Bundeskartellamt kritisiert mangelnden Wettbewerb bei Zähler-Ablesedienstleistungen

Das Bundeskartellamt kritisiert in einer Sektoruntersuchung den Markt für Ablesedienstleistungen bei Wärme- und Wasserzählern. Viele Mieter werden die kleinen Messgeräte an den Heizungen oder im Bad womöglich gar nicht wahrnehmen, sollten sie aber, denn sie zahlen dafür viel Geld – aus Sicht der obersten Wettbewerbswächter womöglich sogar zu viel. Das scheint an einer Verkettung von günstigen Bedingungen zu liegen – zumindest aus Sicht der Dienstleister. Unzureichender Wettbewerb, Marktmacht, Systembindung und langfristige Verträge scheinen in einer hohen Profitabilität zu münden, über die sich eine Hand voll Anbieter freut.

Vor der Veröffentlichung des Sektorberichts fand Energieexperte Udo Siegerding von der Verbraucherzentrale NRW im März gegenüber n-tv klare Worte: „Das ist ein Riesengeschäft zulasten der ohnehin gebeutelten Mieterhaushalte. Ich hoffe auf ein starkes Signal vom Bundeskartellamt.“ ISTA schien zu ahnen, was droht: Schon im April, also wenige Wochen vor Veröffentlichung des Kartellberichts, veröffentlichte das Unternehmen auf der Website vorsorglich eine Eigendarstellung, Titel IST HEIZUNGABLESEN „ABLOCKE? WAS ABLESEDIENSTE WIRKLICH LEISTEN“. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, hat das wohl nicht gelesen, denn bei der Vorstellung des Berichts Mitte Mai erklärte er: „(…) Wir haben dazu in unserem Bericht Vorschläge für gesetzliche Maßnahmen formuliert. Außerdem behalten wir uns vor, marktabschottende Verhaltensweisen der Anbieter genauer zu prüfen.“Die Ablesedienstleistung, auch Submetering genannt, umfasst die Messung des Verbrauchs und die Abrechnung von Heiz- und Wasserkosten in Gebäuden sowie die Überlassung der dafür benötigten Messgeräte wie Heizkostenverteiler oder Wärme- und Wasserzähler. Verglichen mit anderen Branchen ist das Submetering sicher ein Leichtgewicht. So beträgt das Marktvolumen nach Erhebung des Bundeskartellamts nur 1,47 Mrd. Euro. Schwergewichte gibt es auch: die Marktführer Techem und ISTA mit einem Marktanteil von zusammen 50 bis 60 %. Mit ihren Festpreisen erlösen sie durchschnittlich 74 Euro jährlich pro Wohneinheit. Vom Vermieter werden die Kosten als Betriebskosten an die Mieter durchgereicht.
Nach einer Schätzung des gemeinnützigen Klimaschutz-Netzwerkes „CO2 Online“ zahlen Mieter jedes Jahr 200 Millionen Euro zu viel. Nach dem Willen der Kartellbehörde soll der Gesetzgeber das jetzt ändern.

Fast zwei Jahre hat die Untersuchung gedauert. Im Juli 2015 fiel der Startschuss. Jetzt liegen die Ergebnisse vor und es soll gehandelt werden. Die Wettbewerbswächter empfehlen gesetzliche Maßnahmen zur Wettbewerbsbelebung. Kunden werden sich die Augen reiben: 15 % Netto-Umsatzrendite sollen es sein.

Vermieter ist gefangen und Mieter darf nicht mit entscheiden

Den Wettbewerbswächtern bereitet Sorge, dass der Vermieter den Submetering-Dienstleister auswählt und den Vertrag aushandelt (bzw. aushandeln sollte), die Kosten aber von den Mietern getragen müssen, ohne dass sie Einfluss auf die Leistung oder auf die Höhe der Kosten hätten. Daher schlussfolgert die Behörde, „wollte man die hieraus resultierenden Hindernisse für mehr Wettbewerb vollständig abbauen, müsste man dieses Dreiecksverhältnis als solches in Frage stellen und die Kosten für das Submetering dem Auftraggeber des Submetering-Unternehmens auferlegen.“

Der Vermieter sei bei der Ausrüstung der Zählersysteme durch den Dienstleister „gefangen“, wie der Bericht feststellt. Ein Anbieterwechsel würde durch die fehlende Interoperabilität der Zählersysteme erschwert, mit anderen Worten, man kann zwei unterschiedliche Zähler nicht zusammen arbeiten lassen. Diese Struktur könne ein Hemmnis für den Wechsel des Submetering-Anbieters darstellen und somit die Wettbewerbsintensität negativ beeinflussen. Ausserdem erschwere eine geringe Vergleichbarkeit von Preisen und Angebotsqualitäten durch die Nachfrageseite einen Wechsel der Submetering-Anbieter. Und als wäre dies noch nicht genug, kritisiert der Bericht die langen Vertragslaufzeiten, die auch auf unterschiedliche Eichfristen für verschiedene Zähler zurückzuführen seien.

Eine weitere Marktzutrittsschranke bestehe in den Wechselkosten. Der Wechsel eines Anbieters führe zu erheblichen Kosten sowie einem hohen Zeitaufwand. Dieser bestehe darin, dass in der Regel bei einem Anbieterwechsel sämtliche Zähler einer Liegenschaft ausgetauscht werden müssen, was unter anderem zu Ausgleichszahlungen für die Restmietdauer der bestehenden Zähler führe.

