinkwasserrichtlinie. Bei der Europäischen Bürgerinitiative right2water dürften schon vor Silvester die Sektkorken knallen. Sie war es, die im Zusammenhang mit einer anderen EU-Richtlinie zu Wasser mit ihren 1,7 Millionen Unterschriften die Impulse für den freien öffentlichen Zugang zu Trinkwasser gab.

Trinkwasser für alle! Öffentliche Trinkwasserspender werden Pflicht.

Es war keine Durchmarsch, aber Ende aber wohl ein Erfolg. „Deal! Nach 9 Stunden Trilog-Verhandlungen. Europas Trinkwasser wird noch sauberer. Neue Regeln gegen Hormongifte, Mikroplastik, super-langlebige PFAS schützen künftig die Verbraucher. Und das beste: Überall in Europa werden Trinkwasser-Spender aufgestellt. Danke, @right2water!“, twitterte Sven Giegold, Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Fraktion für die Neufassung der Trinkwasser-Richtlinie.

Auch der neue Umweltkommissar, Virginijus Sinkevičius, freut sich über den Kompromiss: „Die Bürger haben die Kommission laut und deutlich aufgefordert, eine Initiative vorzuschlagen, um den Zugang der Europäer zu sicherem Trinkwasser zu gewährleisten. Die Kommission ist dieser Aufforderung im Rahmen einer Europäischen Bürgerinitiative mit einem ehrgeizigen Vorschlag nachgekommen. Heute haben auch die Mitgesetzgeber diesen Aufruf gehört und sind übereingekommen, die EU-Vorschriften zu modernisieren, die Qualität des Trinkwassers auf der Grundlage der neuesten Normen zu verbessern, den Zugang zu Wasser für alle zu verbessern und die Transparenz in diesem wichtigen Sektor zu erhöhen. Gemeinsam können und müssen wir die Gesundheit und Sicherheit unserer Bürger schützen. Damit kann Sinkevičius nach dem ebenfalls erzielten Erfolg zur EU-Verordnung über die „Wiederverwendung von Wasser“ (Bericht hierzu folgt) in dieser Woche einen zweiten Erfolg seiner kurzen Amtszeit verbuchen.

Dass die Umsetzung nicht stressfrei wird, läßt sich schon jetzt absehen. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze hatte bereits im Kampf gegen Plastik das Trinken von Leitungswasser und dessen öffentlichen Zugang propagiert. Mit der Förderung des Vereins a tip:tap und dessen Projekt „Wasserwende“ im Rahmen eines Klimaschutzprogramms, soll die Akzeptanz von Trinkwasser als umweltfreundliches und ohne Verpackung auskommendes Produkt in der Zivilgesellschaft gestärkt werden. Betroffen waren u.a. Gastwirte und die Flaschenwasserbranche. Da Restaurants ähnlich wie in anderen Staaten Leitungswasser ausschenken sollen, wehrte sich die Branche mit dem Hinweis auf die entstehenden Kosten und die entgehenden Umsätze. Bei letzterem sind sich beide Gruppen einig. Mit der Trinkwasserrichtlinie der EU dürfte dieses Thema erneut an Fahrt aufnehmen. Auch dürfte sich damit die Frage stellen, wer die Wasserspender eigentlich bezahlen soll. Hierzu hatte ich im Sommer mit verschiedenen Interessenvertretern diskutiert, wie die Kosten getragen werden sollen. Die Kommunalpolitiker werden den Bau und Betrieb fordern. Aber kann die Stadt auch bezahlen? In Berlin und Hamburg, mit einem städtischen Wasserversorger, scheint das kein Problem. Doch das ist, wie ich höre, nicht überall so einfach. Da geht es auch um Wasserpreise und ob die darin enthaltenen Kosten für Wasserspender gerechtfertigt sind. Die Landeskartellbehörde NRW hat hierzu bereits eine Stellungnahme angekündigt.

