Die Trinkwasserverordnung feiert ihren 45. Geburtstag

Vor 45 Jahren ging das heutige Geburtstagskind an den Start: die Trinkwasserverordnung. Seitdem kann jeder der Qualität des Leitungswassers vertrauen. Jederzeit verfügbares und hochwertiges Trinkwasser ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Das hat einen guten Grund: Am 31.1.1975, heute vor 45 Jahren, wurden mit der Trinkwasserverordnung die chemischen und mikrobiologischen Mindestanforderungen an Trinkwasser vom Staat festgelegt. Es hätte noch eher sein können. 15 Jahre brauchten Experten und Ministerien, um sich zu einigen und schließlich festzulegen, was alles nicht im Trinkwasser sein darf. Als Ermächtigungsgrundlage hatte im Jahr 1961 das Bundesseuchengesetz die Voraussetzung geschaffen, um die Menschen beim Genuss von Trinkwasser zu schützen.

Bundesgesetzblatt mit der Verordnung vom 31.1.1975

Choleraepidemie von 1892 war der Auslöser einer geregelten Trinkwasserversorgung

1892 war der tragische Startpunkt für die Trinkwasserhygiene in Deutschland. In Hamburg erkrankten wegen einer Choleraepidemie mehr als 17.000 Menschen, Hunderte starben. Abwasser und Flusswasser waren vermischt und lösten tödliche Infektionen aus. Die Ärzte und Hygieniker Robert Koch und Max Josef Pettenkofer gaben den Anstoß zur Ausarbeitung von „Grundsätzen über die Herstellung von Trinkwasser aus Flüssen und Seen“, also aus Oberflächengewässern, die 1899 in allen deutschen Bundesländern eingeführt wurden. Mit dem gleichzeitigen Bau von Trinkwasserwerken begann die geregelte Trinkwasserversorgung. Diese Richtlinien und Grundsätze waren aber zu wenig, um die Trinkwassergesundheit allgemeingültig und sanktionssicher zu festigen.

„Wasserwarnung“ des Hamburger Senats anläßlich der Cooler-Epedemie 1892 (Q.: npr.news)

Es fehlte an rechtsverbindlichen Vorschriften

Zwar waren die Gesundheitsämter als Kontrollgremien schon mit Gesetzen aus den 30er Jahren autorisiert worden zu kontrollieren, es fehlten aber noch die rechtsverbindlichen Bestimmungen. So gab es keine Festlegungen von Grenzwerten für gesundheitsschädliche Stoffe und keine Anforderungen an die Sorgfaltspflichten der Betreiber von Wasserversorgungsanlagen. Erst die 1959 aufgrund des Lebensmittelgesetzes erlassene Trinkwasseraufbereitungs-Verordnung legte zunächst verbindlich fest, mit welchen Stoffen Trinkwasser behandelt und welche Restmengen an diesen Stoffen es nach abgeschlossener Aufbereitung noch enthalten darf. Aber erst das 1961 in Kraft getretene „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen“, das Bundes-Seuchengesetz, schuf die Rechtsgrundlage für eine allumfassende und allgemein gültige Grundlage für die Regelung von Grenzwerten und Anforderungen Wasser spätere Trinkwasserverordnung von 1975 geschaffen worden.

„Die Verordnung setzte aber nicht etwa neue Maßstäbe, sondern erklärt lediglich das als rechtlich verbindlich, was seit Jahrzehnten von der Wissenschaft und Technik als vernünftig und praktikabel anerkannt ist. Sie legt erstmalig verbindlich Grenz- und Richtwerte fest, deren Einhaltung gewährleistet, daß nach dem augenblicklichen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft und Technik auch bei lebenslangem Genuss die menschliche Gesundheit nicht geschädigt werden kann“, erklärte 1977 der jetzige Vorsitzende der Wasserhistorischen Gesellschaft e.V., Wolfram Such, in einem Beitrag der Zeitschrift ZIVILVERTEIDIGUNG. Damals waren auch noch Mineral- und Tafelwässer, die heute von einer eigenen Verordnung erfasst werden, darin geregelt. Such schrieb: „Die neuen Bestimmungen sind endlich auch auf die Tafelwässer, also auf Mineralwasser sowie die in Tüten abgepackten und zum Verkauf angebotenen Wässer anzuwenden. Unter geschickter Ausnutzung der Umweltprobleme auf dem Gebiet der Wasserversorgung werden diese Wässer in der Werbung als „unbeeinträchtigt“, also als „natürlich rein“, teilweise sogar als gesundheitsfördernd angepriesen.“