Digitalisierung – Türöffner für digitale Start-Ups oder Markteintrittsbarriere? 

Markteintrittsbarrieren seien ein weiteres Wettbewerbshemmnis. Nicht nur seien die erheblichen Investitionen abschreckend für neue Marktteilnehmer, auch das Wissen im Bereich Submetering fehle vielen Eintrittswilligen. Da sich die Vermietung der Zähler als Geschäftsmodell durchsetze, müssten diese vorfinanziert werden. Damit würden die Anforderungen an die Investitionen steigen, an denen kleinere Anbieter scheitern. Zudem werde das Know-How, die Zählerinfrastruktur und die Software durch Fernauslesung über Funk zunehmend anspruchsvoller.

In der Vergangenheit sind einige Markteintritte in den Submetering-Bereich gescheitert. Darunter etwa Unternehmen aus der Gebäudeverwaltung und aus dem Bereich der branchenspezifischen Software. Markteintritte durch Versorgungs- und Telekommunikationsunternehmen sind nach Einschätzung der Kartellbehörde auch für die Zukunft nicht in nennenswertem Umfang zu erwarten.

Könnte die Einführung von Funkzählern wettbewerbsstimulierend sein? Während in anderen Branchen digitale Technologien alte Geschäftsmodelle zerstören (Disruption) und neue Wettbewerber anzieht, erkennt das Bundeskartellamt in diesem Sektor eher eine weitere Abschottungsmöglichkeit. Durch die Digitalisierung von Zählern und die Fernauslesung über Funk würden zu erbringende Leistungen zunehmend anspruchsvoller. Anders als in der Wasserwirtschaft, wo viele Wasserversorger bei der Fernauslesung intelligenter Zähler aus den Hausanschlussräumen noch zögern – oder sich vom bayrischen Landesdatenschutz ausbremsen lassen müssen, hat der Ablesesektor das digitale Embryonalstadium schon verlassen. Zu mehr als einem Drittel bezögen die Ablesedienstleister ihre Messwerte schon per Funk – aus den Wohnungen. Ob den Mietern das im Einzelfall wirklich bekannt ist. Die Transparenz ist auch an anderer Stelle ein Problem, der Mieter aber
nicht machtlos. Nach Feststellung des Bundeskartellamtes scheinen Immobilienunternehmer gezielt Angebote von solchen Submetering-Unternehmen einzuholen, zu denen bereits vertragliche Beziehungen bestehen. Offensichtlich wird der Aufwand für die Suche nach anderen Anbietern gescheut, zumal der Erfolg ja dem Mieter zugute kommt. Handlungsunfähig sind die Mieter nicht, sie können sich mit Hinweis auf das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 556 Abs. 3 BGB berufen und beim Vermieter regelmäßig nachfragen, wie die Vertragsbeziehung mit dem Ablesedienstleister zustande gekommen ist und welche Wettbewerbsangebote vorlegen haben. Diesen Aspekt greift auch das Kartellamt auf. Weil die Kosten die Ablesedienste in den Nebenkostenabrechnungen nur aggregiert ausgewiesen würden, seien sie für Nutzer nicht nachvollziehbar. Transparenz ist aber notwendig, um bessere Konditionen einfordern zu können. Insofern erachtet es das Bundeskartellamt als sinnvoll, dass Nutzer detaillierter über die einzelnen Kostenkomponenten des Submetering informiert werden. Ein entsprechendes Transparenzgebot zur Aufschlüsselung der Kosten zur Gebrauchsüberlassung (Miete, Wartung) und für Servicedienstleistungen (Ablesung und Abrechnung) könnte zum Beispiel durch eine entsprechende Ergänzung in §§ 8 Abs. 2 und 9 Abs. 2 HeizkostenV vorgenommen werden.

Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert

Das Bundeskartellamt empfiehlt jetzt gesetzgeberische Maßnahmen, um die Wettbewerbshemmnisse abzubauen:

  • die Förderung der Interoperabilität von Zählern,
  • eine Vereinheitlichung der Eichfristen und Nutzungsdauern der Zähler und
  • eine verbesserte Transparenz für die Wohnungsmieter durch Informationsrechte und Ausschreibungspflichten.

Dieser Bericht wird in einigen Strategieabteilungen vermutlich auf breites Interesse gestossen sein. Mit Blick auf das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), das insbesondere den geplanten „Smart-Meter-Rollout“ regelt, könnte diese einen erleichterten Zugang zu den Ablesedienstleistungen nutzen. Aber auch Branchenfremde könnten sich angezogen fühlen. Wer sich als Startup in einen technisch geprägten und zugleich profitablen Markt hineinbewegen will und – mit Wohlwollen des Bundeskartellamtes – bestehende Strukturen aufbrechen möchte, der wird in dem Markt für Ablesedienstleistungen sicher fündig. Dass der Gesetzgeber noch vor der Bundestagswahl tätig wird, darf bezweifelt werden, insoweit hat die Branche noch eine Schonfrist…

Hier geht es zum Bericht des Bundeskartellamtes

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