Qualitätsanforderungen an das Trinkwasser und an Materialien, mit denen es in Kontakt kommt, werden ansteigen

Eine weitere wichtige Änderung der Richtlinie betrifft die Qualitätsanforderungen beim Trinkwasser. „Die Vereinbarung enthält detaillierte Hygieneanforderungen für Materialien, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen, und gibt der Europäischen Chemikalienagentur eine Schlüsselrolle, um sicherzustellen, dass nur sichere Stoffe in Trinkwasserleitungen und Wasserhähnen verwendet werden können, die mit Wasser in Kontakt kommen“, stellt die EU klar. Das EU-Parlament hatte bekanntlich ursprünglich strengere Grenzwerte und Vorschriften gefordert, diese waren von den Unterhändlern der Mitgliedstaaten u.a. aus Deutschland abgeschwächt worden. Der EP-Abgeordnete der CDU aus NRW, Peter Liese, der sich regelmäßig bei Wasserversorgern kundig macht, wie er mir einmal in einem Gespräch berichtete, begrüßte dies: „Gerade für kleine Wasserwerke ist es wichtig, dass der Messaufwand nicht zu groß wird.“ Ähnlich waren die Stimmen aus Österreich, wo die Wasserversorgung wie in Deutschland ebenfalls durch eine Vielzahl kleiner Betriebe sichergestellt wird.

https://twitter.com/peterliese/status/1207586722806161408?s=21

Auch der Gehalt von winzigen Plastikteilchen – Mikroplastik – im Leitungswasser soll erstmals überwacht werden. Dafür wird zunächst eine Methodologie zur Messung von Mikroplastik festgelegt. Gegenwärtig wird das Trinkwasser „end-of-pipe“ kontrolliert. Mit den neu vereinbarten Regeln wird der so genannte „risikobasierte Ansatz“ umgesetzt. Dieser ermöglicht weitere Präventions- und Eindämmungsmaßnahmen zum Schutz der Trinkwasserquellen.

Der vereinbarte Text baut auf den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation auf und geht sogar über diese hinaus. Diese neuen EU-Vorschriften werden zu einem weltweiten Standard werden und dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Sie werden die schädlichen Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf die menschliche Gesundheit und auf unsere natürlichen Ressourcen in vollem Einklang mit dem Europäischen Grünen Deal minimieren. Sie werden neu auftretende Schadstoffe wie Mikrokunststoffe, endokrin wirksame Stoffe und neue Arten von Chemikalien (PFAs) betreffen“, so die EU in ihrer Begründung.

Transparente Trinkwasserqualität!

In Deutschland kann man sich überwiegend online über die Qualität des Trinkwassers das der Versorger liefert, informieren. Das ist nicht überall in Europa der Fall. Daher soll sich mi der Richtlinie auch die Transparenz und der Informationsgehalt über die Qualität des Trinkwassers verbessern. Hier wird es künftig einen benutzerfreundlichen Zugang – auch online – zu Informationen über die Qualität und die Versorgung mit Trinkwasser im Wohngebiet der Verbraucher geben. Damit solle das Vertrauen in das Leitungswasser gestärkt werden, so die Kommission.

Außerdem haben die VerbraucherInnen bald ein Recht darauf, Informationen über Wasserverluste durch Lecks in Leitungsrohren zu erhalten. Man darf gespannt sein, wie diese Regelung in die Praxis umgesetzt wird. Jedenfalls könnten Wasserversorger dieses Thema aktiv nutzen, um das Erfordernis des sorgsamen Umgangs und des „Wert des Wassers“ zu adressieren.

Nächste Schritte

  • Die am 18. Dezember 2019 erzielte vorläufige Einigung steht nun unter dem Vorbehalt der förmlichen Genehmigung durch das Europäische Parlament und den Rat.
  • Nach der Genehmigung wird die Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft, so dass die Vorschriften voraussichtlich im Frühjahr 2022 gültig werden.

Quellen/Weiterführendes

  • „Commission welcomes provisional agreement to improve the quality of drinking water and the access to it“, Pressemitteilung EU-Kommission, 19.12.2019
  • Review of the drinking water directive, EU-Kommission, Materialien zur EU-Trinkwasser-Richtlinie
  • Artikel mit Informationen und Berichte über „Trinkbrunnen und Wasserspender“ auf Lebensraumwasser.com
  • „Wie öffentliche Trinkwasserbrunnen sinnvoll finanziert werden können“ auf Lebensraumwasser.com
  • right2water auf Twitter
  • Wasserwende , a tip:tap

1 Kommentar

1 Trackback / Pingback

  1. EU: Zugang zu Trinkwasser für alle | Heidis Mist

Schreibe eine Antwort zu Gerrit KubassaAntwort abbrechen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.