Trinkwasserqualität bleibt gefährdet

Waren es damals nur 12 chemische Werte als Grenzwerte festgelegt worden waren, sind es heute weit über 50. Während wir heute über Nitratwerte von 50 mg/Liter diskutieren und uns die Frage stellen, wie man die Belastung reduzieren kann, begann man 1975 mit 90 mg/Liter, um nur einige Beispiele der Weiterentwicklung zu nennen.

„Wegen der einer Versorgung mit gesundheitlich unbedenklichen Trinkwasser in wachsendem Maße drohenden Gefahren war es dringend notwendig, mit der Trinkwasser-Verordnung eine möglichst vollständige und dem modernen Stand der Forschung entsprechende Überwachung und Kontrolle dieses unersetzlichen Lebensmittels in der Bundesrepublik festzulegen“, so Such in seinem Artikel. Das ist in den vergangenen 45 Jahren bis heute erfolgreich gelungen.

Laufende Anpassungen der Verordnungen an die steigenden Standards

Die Anforderungen an das Trinkwasser und die Regelungen zu dessen Sicherheit unterliegen laufenden Anpassungen. Während die erste Verordnung 15 Jahre bis zur Fertigstellung brauchte, finden die Änderungen fast im Jahresturnus statt. Am 9.1.2018 war die letztmalige umfassende Änderung mit der „Verordnung zur Neuordnung trinkwasserrechtlicher Vorschriften“ in Kraft getreten. Damit war eine wichtige Stärkung der Verbraucherschutzes bei Trinkwasser beschlossen worden. Dabei ging es um die Berücksichtigung internationaler Standards, aber auch das Verbot für die Einbringung von Gegenständen oder Verfahren in das Roh- oder Trinkwasser, die nicht der Trinkwasserversorgung dienen wurde festgeschrieben, Gefährdungsanalysen und so weiter. 

Vor wenigen Tagen wurde die Trinkwasserverordnung erneut aktualisiert. Dabei ging es um eine Übergangsfrist zur Anpassung der technischen Anlagen an die Verordnung von 2018. Aber schon steht womöglich die nächste umfassende Änderung bevor. Kurz vor Weihnachten 2019 einigten sich die EU-Kommission, das Parlament und die Mitgliedstaaten auf die längst überfällige Novellierung der geltenden EU-Trinkwasserrichtlinie. Ihre Umsetzung in nationales Recht wird die nächste Änderung der Trinkwasserverordnung mit sich bringen. Der DVGW hat sich recht, wenn er erklärt, „Die deutsche Trinkwasserverordnung ist die Grundlage dafür, dass das Trinkwasser in Deutschland zu den weltweit besten zählt.“ Wir sollten als Verbraucher gemeinsam daran mitwirken, dass sich daran nichts ändern wird. Denn die vielfältigen Bedrohungen der Qualität des Trinkwassers nehmen zu.

Quellen/Weiterführendes

  • „Verordnung über Trinkwasser und über Brauchwasser für Lebensmittelbetriebe“ (Trinkwasserverordnung) von 1975
  • Nachzulesen ist die Entstehung und Kritik an der Trinkwasserverordnung aus 1975 in einem lesenswerten Artikel aus DIE ZEIT aus dem Jahre 1977, der immer noch online verfügbar ist
  • „Die Trinkwasserverordnung – Neue Bestimmungen für unser unentbehrlichstes Lebensmittel“, Wolfram Such, BBK, 1977, S. 27 ff.
  • „Verordnung zur Neuordnung trinkwasserrechtlicher Vorschriften“ (Trinkwasserverordnung) vom 3.1.2018, DVGW
  • Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft e.V.
  • „Was die neue Trinkwasserverordnung mit sich bringt“, LebensraumWasser, 9.1.2018
  • Vierte Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung (2020)